02.06.2016, 14:07 | #1 |
TENEBRAE
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Glaube und Wahrheit
Der Glaube ist wie eine Glocke im Turm -
bewegt sie keiner, verschweigt sie ihr Schlagen. Selbst im erbarmungslosesten Sturm hat sie der Welt nichts zu sagen. Kommt aber einer und hängt am Seile sich auf, wie klingt der metallene Ton groß und wahrhaftig, und nach einer Weile weiß jeder im Dorfe davon. Die Wahrheit ist wie ein Samen im Wald von Bäumen, die dunkel und schattend stehen. Und endlich, wenn einer fällt, kann bald ein Pflänzlein man wachsen sehen. Kommt aber gerne des Nachts ein Tier und frisst, weil es hungert, was grünte. So geht’s allerzeiten im Walde hier - und ganz ohne Gott, der es sühnte.
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. Geändert von Erich Kykal (17.02.2019 um 12:00 Uhr) |
06.06.2016, 10:33 | #2 |
Gast
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Hallo eKy,
Dieses Gedicht fordert zum Nachdenken auf. Das soll es ja auch in dieser Rubrik. Der Glaube: so wie ich dich verstanden habe... wenn die Glocke nicht geschlagen wird, das heißt jemand nicht glaubt, oder intensiv glaubt, dann ist die Stille da, nur der Mensch mit sich, kein Symbol des Halts, sei es nun das Christendasein, der Islam, Buddismus oder ähnliches. Aber wenn es den Glauben gibt und somit auch eine Gruppierung, dann spricht sich ein Sturm ( Andersdenkende )wie ein Lauffeuer um. Es ist ja der Glaube in Gefahr, und somit auch die Menschen, die diesen Glauben haben. Die Wahrheit: Auch hier hast du ein Gleichnis geschrieben, ich weiß nicht, ob ich das richtig verstanden habe. Die Natur gleichgesetzt mit der Wahrheit sät Samen, das heißt wenn etwas wahr ist spricht es sich rum. Aber wie bei den sprießenden Samen im Wald, kommen Widrigkeiten dazwischen, und die Samen können gefressen werden, weil einfach ein Tier Hunger hat, In Rückschluß müßte eine Wahrheit auch gefressen werden nur weil es den Menschen in den Kram paßt, vielleicht haben sich die Lebenssituationen geändert, und somit ist die "Wahrheit" schon wieder eine andere "Wahrheit". Ich glaube an die Natur, nicht an eine besondere Religion, ich glaube an die Mitmenschlichkeit. Kirchen sind für mich die Wunderbauten der Architekten. Es sind besondere Räume ich möchte sie nicht missen. Aber das Meer, der Wald, die Natur ist behütet mein inneres Zuhause. Ich meine wer zu viel Wahrheit in sich hat, der denkt manchmal auch in Schwarz Weiß Dimensionen. Für mich liegt die Wahrheit in der Mitte, und die Menschen müssen sich an ihr reiben, und die Wahrheit, die Standpunkte müssen immer wieder neu überdacht werden. Es gibt keine absolute Wahrheit! Vielleicht liege ich mit meinen Gedanken daneben, aber das fällt mir zu diesem Gedicht ein. Liebe Grüße sy |
06.06.2016, 18:53 | #3 |
TENEBRAE
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Hi Sy!
Hier ist "Wahrheit" nicht als Absolutum gemeint (natürlich hat jeder seine eigene "Wahrheit"), sondern als allgemeiner und gern genutzter Begriff, der viel ersehnt, aber selten wirklich durchdacht wird. Aber der Reihe nach: Für mich sind die Begriffe "Glaube" und "Wahrheit" Gegensätze, da ich Glaube mit Religion(en) gleichsetze, und die halte ich ALLE für Mumpitz - Götter sind Weihnachtsmänner für Erwachsene, Trost für die Hilflosen und Dummen und Machtinstrument für die Klugen und Mächtigen. Ethik und Moral kann man auch ohne mahnende Zeigefinger am Himmel vermitteln! S2: "Wahrheit" - Wenn also einer dem Glauben die Wahrheit entgegensetzen will, tut er sich schwer (Samen im Schatten), und selbst wenn sie keimt, ist sie immer in Gefahr, weil die Bedürfnisse des Überlebens jederzeit wichtiger sein können als hehre Ideale! S1: "Glaube" - Dahingegen ist ein Glaube schnell entstanden: Einer hängt sich auf (Seil oder Kreuz, Jacke wie Hose: Jesus muss klug gewesen sein - Sohn Gottes, hallo? - also muss er gewusst haben, wohin sein Verhalten letztlich führen musste. Auch wenn Gott ihn dazu bestimmt hat - oder er sich das einbildete - es bleibt im Grunde ein Suizid, mit der damaligen Rechtsprechung als Tatinstrument), und schon bimmelt es laut, und alle kommen gelaufen und lauschen: Der Glaube drängt sich auf, weil man das Geläute gerne hört! Gibt es aber kein Initialereignis - was Griffiges mit Schmalz, damit alle "Boah" sagen und emotional beteiligt sind (Siehe Tragödie), an dem sich Legenden und Religionen bilden können - bleibt es still. Aber sowas kann man ja immer nachträglich erfinden und in die Welt behaupten - wo kämen sonst wohl all die Sekten her ... Ich hoffe, ich konnte mich erklären! Danke, dass du dich darum gekümmert hast - ich dachte schon, dies hier versänke unkommentiert. War ein "Schnellschuss", ehrlich gesagt, eher intuitiv geschrieben denn logisch durchdacht - aber das heißt nicht unbedingt, dass es darum schlechter sein muss! LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
07.06.2016, 21:15 | #4 |
Slawische Seele
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Lieber eKy,
ganz ehrlich: Ich tat mich schwer mit Verstehen. Nun aber, nach Deiner Erklärung, erkenne ich die "Wahrheit". Als man wenig von der Erde und vom Universum wusste, haben einzelne "Weise" etwas "Kluges" erzählt, also ihre ganz eigene Sicht, und wurden dafür geehrt. Weil man es nicht besser wusste, glaubte man. Es folgten viele, viele "Weise". Das funktionierte so hervorragend, dass diese Weisheit gegen jedes neue Erkennen verteidigt wurde - mit Gemetzel, mit Kriegen und mit Gehirnwäsche. Bis zum heutigen Tage und bis in die ferne Zukunft hinein. In der letzten Strophe ist ein kleiner Tippfehler: ein Tier Das finde ich sehr passend und es erklärt sich von selbst: Seneca "Religion gilt dem gemeinen Manne als wahr, dem Weisen als falsch und dem Herrschenden als nützlich." Liebe Grüße Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
07.06.2016, 21:27 | #5 |
TENEBRAE
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Hi Dana!
Danke für das Bemerken des Vertipperles - wenn ich rasch tippe, verschlucke ich ab und zu das "e", und ich bilde mir ein, es lässt sich überhaupt nicht mehr so sensibel antippen - Tastaturverschleiß? Das zitat von Seneca ist toll - ganz meine Linie! Ich kenne ein sehr Ähnliches: Für wen ist Religion wichtig? Für den Dummen, denn er glaubt alles, was man ihm erzählt. Für den Schwachen, der diese Krücke braucht, um stark zu sein. Für den Mächtigen, der sie gebraucht, damit die Dummen und Schwachen immer brav und gehorsam bleiben. LG, eKy
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20.06.2016, 21:21 | #6 |
Lyrische Emotion
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Servus Erich,
Glaube und Wahrheit, Wahrheit und Glaube. Sind das zwei Dinge, die sich wirklich ausschließen? Ich denke, es ist wahr, dass viele Menschen glauben und dass dieser Glaube für sie eine Wahrheit darstellt. Allerdings tue ich mich zunehmend schwerer damit, all diese Leute als dumm im eigentlichen Sinne zu bezeichnen, denn manche dieser Gläubigen sind das ganz bestimmt nicht, ganz im Gegenteil sogar. Nun schützt Klugheit aber nicht vor der Todesangst, vor der Furcht, eines Tages dieser Welt endgültig verloren zu gehen. Für viele ist das ewige Nichts, die Nichtexistenz also, ein unvorstellbarer Gedanke, mit dem sie sich nicht abfinden möchten. Daher ist es sehr bequem, den Trost über die unausweichliche Konsequenz des Lebens, demzufolge den eigenen Tod, in den althergebrachten Traditionen und Kulturen zu suchen, also in einer Religion, die man seit der Kindheit kennt oder aber in einem Glauben, den man sich später erwirbt. Da spielt auch eine ganze Menge Trotz mit herein und nur, weil niemand das Gegenteil beweisen kann, wird das oft für bahre Münze genommen. Du kannst mir glauben (), dass der Glaube somit für die meisten Menschen zu einer Wahrheit wird. Und irgendwie beneide ich diese sogar manchmal um ihren unerschütterlichen Glauben, denn mich als Atheisten lockt kein Himmelreich und kein religiöses Versprechen, und ich muss mir meine Ethik und Moral aus anderen Werten mühsam selbst entwickeln. Somit ist der Glaube zudem noch unheimlich bequem, denn man muss nur die vorgekauten Worte schlucken, um seinen Trost, seinen Sinn und Platz im Leben zu finden. Aber das irre daran ist, egal wer an was glaubt, niemand wird je enttäuscht werden, dazu bekommt er nämlich keine Gelegenheit mehr. Ich nenne das ausgleichende Gerechtigkeit, auch wenn ich einst nicht behaupten kann, siehst du, das habe ich dir doch gesagt. Lass sie glauben. Solange das jeder für sich tut, stört mich das auch nicht weiter. Gern gelesen und kommentiert... Liebe Grüße Bis bald Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine) Für alle meine Texte gilt: © Falderwald --> --> --> --> --> Wichtig: Tipps zur Software |
21.06.2016, 15:28 | #7 |
TENEBRAE
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Hi Faldi!
Das klingt ja schon sehr versöhnlich aus deinem atheistischen Munde! Altersmilde? - Aber klar, ich weiß, was du meinst. Aber Vorgekautes zu schlucken und Dogmen unreflektiert zu vertreten, heilige Bücher als wahr zu bezeichnen, nur weil es so sein muss - aus welchen Gründen auch immer - kann ich nun mal nicht anders als dumm bezeichnen! Ich gebe dir jedenfalls dahingehend unumwunden Recht, dass es sehr kluge Dumme gibt, die sich ganz bewusst klare Gedanken und bewiesenes Wissen verweigern, um weiter glauben zu können oder Teil einer Gemeinschaft zu werden oder zu bleiben. In meinen Augen sind das die allerschlimmsten Dummen: Die Schwachen. LG, eKy
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21.06.2016, 15:51 | #8 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Lieber Erich,
ich finde Falderwalds Kommentar gut. Altersweisheit ist doch gut, besser jedenfalls als Altersstarrsinn. Es gibt übrigens nicht nur kluge Dumme, sondern auch dumme Kluge. Die Bilder deines Gedichtes erscheinen mir etwas weit hergeholt und erst nach deiner Erklärung verständlich, besser ist es, wenn eine Erklärung nicht nötig ist. Liebe Grüße Thomas
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© Ralf Schauerhammer Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller |
21.06.2016, 16:05 | #9 |
TENEBRAE
Registriert seit: 18.02.2009
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Hi Thomas!
Wie gesagt, es war ein intuitiver Schnellschuss ohne große Überlegung zu den sich aufdrängenden Bildern. Geschrieben wie gerade so eingeschossen, könnte man sagen ... Ich habe nie behauptet, Faldis Kommi sei "schlecht" ... Aber du hast recht: Bei Religionen - und nur dort - reagiere ich gern besonders intolerant und auffbrausend. Da krieg ich immer gleich "so nen Hals"! Für mich ist es so, als würden diese Leute immer noch bockbeinig darauf beharren, dass die Erde flach sei, und als täten sie dabei einfach so, als gäbe es all die Gegenbeweise nicht - oder als hätten sie nichts mit ihrem Weltbild zu tun! Das macht mich WÜÜÜÜÜTEND!!!!! Klar ist "Wahrheit" vom philosophischen Standpunkt aus vieldeutig und hat erst mal nichts mit Objektivität zu tun - der Begriff ist dehnbar und immer Auslegungssache - warum wohl bringen sich sonst so viele Menschen in ihrem Namen gegenseitig um? Ich meine hier aber die lautere, möglichst objektive Wahrheit über alles, was wir bereits über dieses Universum wissen, und zwar nach- und beweisbar wissen! Diese Wahrheit MUSS von den Glaubenden nachgerade geleugnet werden, um die Existenz ihrer Überwesen nicht verschwindend unwahrscheinlich werden zu lassen! Grummelnde Grüße, eKy
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21.06.2016, 18:21 | #10 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Lieber Erich,
vermutlich ging es dir so wie mir. Als Kind habe ich einmal einen ganzen Tag im Holunderbusch gehockt und die Beeren gefuttert. Danach ging es mir sehr, sehr schlecht und bis heute hasse ich alles, was mit Holunder zu tun hat. Vielleicht hast du früher auch eine Überdosis von einem fundamentalistisch-dogmatischen Ding abbekommen, was bis heute ekelerregend wirkt. Aber viele Menschen erklären mir, dass es sehr schmackhafte Dinge aus Holunder gibt. Deine Ansicht, dass "Wahrheit von den nachgerade geleugnet werden MUSS" teile ich nicht, denn Wissenschaft und Glauben sehe ich in völlig verschiedenen Dimensionen, so dass sie, wie parallele Geraden, ihren Schnittpunkt nur im Unendlichen haben können. Ich verstehe wie es dir geht, und solange du tolerant bleibst, ist es ok. Wenn dir wieder einer dieser Himmelskasper quer kommt, dann lass halt die Wut ab. Du brauchst ihn ja nicht gleich am Glockenseil aufzuhängen oder irgendwie sonst zu paradiesischen Jungfrauen zu verhelfen. Liebe Grüße Thomas
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