Gedichte-Eiland  

Zurück   Gedichte-Eiland > Prosa und Verwandtes > Kurzgeschichten > Kurzgeschichten

Kurzgeschichten Geschichten, Erzählungen, Märchen, Fabeln

 
 
Themen-Optionen Ansicht
Alt 15.02.2017, 23:52   #1
Cheeny
Melody of Time
 
Registriert seit: 12.02.2017
Beiträge: 361
Standard Die traurige Stadt (ein Märchen)

Vor vielen, vielen Jahren gab es eine Stadt, in der die Menschen ernst und traurig in den Tag lebten. Still verrichteten sie ihre Arbeit. Ernst gingen sie abends zu Bett, traurig standen sie morgens wieder auf. Die Häuser waren grau, die Straßen waren grau, grau waren die Tiere und die Pflanzen. Wohin man auch schaute, - alles war grau.
In der Mitte der Stadt gab es einen großen Brunnen. dorthin kamen die Menschen der ganzen Stadt, um Wasser zu holen. Dort klagten sie einander ihr Leid und so manche Träne wurde dort geweint.
Eines Tages jedoch wollte das Jammern um den Brunnen kein Ende nehmen. Da seufzte ein altes, gebeugtes Mütterchen: „Ojeojeoje, wie schrecklich. Ich will nicht mehr. Wann hat das denn nur endlich ein Ende?“ „Neinnein, wie ist es doch furchtbar, “ stöhnte eine spindeldürre Dame. Und ein hagerer, bleicher Jüngling hauchte: „Ich wünschte, wir könnten etwas ändern.“ Des Weges kam ein Mann, der eine Kuh am Strick hinter sich herzog. „Ach, ach, ach, achachach …,“ murmelte er dabei vor sich hin, „Wie ist es schlimm. Achachachachach.“ Auch ein alter Mann stand da, mit hängender Schulter und meinte todtraurig: „Ich halt’s nicht aus. Ich halte es einfach nicht länger aus.“
Doch gerade an diesem Tag war auch ein kleines Mädchen am Brunnen. Die Mutter war sehr krank geworden und musste im Bett bleiben. So war das Mädchen gekommen, das Wasser zu holen. Es lauschte eine ganze Weile den Gesprächen, bevor es eilig nach Hause lief und der armen Mutter das Wasser brachte. Sie fasste sich ein Herz und sagte: „Kann ich noch schnell zum Großvater? Ich möchte ihm etwas sagen.“ „Na gut,“ antwortete die Mutter, „dann lauf, aber komme danach gleich wieder nach Hause.“
Ganz außer Atem erreichte das Mädchen den Großvater und erzählte ihm, was sie am Brunnen gehört hatte. Dieser sagte zu seiner Enkelin: „Du hast Recht daran getan, zu mir zu kommen. Ich werde mich darum kümmern. Nun geh’ zu deiner Mutter. Sie braucht dich.“
Der Großvater aber gehörte zum Rat der Weisesten und Ältesten. Nachdem die Enkelin gegangen war, rief er den Rat zusammen. So beratschlagten und beratschlagten die Weisesten und Ältesten. Die Versammlung dauerte und dauerte. Da sagte schließlich ein sehr alter und weiser Herr: „Wir sollten Freiwillige suchen, die in die Welt ziehen, um Hilfe für unser Problem zu finden. Wir sollten eine Bekanntmachung schreiben und sie überall in der Stadt aufhängen.“
Und genau dies taten sie dann auch.
Nun gab es in der Stadt einen Tischler. Dieser hatte einen einzigen Sohn. Der Sohn sollte das Geschäft des Vaters übernehmen und musste deswegen das Tischlerhandwerk erlernen. Doch stattdessen schnitzte er den ganzen Tag Figuren. Wunderschöne Figuren, die er den Alten, den Kindern und den Kranken schenkte. Als der Sohn von der Bekanntmachung hörte, sprach er zu seinem Vater: „Ich will gehen und mich melden. Ich will in die Welt ziehen und Hilfe finden. Bitte verweigere mir die Erlaubnis nicht.“ „Nun, so gehe, mein Sohn, “ antwortete der Vater schweren Herzens, „Gott möge dich behüten.“
Außerhalb der Stadt, im Wald stand das Försterhaus. Der Förster hatte zwei Söhne. Während der Ältere mit ihm auf die Jagd ging, durchstreifte der Andere die Wälder und kümmerte sich um verletzte Tiere und verwaiste Tierkinder. Er hegte und pflegte auch die Pflanzen und die Bäume. Als nun der jüngere Förstersohn von dieser Bekanntmachung hörte, sagte er zu seinem Vater: „Ich will in die Welt ziehen und Hilfe finden, bitte lass mich gehen.“ „Nun denn, mein Sohn,“ antwortete der Förster: „dann gehe. Gott möge dich behüten.“
Am Rande der Stadt gab es ein Armenviertel. Dort lebten die ärmsten Menschen der Stadt. Statt Häuser hatten sie nur Hütten; und oft genug reichte das karge Mahl nicht, um satt zu werden. Hier lebte der Knecht eines reichen Herrn. Die Frau war ihm schon lange verstorben und hatte ihn mit neun Kindern zurückgelassen. Er musste viel und hart arbeiten, um seine Kinder einigermaßen ernähren zu können. Sein ältester Sohn musste währenddessen auf die kleineren Geschwister Acht geben. Doch dieser liebte es, den Kleinen Geschichten und Märchen zu erzählen. Mit der Zeit kamen die Kinder des ganzen Viertels, um seinen Geschichten zu lauschen. Als nun der Sohn des Knechts von der Bekanntmachung hörte, sagte er: „Ach Vater, kann nicht mein jüngerer Bruder die kleinen Geschwister versorgen, er ist doch alt genug? Ich will in die Welt ziehen und Hilfe finden.“ „Mein guter Junge,“ sagte der Knecht, „so magst du gehen und Gott möge dich behüten.“ Sie umarmten sich zum Abschied und der Sohn des Knechts ging, um sich beim Rat der Ältesten und Weisesten zu melden.
Dort traf er auf die beiden anderen Freiwilligen. Die drei jungen Burschen wünschten sich gegenseitig Glück und zogen los, ein jeder in eine andere Richtung. Es ging über Wiesen und Felder, über Bäche, Flüsse und Berge, durch Täler und große Wälder.
Nach langem. langem Laufen sah der Sohn des Tischlers in der Ferne ein herrliches Leuchten. Als er näher kam stand er vor einem Gebirge. Doch das Gebirge war ganz aus Kristallen und schimmerte, er weiß nicht wie. So etwas hatte er noch nie gesehen. Da donnerte plötzlich eine Stimme hinter ihm: „Was suchst du in meinem Gebirge? Hier kommen sonst nie Menschen her?“ Als er sich umdrehte, stand da ein Riese. So erzählte er dem Riesen von seiner Stadt, und dass er auf der Suche nach Hilfe war. Da sagte der Riese zu ihm: Ich bin der Herr der Kristallberge. Du kannst bleiben. Was du siehst sind Farben und ich werde dich lehren, wie man sie herstellt. Aber dafür musst du die Berge sauber halten. Jeden Tag musst du sie fegen. So blieb der Sohn des Tischlers bei dem Riesen.
Als nun ein ganzes Jahr vergangen war, sprach der Riese zu dem Tischlersohn: „Du hast nun gelernt, was man über Farben und ihre Herstellung wissen muss. Es ist Zeit für dich nach Hause zu gehen.“ Er schenkte dem jungen Mann zum Abschied eine Hand voll Kristalle, ein jeder in einer anderen Farbe.
Der Sohn des Tischlers bedankte sich bei dem Riesen und machte sich auf den Heimweg, über Wiesen und Felder, über Flüsse und Berge, durch Täler und große Wälder.
Zu Hause angekommen, berief der Rat der Ältesten und Weisesten eine große Versammlung ein. Die ganze Stadt kam, um zu sehen, was der Sohn des Tischlers mitgebracht hatte. Er zeigte ihnen die Kristalle und die Menschen kamen nicht mehr aus dem Staunen heraus.
In der folgenden Zeit stellten sie Farben her, so wie der Tischlersohn es ihnen zeigte. Und sie bemalten die ganze Stadt, die Wälder, die Tiere, die Wiesen und die Blumen.
Der Sohn des Försters aber war noch sehr viel weiter gelaufen. Schließlich sah er auf der Lichtung eines Waldes viele kleine Häuschen, die ihm kaum bis zum Bauch reichten. Kleine Leute liefen hin und her. Da ging es zu. Sie purzelten durcheinander und kringelten sich vor, er weiß nicht was. So etwas hatte er noch nie erlebt. Als sie ihn erblickten, hielten sie inne und kamen herbei. Sogleich war er umringt und sie fragten ihn: „Was suchst du im Reich der Zwerge. Hier kommen sonst nie Menschen her.“ Da erzählte der Sohn des Försters von seiner Stadt mit den traurigen Menschen, und dass er auf der Suche nach Hilfe war. Einer der Zwerge sagte zu ihm: „Ich bin der Fürst der Zwerge. Du kannst bei uns bleiben. Bei uns ist es lustig und wir werden dich das Lachen schon lehren. Aber dafür musst du unsere Wege sauber und rein halten. Tagtäglich musst du sie fegen. So blieb der Sohn des Försters im Reich der Zwerge.
Zwei Jahre waren vergangen, da sprach der Fürst der Zwerge zu dem Förstersohn: „Nun weißt du, wie man andere zum Lachen bringt. Es wird Zeit für dich nach Hause zu gehen.“ Zum Abschied schenkte er dem jungen Mann eine Zwergenmütze und sagte: „Immer wenn du traurig bist, setze sie auf. Sie wird dir helfen wieder froh zu sein und dich des Lebens zu freuen.“ Der Sohn des Försters bedankte sich bei den Zwergen und machte sich auf den langen Heimweg.
Zu Hause angekommen, berief der Rat der Ältesten und Weisesten sogleich eine große Versammlung ein. Die ganze Stadt kam, um zu sehen, was der Sohn des Försters mitgebracht hatte. Und noch ehe es Abend wurde, fielen sich die Menschen der ganzen Stadt kichernd und lachend um den Hals. Und in jener Nacht wollte niemand so recht einschlafen.
Der Sohn des Knechts aber war gelaufen und gelaufen, bis ans Ende der Welt. Da stand er nun und sah zum Himmel. „Lieber Gott,“ sagte er, „ich habe nichts gefunden, das den Menschen unserer Stadt helfen könnte. Was soll ich nun tun? Kannst nicht du helfen, bitte?“ Und ehe er sich versah, kamen zwei Feen, die zu ihm sagten: „Komm, wir wollen dich etwas Besonderes lehren.“ Die beiden Feen nahmen ihn mit und brachten ihn in ihr Reich. Dort hörte er etwas, er weiß nicht was, so schön, dass ihm vor Freude die Tränen über die Wangen liefen. So etwas hatte er noch nie gehört. Da trat ein Feenmann zu ihm und sprach: „ Du hörst Töne und Klänge. Das ist Musik. Du bist im Reich der Feen und Elfen und ich bin der König. Du darfst bei uns bleiben. Wir werden dich alles lehren, was du über Musik wissen und können musst. Aber dafür musst du unser Reich sauber und rein halten. Jeden Tag musst du hier fegen. So blieb der Sohn des Knechts bei den Feen und Elfen. Insgeheim aber bedankte er sich bei Gott für die Hilfe.
Nach Jahren des Lernens und Übens, es mögen drei, vier oder mehr gewesen sein, sprach der König der Feen und Elfen zu dem Sohn des Knechts: „Du kannst nun singen, du kannst musizieren, du kannst Liedertexte dichten und du weißt Instrumente zu bauen. Es ist Zeit für dich nach Hause zu gehen.“
Er schenkte dem jungen Mann zum Abschied eine Harfe. Der Sohn des Knechts bedankte sich herzlich bei den Feen und Elfen. Zwei von ihnen brachten ihn wieder zurück ans Ende der Welt und er machte sich auf den langen, langen Heimweg.
Zu Hause angekommen, berief der Rat der Ältesten und Weisesten sogleich eine Versammlung ein. Und die ganze Stadt kam, um zu sehen, was der Sohn des Knechts mitgebracht hatte. Dieser nahm seine Harfe und sang dazu die Lieder, die er gelernt hatte und all den Menschen blieb vor Staunen der Mund offen stehen. Als er geendet hatte sagte er in die Stille: „ Das könnt ihr auch. Ich werde es euch beibringen.“ Die Augen der Menschen seiner Stadt begannen zu leuchten und in so manchem Auge funkelten die Freudentränen. Einige versuchten gar vorsichtig ein paar Töne zu singen. Nicht lange und es summte aus allen Ecken und Enden.
Der Großvater jedoch nahm seine Enkelin, die Mutter war natürlich schon längst wieder gesundet, in die Arme und beide lächelten glücklich.
Bald darauf wurde zu Ehren der drei jungen Männer ein großes Fest veranstaltet und man weiß nicht wie, sah man die Enkelin in den Armen des Sohnes des Knechts tanzen.
Fortan lebten die Menschen dieser Stadt froh und zufrieden.
Cheeny ist offline   Mit Zitat antworten
 

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu

Ähnliche Themen
Thema Autor Forum Antworten Letzter Beitrag
Das traurige Mädchen am Fenster Erich Kykal Denkerklause 6 21.01.2014 21:42
Traurige Weihnachten Panzerknacker Stammtisch 10 28.01.2013 20:48
Nur ein Märchen? Pedro Kurzgeschichten 2 25.09.2010 04:35
Der traurige Spielmann Smoertin Ausflug in die Natur 2 29.10.2009 19:11
Traurige Heldin fee Satire und Kabarett 7 12.05.2009 11:02


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 04:26 Uhr.


Powered by vBulletin® (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.

http://www.gedichte-eiland.de

Dana und Falderwald

Impressum: Ralf Dewald, Möllner Str. 14, 23909 Ratzeburg