10.07.2017, 11:50 | #1 |
Wortgespielin
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Höhere Gewalt
Und Gott schuf diese Menschen. Er ist eben ein Macher
und eine höhere Gewalt. Schöpfung heißt immer wieder Mut finden. Ausschuss und Müll gibt es dabei nicht, und alles ergibt irgendwo Sinn. Wer zum Schöpfen von Neuem bereit ist, muss u.U. auch Bestehendes wieder umschmeißen und verwerfen. Dabei lässt man es urig krachen und seine göttlichen Funken sprühen. Das machte der liebe Gott damals so, das macht die Natur heute so, das Prinzip hat selbst der Mensch mit seinen niederen Instinkten verstanden, zumindest die Cleversten unter ihnen. Und sie schmeißen, was das Zeug hält, nur um zu schmeißen, aus reiner Lust und Lebensfreude. Das Leben ist ein Spielplatz, Spiele vor laufender Kamera. Und ihr erklärtes Ziel ist die verbotene Zone, abseits vom Paradies. Counter- Strike life, Reality Game. Das Spiel wird ganz cool durchgezogen, eiskalt, und ein spontanes Feuerchen hilft immer. Es wird abgefeuert auf Teufel komm raus. Zehn Stunden täglich, wie früher an der Konsole. Wem es dabei zu heiß wird, der lässt sein Mütchen und seinen verdörrten Verstand in der abendlichen Hitze von den umherstehenden Wasserwerfern kühlen. Hier im Viertel sind die schwarzen Blöcke zu Gast, verschanzt im Schanzenviertel. In Schildkrötenformation schwärmen sie aus, heute gibt es freie Bedienung in den Supermärkten, Hauptsache die Anwohner bekommen die Krise. Politik? keine Ahnung, aber es schmeckt. ,,Wir nehmen den Lieferwagen, der brennt länger!" schreit jemand ganz aufgeregt in die Kamera, angefeuert von den Blicken der Zuschauer. Er avanciert gerade mit seinem Selfie zum Medienstar. Eine Millionen Klicks, im Minutentakt, Event- Jugendliche, die gehört werden wollen und endlich die angemessene Aufmerksamkeit bekommen. Einige genehmigen sich vorher noch einen kleinen Molotow- Cocktail mit schwarzer Blockschokolade, versteht sich. Und schon schwappt der jugendliche Übermut über, und flutet die Straßen, und von den Dächern regnet es Pflastersteine, wie früher als noch kleine Kieselsteine von den Autobahnbrücken geflogen kamen. Die Demokratie entlässt gerade ihre Kinder. Eine App zeigt die anrückende Hundertschaft, und eine andere App markiert die Fluchtwege. Manche mackieren Gott, Gott spielen macht Spaß. Spaß ist Macht und Allmacht macht sie alle glücklich. Das ist höhere Gewalt pur. Und die Regierung wird selbstverständlich für den Schaden aufkommen, das wurde den Betroffenen sofort zugesagt. Schließlich ist Wahlkampfzeit, und da will man sich nicht lumpen lassen. Eltern haften für ihre Kinder. Sie will sich später keine Verwahrlosung nachsagen lassen. (Anm. : Friedliche Demonstranten soll es laut Augenzeugen sogar auch gegeben haben, vereinzelt, irgendwo in den Gassen, doch Nebenschauplätze bleiben wie immer stets unerhört. ) Die vielen lustigen Schaulustigen waren eindeutig in der Überzahl. Selfies für die vielen hundert Freunde. Dabei sein ist alles. Schaulustigen- Tourismus trifft Straßenterrorismus. Bildschirm trifft Couch. Empörung trifft Müdigkeit, und schon gehen die Äuglein zu. Doch Hamburg war auch schon immer eine verlässliche Schmiede und sichere Adresse für Macher in der Krise. Und heute sitzen die besten zwanzig Krisenmacher der Welt in gemütlicher Runde zusammen. Einer hat stolz seinen eigenen Krimsekt mitgebracht, der Mumm fehlt Ihnen allen. Die selbsternannten Besten schöpfen aus dem Vollen. Schröpfen braucht Mut, viel Mut. Und wer erfolgreich weiter schröpfen will, muss nur auf dem Schlauch und auf dem Bestehenden bestehen bleiben. Jeder hätte ja anders, wenn der andere anders u.s.w...., doch man vertritt nun mal sein eigenes Land, und das geht vor. Never change a winning Team, vor der Kamera ist nicht hinter der Kamera, und nach dem Spiel ist man vielleicht ein freundlicher Kamerad und sich einig in den Grundsätzen der Besitzstandswahrung. Hauptsache es reicht noch zum Nachtisch für eine gemeinsame feige Feigenblattererklärung, in hauchdünnem Blätterteig. Vor allem vage muss sie sein, zart und vielsagend. So mag sie jeder am liebsten. Und wieder bleiben die Nebenschauplätze unerhört, auch unter vier Augen. Hier tuschelt man bereits von den verbotenen Zonen und von der Aufteilung der Welt. Da beschließen die künftigen Kolonialherren die Erde anzubohren, es wird okkupiert, oder annektiert, was das Zeug hält. Und wer darüber plötzlich kalte Füße bekommen sollte, dem kann geholfen werden. Da wird spontan ein Kriegsfeuerchen angefacht, dass die Funken nur so sprühen. Oder man tritt unerwartet und spontan den eigenen Krieg mit Füßen und mimt den generösen Flugverbotszonen- Friedensbotschafter. Der ernsthafte Beitrag zum Gipfelerfolg war im Vorfeld schließlich eine abgemachte Sache, zumindest ist die Möglichkeit zum Frieden angedeutet worden. Und wem das Klima zu heiß wird, der steigt einfach aus und fühlt sich und seine Ansichten in abendlicher Hitze von den erfrischenden Bildern einiger Wasserwerfer bestätigt. Vielleicht vorher noch ein kleiner Cocktail in gemeinsamer Runde, während es draußen Pflastersteine von den Dächern hagelt, wie ungemütlich! Egal, ob Taxim, Gorki oder Schanzenviertel. Die Bilder der Zerstörungswut gleichen sich zwar auf erschreckende Weise, doch höhere Gewalt ist nie vergleichbar. Freie streitbare Demokratien distanzieren sich sofort von der kriminellen Energie welche nur ihrer sinnlosen Zerstörung freien Lauf lassen will. Eins, zwei Bauernopfer werden hinterhergeschoben, dann ist die Welt aber wieder sauber und in Ordnung. War dieser vermummte schwarze Block nicht ferngesteuert?! Bestimmt sogar! Islamophobe, Homophobe, Links wie Rechts- Phobe, jeder anständige Phobiker kommt auf seine Kosten, und bekommt die Bilder, die er für sein Weltbild oder seine Verschwörungstheorie braucht ins kuschelige Wohnzimmer serviert. Ebenso liefern dieselben Bilder den waschechten demokratischen Diktaturen die Munition, die sie brauchen. Diese kennen natürlich nur Terroristen, ferngesteuert von den freien Medien mit ihren freien Denkern. Auch hier bekommt jeder die Bilder und die passende Verschwörungstheorie ins kuschelige Wohnzimmer frei haus. Mancher bestellt sich sich zum blutig triefenden Hamburger noch eine Salami- Pizza dazu. Hauptsache, man findet heute wieder einen freien, runden Tisch, und verschwört sich im weltweiten Kampf gegen den IS, gegen die Terrormiliz, gegen das Böse in der Welt. Und in den schwierigsten Gesprächen der Welt wird offen gelassen, wo nun das Böse eigentlich steckt, da ist man ganz offen für alles, was die eigenen Landesvorteile sichern hilft. Deshalb haben sich die Vertreter der Menschheit auch heute zum teuersten Kaffeekränzchen der Welt zusammengefunden. Na dann mal Prösterchen zusammen und zum Wohle! Ist wohl alles eine besondere Form der höheren Gewalt. Doch die Welt ist zig-Fach gegen solch höhere Gewalt versichert, die Menschheitsvertreter sind aufrecht, da kann kaum noch etwas schief gehen. Und nur wenn man die Dinge wieder gerade und zurecht rücken wollte, dann lägen sie schief, aber darauf will es keiner hier ankommen lassen. Ist narzisstische Machtversessenheit eigentlich noch als intelligent zu bezeichnen, wenn es nur der eigenen Subspezies Vorteile bescheren soll?- fragt sich der ungeladene Zuschauer am Zaune. Welch ein Dummerchen! Und da sitzen sie also, und wir schämen uns fremd und wollen bei dieser bestehenden und festgezurrten Schieflage nichts mit Ihnen zu tun haben. Chancen werden verspielt und vertan in den vielen vier Augengesprächen, an den runden teueren Casinotischen oder draußen an den chaotischen und K.o. Plätzen der Welt, und wir sind stets mit allem verbunden, geblendet, gesandstreut, zumindest an den Augen. Den Text kann sich eh später jeder nach Bedarf zurecht schreiben, oder dazu denken. Hauptsache, man hat mal über alles geredet und nachgedacht, Hauptsache man war dabei, Hauptsache man gehört dazu. Und die Melkmaschinen in diesem Großbetrieb Menschheit funktionieren reibungslos. Der gemolkene Mensch. Das Menschenleben wird zum Spiel, verzockt an Lebensmittelbörsen, verzockt von eitlen Präsidenten und Präsidentenmachern von Kriegstreibern und gierigen Kleinaktionären. Und immer wieder sind wir es selbst. Wir wählen unseren Konsum, unser Leben, wir wählen unsere Metzger und die mitleidlosesten Vertreter, die souverän und erhaben auf blutroten Teppichen an bettelnden Händen vorbeidefilieren können. Wo ist der zürnende Gott, mit seinem Flammenschwert, wo sind die Terroristen, wenn man sie braucht? Zur Entspannung fliegen allen in der Aftershowparty elbphilharmonisch die schönsten Götterfunken der Freude um die Ohren, die man sich vorstellen kann. Manche nicken beseelt und friedlich ein. Im Traume fliegen sie an ihre geheimen, geliebten Plätze, fernab vom Trubel. D.h. ,,Sie" das sind eigentlich wir, und wir, das bin ich. Ich kann es jederzeit ändern, wenn ich wirklich wollte. Was bin ich nur für einer, wer bitteschön bin ich in denn in Wirklichkeit? Und während ich der großen, gewichtigen Welt- Frage nachgehe, wer ich bin, hungert der Rest der Welt leise und still vor sich hin, zu schwach, um sie, um uns, um mich aus der bequemen sinnierenden Trance oder aus dem Tiefschlaf zu reißen. Sie hungern sich noch zu Tode. Dabei sind nach Auffassung einiger Krisenmacher solche Essstörungen durchaus behandelbar. Doch solche Nebenschauplätze bleiben stets unerhört. Nichts hören, nichts sehen, nichts sprechen, und vor allem sich bei alledem nur nicht stören lassen oder angesprochen fühlen. Der Rest ist eh höhere Gewalt. Wir sind Papst, wir sind Weltmeister, wir sind Hamburger, ja, wir sind die ,,höhere Gewalt", wir sind komplett zu, und zudem rundum versichert. Das gelungene Abschlussphoto muss auf jeden Fall wieder als großer Erfolg gefeiert werden. Solch ein gelungenes Selfie darf sich keiner entgehen lassen. Wie geschnitten Brot lässt sich dieses Tranquilizerbild in jeden Wahlkampf einbauen. Es lässt sich wunderbar verkaufen, Brot für die Welt und Spiele für den Rest. Hier wird schließlich die ganz, ganz große Politik gemacht, und die Großen waren alle dabei, und es ist etwas ganz großes dabei herausgekommen, und wenn nicht, muss es groß geredet werden, damit es nicht beschämend und kleinmütig ist. Die gemeinsame große Abschlusserklärung wird abgenickt und unterschrieben. Danach wird in Ruhe verdaut. Weltenretter muss heutzutage keiner mehr spielen, scheint sich eh nicht mehr zu lohnen. Hauptsache, man hat mal über alles geredet, Hauptsache man war dabei, Hauptsache man wird auch beim nächsten Male wieder eingeladen und gehört immer wieder dazu. Dann ist man als Macher nicht so schrecklich alleine auf dieser Welt mit seinen düsteren Gedanken um kurz vor zwölf. Doch zum Glück ticken die Uhren auf der ganzen Welt für jeden anders. Geändert von AAAAAZ (05.08.2017 um 18:07 Uhr) |
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