04.05.2009, 19:17 | #1 |
asphaltwaldwesen
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Traurige Heldin
Ich wär so gern eine traurige Heldin.
In all den Filmen sehen die Heldinnen in ihrem Kummer stets wunderschön aus. Je trauriger umso schöner. Und immer warten schon die Prinzen an der Ecke gegenüber ihres Hauses, um sie zu retten. Unzählige Lieder singen davon. „I don' t mind spending every day out on your corner in the pouring rain look for the girl with the broken smile ask her if she wants to stay a while she will be loved“. Nichts davon ist wahr. Alles betrug. Ich weiß es. Ich bin traurig. Trauriger kann man gar nicht mehr sein als ich es bin. Ich fahre mit meinem Auto heldinnenhaft traurig täglich tapfer in die Arbeit und wieder nachhause. Erledige meinen Kram. Innerlich unbeteiligt. Ganz in meine anmutige Traurigkeit gehüllt. Ich muss umwerfend schön aussehen – so traurig, wie ich bin. Und immer höre ich die passende Filmmusik dazu im Hinterkopf. Aus dem CD-player im Wagen dröhnen melancholische Rockballaden. Nicht zu weinerlich, aber auch nicht zu hart. Schließlich will ich ja gerettet werden, weil ich eine Heldin bin. Eine traurige. Ich kurbel das Autofenster an jeder Kreuzung ein Stückchen runter. Damit man meine heldinnenhafte Traurigkeit auch hört. Ich gebe mir wirklich Mühe. Warum nur ist mein Prinz nicht da? Ausgerechnet meiner? Langsam beschleicht mich ein schrecklicher Verdacht. Die Prinzen lauern nur auf die Traurigkeit und nicht auf die Heldinnen. Retten ist sexy. Traurige Heldinnen in Schlabbernachthemden und dicken Depressions-Wollsocken, die sich allein daheim an Jumbo-Teetassen klammern und wärmen, sind es auch. Im Film. Sind die nur schön genug, um gerettet zu werden? Ich geb ja zu: im Spiegel find ich mich selbst auch nicht so toll mit tränenverquollenen Augen und hängenden Schultern und Mundwinkeln. Ich hab eben nicht die Ideal-Maße um gerettet zu werden. Daran wird’s wohl liegen. Ich bin zu fett und nicht hübsch genug, um eine traurige Heldin zu sein, die rettenswert ist. Jetzt bin ich traurig. Aber so richtig. Meine Wollsocken haben ein Loch. Und die Musik im Radio ist viel zu fröhlich. text: fee ´ 08 lyric-zitat: maroon 5, "she will be loved"
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"Gedichte sind Geschenke an die Aufmerksamen" Paul Celan |
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