24.01.2010, 12:00 | #1 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Die paar Kilo ...
Die paar Kilo ...
Meine Waage und ich sind dicke Freunde geworden, denn sie zeigt mir jeden Tag, dass ich "richtig was drauf hab". Ich habe mich an ihre hartherzige Art gewöhnt, die keine Rücksicht nimmt auf Gefühlsduseleien. Vielleicht ist sie das Einzige, was in einer korrumpierten Welt noch tatsächlich unbestechlich und werteneutral funktioniert. Hinter der Wage hab ich mir ein Balkendiagramm auf die Tapete gemalt. Die Gewichtsangaben reichen von 85kg bis 100kg. Nicht, dass man glaubt, ich wäre am Ende eitel. Nein, dazu besteht kein Anlass, denn ich bewege mich mit 93kg bei einer Körpergröße von 1,84m durchaus im tolerierbaren Bereich. Mich ärgert etwas ganz anderes - alle Pläne gegenzusteuern sind letztlich aus irgendwelchen Gründen versandet und ich nehme augenblicklich an, dass hier böse Mächte im Spiel sind. Zum Beispiel der Plan mit dem Fitness Studio hat nicht funktioniert. Ich hab da mal reingeschaut wegen der Anmeldung. Das ist so ein hypermoderner Laden mit bodygestylten Karrieretypen. Sofort dachte ich mir “nee - that`s not my world”. Auch die Aussicht in der Sauna, inmitten attraktiver Muskelmäuschen zu sitzen, konnte mich da nicht umstimmen. Auch Diät Drinks oder Power Nahrung sind auf Dauer nicht die Lösung, was wohl an meinen Geschmacksnerven liegt. Die Inhaltsstoffe klingen so unverfänglich und die Spurenelemente kommen als Nahrungsergänzung sehr gesund rüber. Aber die Geschmacksrichtung „synthetisch Banane“ ist doch sehr gewöhnungsbedürftig. Auch die Variante „Chemie Erdbeere oder Schokolade“ bringen keine Abwechslung. Und dann der Preis! So ein kleines Döschen kostet 9,99. Frustriert habe ich mir einen Ersatz gesucht - und ich bin fündig geworden. Ich habe die guten alten Haferflocken halbzart entdeckt. In ein kleines Schälchen mit Milch, erfüllt es als PC Dekoration den selben Effekt wie Chips, Erdnüsse oder Schokolade. Gestern hab ich also anstelle von Nachtessen drei kleine Schälchen weggeputzt. Es war wunderbar. Man fühlt sich nicht so aufgebläht - und die Haferflocken wirken sich positiv auf die Magenschleimhaut aus. Spurenelemente sind auch drin. „Wat willste mehr?“ Und eine Tüte kostet nur 49 Cent. Mal sehen, ob ich das heute wieder schaffe. Letzte Woche hatte ich die erste Erfolgsmeldung nach wochenlangem Martyrium. Oder war es doch nur eine Sinnestäuschung? Es waren nur noch 91kg, die der eifrige Zeiger anzeigte, also zwei Kilo weniger! Allerdings habe ich mich dabei ertappt, dass ich vor dem „Auf-die-Waage stellen“ Schlüsselbund und Geldbeutel abgelegt habe. Ist das kleinlich oder gar eitel? Ich hätte nicht geglaubt, dass ich so ein Erbsenzähler bin. Auf anderen Gebieten bin ich nämlich die Großzügigkeit in Person. Eine Bekannte sagte mir „ich gehe nur in der Früh und nackt auf die Waage - nicht einmal mit nassen Haaren“. Letzten Freitag dann die erste Haferflockenerfolgsmeldung - der Tachometer der Waage ist unter 90 gerutscht - Die Beschleunigung von 0 auf 89 war trotz allem berauschend - sagenhafte 3,9 Sekunden - da kann man richtig „Porsche-Träumen“. Heute Vormittag kam dann die böse Überraschung, der Zeiger der Waage in der Sauna hat sich ungerührt wieder auf 93kg eingependelt. Ich liebe diese medizinischen Waagen in der Sauna, bei denen man die Gewichte so leicht verschieben kann - das ist spannender. Man fängt mit dem großen Gewicht bei 90 an und schiebt dann das kleine Gewicht peu a peu nach rechts. Der Frustrationsmoment kommt nicht so brachial mit dem Vorschlaghammer. Andererseits, wenn man nach links schiebt, ist die Vorfreude größer. Meine Personenwaage hat allerdings auch einen Vorteil. Ganz unten befindet sich ein kleines Rädchen. Mit Hilfe dieses Rädchens kann man die Null Justierung einstellen, leider aber auch zwei Kilo runtermogeln wenn man Nullmarke leicht im Uhrzeigersinn verschiebt. Ich frage mich, ob das kindisch ist. Ich hab jetzt zwei Garnituren Hosen. Die eine Sorte ist für die 89 kg Phase - zugegeben selten getragen, die andere für die 93kg Phase. Aus Platzgründen habe ich die „Leichtgarderobe“ in eine Kiste verbannt und unters Bett geschoben. Hoffentlich nicht für alle Ewigkeit. Beim Wiedererkennungslesen musste ich mir doch die Frage stellen: - Ist der sogenannte „Club“ des Kalorien-Widerstandes alles, was uns an zivilem Ungehorsam bleibt? Gibt es einen Unterschied von „sektirischem Gesundheitszwang“ oder ist es eine Begleiterscheinung von „auf sich achten“? |
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