10.04.2011, 15:55
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Erfahrener Eiland-Dichter
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Beiträge: 1.836
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Die Stille vor dem Schrei
Die Stille vor dem Schrei
Die Knospen des Baumes erzählen vom Leben.
Ich lerne die Sprache der Stillen zu sehen,
kann wortlos Geschichten und Märchen verstehen.
Menschen, sie kamen und gingen, errichteten Häuser,
spielten mit Steinen und Glas. Gebäude verfielen und wuchsen,
machtlos der Zeit unterworfen. Der Baum, er trieb Knospen,
Blüten und Blätter, schenkte Früchte zur Ernte, bevor der Winter
ihn mit weißem Gefieder bedeckte und Ruhe erlaubte.
Berichte mir weiter vom Kreislauf des Daseins,
Geburten und Sterben, dem kurzen Verweilen
gewähre mir Nahrung für Strophen und Zeilen.
Menschen, sie kamen und gingen, sie kerbten mit Messern
Zeichen der Liebe. Schnitten die Wunden der Zeit in die Rinde,
immer mit neuen Gesichtern, denn niemand kam wieder.
Nur der Baum blieb beständig, ein ruhender Pol im Getriebe,
stummer Zeuge des Wandels, so zogen die Jahre vorüber.
Es singen die Vögel auf Zweigen, es summen
die Bienen. Ich höre hier Stimmen der Freude,
warum diese Trauer, woher kommt die Schwere?
Zeichen des Todes, gemalt in der leuchtenden Farbe
menschlichen Blutes verzieren die Rinde des Stammes,
bald schon, da ist es vorbei. Nach über dreihundert Jahren
eilt nun das Ende herbei und befiehlt: Du musst weichen.
Schnell ist zu langsam, gebraucht werden Plätze und Straßen.
Die Knospen des Baumes erzählten vom Leben,
ich lernte die Sprache der Stillen zu sehen.
Im Schreien des Neuen, da kann ich jetzt Nichts mehr verstehen ...
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