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Alt 15.11.2011, 19:26   #1
Thomas
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Standard Der Handschuh - Aus der Sicht des Ritters Delorges

Der Handschuh - Aus der Sicht des Ritters Delorges

Von Jana B. (12 Jahre) Dezember 2009


Ich saß hoch oben im Löwengarten auf einem weit ausladenden Balkon, inmitten von Rittern und Hofdamen und wartete darauf, dass die Vorstellung begann. Meine Ohren waren vom Gelächter und den Gesprächen der Umsitzenden erfüllt. Die Frühlingsluft war kühl und angenehm. Die wachsende Vorfreude auf die Darbietung der Raubkatzen ließ mein Herz höher schlagen. Mein Blick fiel auf die gegenüber liegende Seite der Manege, wo weit oben in prächtiger Loge und vom gesamten Hofstaat umgeben, König Franz thronte. Gerade war er dabei, eine bequemere Sitzposition zu finden, dann richtete er sich auf und hob die Hand. Sowie das Publikum dies bemerkt hatte, stellte es das Reden ein und richtete seine Aufmerksamkeit auf die unteren Zwinger. Denn auf das Kommando des Königs hatte sich einer der Zwinger geöffnet und ein Löwe trat ein. Er machte einen friedlichen Eindruck, wie er so mit trägen Schritten ging, laut gähnte und sich dann gemütlich niederlegte, doch ich wusste, dass der Kampf, der gleich folgen würde, sein jetzt noch schwerfälliges Auftreten Lügen strafen würde, und ich wäre auch nicht darauf aus diesem Tier von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu müssen.
Die zweite Katze versuchte erst gar nicht, etwas vorzutäuschen. In großen Sprüngen kam nun ein Tiger aus einem Tor heraus geschossen, brüllte, schlug mit dem Schwanz und umkreiste den Löwen angriffslustig. Doch noch bevor er etwas hatte tun können, waren zwei große Leoparden in die Manege gestürzt und hatten sich auf ihn geworfen, so plötzlich, dass ein paar Damen zu meiner Rechten erschrocken aufschrieen.
Der Tiger wehrte sich verbissen, auch der Löwe hatte sich aufgerichtet, und ließ sein durchdringendes Gebrüll ertönen.
Da segelte auf einmal etwas Weißes durch die Luft, nur unmittelbar neben mir war es vorbei geflogen, und landete genau zwischen Löwe und Tiger. Ein Handschuh!
Es erklang eine vertraute Stimme: „Ritter Delorges, wenn ihr mich so liebt, wie ihr es immer behauptet habt, dann hebt mir den Handschuh auf, um es zu beweisen“.
Ich wandte den Kopf und sah direkt in die Augen von Kunigunde, die mich mit einem spöttischen Lächeln bedachte. Kunigunde war mit ihrem langen rotblonden Haar und den großen grünen Augen eine wunderschöne junge Frau, und nicht nur einmal habe ich sie von meiner Liebe zu ihr zu überzeugen versucht, bis sie mich, vor wenigen Tagen erst, erhörte. Aber was sie nun verlangte, versetzte mich in Zorn. In Lebensgefahr sollte ich mich begeben, damit das Fräulein mir glaubte? Nur mühsam konnte ich mich beherrschen. Kunigunde hatte laut gesprochen, alle Augen der versammelten Menge konnte ich auf mir spüren, die Zuschauer warteten gespannt darauf, was ich tun würde, und ich hatte keine Wahl. Wenn ich mich nicht zum Gespött der Menge machen und auf ewig als feige beschimpft werden wollte, musste ich jetzt nach unten steigen. Kurz entschlossen sprang ich über vom Balkon und landete mitten auf dem mit Sand ausgestreuten Platz.
Ich müsste lügen, wenn ich nun behaupten würde, keine Angst zu haben, aber ich bin sicher, jeder würde in meiner Situation das Gleiche empfinden.
Direkt vor mir standen die beiden mächtigen Katzen, die dunklen Augen musterten den Eindringling abwägend. Mein Puls raste und mein Herz klopfte mir bis zum Hals. Langsam und vorsichtig, sorgfältig darauf bedacht, keine hastige Bewegung zu machen, nichts, was die Tiere in Unruhe versetzen könnte und sie möglicherweise dazu verleiten würde anzugreifen. Dennoch zitterten meine Finger, als ich sie um den Handschuh schloss, und ihn dann mit angehaltenem Atem aus der Mitte des Löwen und des Tigers entfernte. Dann endlich konnte ich aufatmen und die Anspannung ließ von mir ab.. Ich wusste zwar, ich war immer noch den Katzen ausgesetzt, doch für mich war bereits alles überstanden.
Mit triumphierendem Blick kehrte ich an meinen Platz zurück, das begeisterte Geschrei der Leute nahm ich gar nicht wahr. Dann stand ich Kunigunde gegenüber, erinnerte, weshalb ich mich in Gefahr begeben hatte – und das Hochgefühl wich. Fest sah ich ihr in die Augen, ihr mit Liebe erfüllter Blick ließ mich kalt.
„Den Dank, Dame, begehr ich nicht“
Ich packte den Handschuh fester, bevor ich ihn ihr mit aller Kraft ins Gesicht schleuderte. Dann drehte ich mich um und schritt mit festen, weit ausladenden Schritten aus der Arena. Ich hörte nicht Kunigundes Aufschrei, nicht ihr darauf folgendes Weinen und nicht die empörten Rufe der Hofdamen. In meinem Kopf drehte sich alles, mühsam behielt ich meine aufrechte Haltung. Nur aus der Ferne hörte ich das traurige Brüllen des Löwen.



Jana hat mir erlaubt, den Text hier einzustellen. Der Text ist ihr Eigentum.

Thomas
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