ADäquat
Registriert seit: 07.02.2009
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Ordnen Sie Ihre Angelegenheiten
Sie wusste es schon länger.
Zumindest seit jenem verhängnisvollen Tage, als man ihr in der Klinik die Diagnose mitteilte.
Nüchtern. Mit den üblichen Trostworten.
Nein, stumm hat sie es nicht aufgenommen, tage-, wochenlang hat sie geweint.
Nicht um sich. Aus Sorge, wie die Familie, ihre geliebte Familie, damit umgehen würde.
Um ehrlich zu sein: Sie hatte es nicht glauben wollen - wider jede Vernunft und jeder Realität.
Dann aber begann sie zu kämpfen, wie man das landläufig so nennt.
Akzeptierte die vorgeschlagenen Therapien, die Zeitabläufe, die Untersuchungen.
Ließ alles über sich ergehen, was man mit ihr vorhatte.
Wie in Trance lief sie treppauf, treppab, quer und um viele Ecken durch die Klinik, um alles das zu tun,
was man ihr riet und was zu tun war.
Monatelang lebte sie in dem festen Willen, es zu schaffen.
Kein Rückschlag seelischer Natur konnte sie aufhalten.
Körperliche Veränderungen nahm sie fast nicht wahr.
Wie in einem fahrenden Schnellzug flog die Zeit vorbei, die ihr nicht vergönnt war, zu begrüßen,
geschweige denn, in ihr inne zu halten, was sie sonst so sehr brauchte, um das Gleichgewicht,
das sie manchmal verlor, wiederherzustellen.
Und dann, als sie glaubte, auf einem guten Weg zu sein, sagte die Ärztin:
Ordnen Sie Ihre Angelegenheiten.
...
Was war das. Nein. Das durfte nicht wahr sein. Alles umsonst?
Alles wirklich umsonst?
Und was sollte sie ordnen, welche Angeleg.....?
Wie unter einer Dunstglocke verließ sie den Raum. Das Blut rauschte in ihren Ohren und
verursachte ihr Sehstörungen.
...
Sie öffnete den Schrank. In Kartons verpackt: Ihre Angelegenheiten.
Aus früherer Zeit, das der Junge noch klein war.
Er hatte damals ein unglaubliches Talent, sie mit immer wieder kleinen Zettelchen zum Lächeln
zu bringen und damit ihre Aufmerksamkeit und ihre Nähe für sich zu haben.
Ein ausgerissener Zettel, als er sechs war:
Wunschzetel
ein Baukasten
ein parr süßigkeitn
und liebe
...
Zeichnungen aus dem Kindergarten, aus der Schule, dort ein kindliches Gedicht über einen Schwan...
Alte Fotos, unscharf, weil mit einer billigen Kamera geknipst,
die erste kaputte Kinderuhr, Steine,
verschrumpelte Kastanien, ein Ring aus Schaumgold....
Was für Erinnerungen.
Was sollte sie nun tun mit ihren Angelegenheiten?
Und dort, die beiden Kartons: Briefe ihrer Mutter, die sie schrieb, als sie fortgezogen war.
Jeden Tag einen. Bis sie die Mutter zu sich holte.
Das war eine wunderschöne Zeit.
Weißt du noch...? Sie kramten alles hervor und alles wurde lebendig:
Die eigene Kindheit, die Geschwister, der Vater, der nicht mehr lebte...
Der Hof mit den großen dichtbelaubten Bäumen, unter die sie ihre Kindermöbel stellen durfte
und die Freundinnen mit am Tisch saßen.
Die Straßenbahnfahrten, die sie nicht vertrug, aber in Kauf nahm, weil sie zu Oma und Opa wollte.
Nun ist auch die Mutter schon lange tot.
Aber die Briefe sind noch da. Alle. Was soll sie mit ihnen machen?
Mit diesen Angelegenheiten?
Alle anderen, die ihr so durch den Kopf gingen und die von gesellschaftlicher Seite sein mussten,
waren längst geklärt.
Das berührte sie nicht.
Aber das, was ihr Leben ausgemacht hatte, war hier im Schrank verpackt.
Auch die wenigen kurzen Briefe, die sie von IHM bekam, damals.
Was mochte er wohl mit den ihren gemacht haben? Aufgehoben in einem Karton, so wie sie?
Sie schalt sich eine Träumerin. Fotos. Wunderschön und jung, so jung...so glücklich.
Auch der Brief, den sie vorsorglich schrieb und in dem sie offenlegte, was die Triebfeder ihres Lebens war:
Nur einen einzigen Wunsch hatte sie, der ihr Leben durchzog und dem sie alles unterordnete und der sich erfüllen möge:
Das Glück ihres Kindes.
Dafür war sie bereit, alles zu tun, was noch möglich war.
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P.S.
Der Text ist fiktiv. Bitte keinen Bezug zum Verfasser herstellen.
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© auf alle meine Texte Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz
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