05.01.2016, 18:52 | #1 |
/ Bil-ly /
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Brief an den Liebsten (oder elfter Grad)
Prolog
Keine Antwort? Auf jede Frage folgt nur die nächste? Schreiben hat keinen Sinn, Antworten lohnen sich nicht. Nein, nur der ewig rauschende Tanz mit dem schrecklichen Engel, stürmisch verzücktes Gefühl: Springen und fallen - ins Nichts! I. Tief war ich gefallen und dachte an Handkes Beschimpfung: Einen Augenblick Wachheit, erniedrigt, ganz klein? Nein!? Ihr fühlt euch erhöht - Gegröle, Begeisterungsrufe. Armselig, sinn-loses Pack! Spuckt er euch Zorn ins Gesicht, träumt ihr vom Geist des Genies, berührt euch das Schöne und Reine, wühlt ihr willig im Müll, fresst auch noch gierig den Dreck. II. Langsam wächst die Lache aus Blut, es ist still und die Kälte nimmt Gestalt an, lacht höhnisch und setzt sich zu mir. Geister betreten die Bühne, erzählen: Weißt du noch, damals?: Dieses einsame Haus, düster im schattigen Tal. Winterlich starre Baumgerippe bewehrten es dräuend, Stille schien absolut, greifbar, wie Honig so zäh. Mein Gefängnis war warm, doch waren die Fenster vergittert. Denke bloß nicht an Flucht, niemand entkommt dem Verlies! III. … wie der Schnee einst fiel?: Behäbig torkelnde Flocken - schweres kristallenes Weiß – fanden den richtigen Platz. Strenge Konturen lösten sich auf, und ein lichtes Geflimmer wandelte leeres Geäst magisch in zärtliche Wunder. Weiße Schmetterlinge, die Boten des sterbenden Vaters. Wer soll ihn fürchten, den Tod? Trügt uns ein Engelsgesicht? Nein! Gelassen pumpte mein Herz das Blut aus den Adern - Lider bedeckt vom Schnee; trübes Bewusstsein erlosch. IV. Splitter zerbrochener Zähne, sie hängen noch immer in Seilen. Wo bist du, der mich hielt? Blutete ich nicht für dich? Deine Seele, so schön wie verletzt, so stehst du am Abgrund. Niemand bot dir je Halt. Kindlicher Schätze beraubt machte die Nähe dir Angst. Die Engel erbarmten sich niemals: Liebe im elften Grad scheitert, sie stürzt und erfriert. Epilog Über die Liebe wollte ich schreiben und schreibe von … was nur? Träte der Erzengel jetzt, der gefährliche, hinter den Sternen eines Schrittes nur nieder und herwärts: hochauf- schlagend erschlüg uns das eigene Herz. Wer seid ihr? *) Kennte das Herz nur die Angst, Liebster, es schlüge nicht mehr! *) Rilke aus Duiniser Elegien „Die zweite Elegie“ Geändert von charis (16.01.2016 um 17:02 Uhr) |
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