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Alt 31.08.2016, 10:51   #1
Wodziwob
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Standard Der Mohammedaner


„Allah ist groß“, sagte mal ein tiefgläubiger Turkey zu mir.

„Hm“, sag ich, „ungefähr einen Meter achtzig, das war am Anfang unsrer Zeitrechnung hochgewachsen“.

Hat dem Mann nicht besonders geschmeckt, meine lakonische Antwort, Gott ist nur Einer, will er betont wissen, mag ja sein, geb ich ihm zu bedenken, aber einer mit vielen Gesichtern, um es mal so zu sagen.

Alles, was ich über die Mohammedaner weiß, hat mir der Pilgrim erzählt, ansonsten sind sie bei Amerikanern in etwa gleichbedeutend mit Korsaren, sprich überaus grausamen arabischen Piraten, die unzählige Schiffe der Europäer kaperten, deren Besatzungen entweder niedermachten oder in die Sklaverei verschleppten, und auch vor amerikanischen Handelsschiffen nicht Halt machten, weil, wie einer ihrer abgedrehten Sultanos einem sprachlosen Jefferson auf Nachfrage erklärte, das so in ihrem Koran geschrieben stehe, in dem Allah ihnen den ausdrücklichen Befehl erteilt habe, alle Ungläubigen zu bekriegen, töten oder zu Sklaven zu machen. Die konsternierten Amerikaner, denen derlei abartige Geisteshaltung selbstredend völlig fremd war, gaben in der Folge Unsummen aus, um europäische und amerikanische Sklaven freizukaufen, was ihnen von vielen Historikern bis heute aufs Heftigste als überflüssiges Einlenken vorgeworfen wird. Obwohl es den blutjungen Vereinigten Staaten nebenher gelang, durch einige wagemutige Seemanöver einzelner Draufgänger und deren Belagerung nordafrikanisch orientalischer Hafenstädte die Korsaren wenigstens von ihren Schiffen fernzuhalten für alle Zeit, sind diese Zeitgenossen der festen Überzeugung, die gesamte Flotte hätte damals ihre militärischen Vorstöße massiv fortsetzen und erweitern müssen, um die stete Bedrohung durch die islamischen Kalifate ein für alle Mal und gänzlich aus der Welt zu schaffen, was die europäischen Kaiser vormals verabsäumt hätten, Goldenes Zeitalter her und Kreuzzüge hin. Dazu kann ich nichts sagen, weil mir diese völlig fremde Welt irgendwo jenseits der alten offen gestanden am Sattelbogen vorbeigeht, ich weiß nur, dass ich auf so einen herrschsüchtigen und überheblichen Gott getrost und gerne verzichten kann und auf seine Gläubigen nicht minder, auf alle Fälle mal auf deren geistliche Oberhäupter und Führer von Allahs Gnaden, da könnte ja Jeder kommen, wer hat sich diesen Unsinn nur wieder ausgedacht?

Im Haus des Pilgrims kommt es denn auch zu der denkwürdigen Begegnung mit einem dieser Anhänger Mohammeds, weil der Jerusalem-Reisende regelmäßig von Männern ihres Glaubens heimgesucht wird, da sie ihn als gelehrten und aufgeschlossenen Mann schätzen und ehren, was er ohne Zweifel ist. Der Gute versucht demnach auch ständig zu vermitteln zwischen seinen doch recht unterschiedlichen Gästen, es geht insbesondere um den christlichen Sonntag, den jüdischen Sabbat und ums moslemische Freitagsgebet, „na ja“, mein ich, „am besten alle drei hintereinander, ruhen kann man nie genug“, der Mohammed Jünger ist da nämlich ein wenig empfindlich, was die schnurstracks aus dem Himmelreich empfangenen Botschaften des Propheten betrifft, vor allem, als ich einfließen lasse, dass „der Gabriel schon mal einen Text ablässt, wenn ihm danach ist, und weil er sich eben gerne reden hört wie alle seiner Gattung, achtet er da nicht immer so genau drauf, ob und wie sich das Alles stimmig zusammenfügt im Sinne des großen Häuptlings, als dessen Botschafter er unterwegs ist. Ein großer Engelsfürst mag er ja sein, aber grade deshalb geht’s ihm manchmal auch ein bisschen wie seinem ehemaligen Kumpel Luzifer, er hält sich vielleicht nicht gerade für den Herrgott, aber immerhin für nur ein paar Zentimeter drunter, dem kann auch schon mal der Gaul durchgehen, wenn er richtig in Fahrt gekommen ist, dann wird er zum Haudrauf wie der Michael mit seinem Flammenschwert, wenn's zur Sache geht, sind sich der Friedenshäuptling und der Kriegshäuptling erstaunlich einig“.

Da wurde der Streiter für Allah gleich richtig zornig und ungehalten, woher ich als Ungläubiger mir das Recht nähme, hier schamlos zu lästern, es sei eine Beleidigung für seine Ohren, sich derlei ungehörige Rede anhören zu müssen, poltert der seltsame Vogel los, aber das tu ich doch gar nicht, mein ich verblüfft, der Gabriel ist schon okay, alles in allem eher so der sanftmütige Typ, das sei doch nicht böse gemeint oder respektlos und er möchte bitte mal wieder runterkommen. Vielleicht habe den Engelfürsten die Sache mit der Kreuzigung auch ein wenig überfordert, ist er doch mehr so der Überbringer froher Botschaften wie Geburt und dergleichen, und da hat er sich gedacht, da gründe ich einfach eine eigene Religion, in der ich meine Patrouillen in keinen Ölberggarten beordern muss, um den mit der Todesangst Ringenden zu stärken, dem ich als Säugling das Leben gerettet habe. Am Liebsten mag er nichts mehr davon hören und wünscht sich, das Alles hätte nie stattgefunden.

"Bei den schnaubend rennenden Rossen mit Hufen funkenschlagend, bei den morgens Einstürmenden, die Staubwolken aufwirbeln und in der Schar Mitte dringen, auch die Häuptlinge der Präriestämme lieben ihre Völker und führen sie mit Weisheit“, versuche ich den Eiferer zu beschwichtigen, „sie haben die besten Pferde und mehrere Frauen, ihr Wort ist wegweisend und hat Gewicht, außerdem sind sie große Kämpfer vor dem Herrn genau wie der eure, und wenn die Medizinmänner und -frauen der indianischen Wüstenvölker lesen hätten können und schreiben, hätten sie locker einen Koran hinbekommen, so ein heiliges Buch eben, wo drin steht, was der Große Geist, um ihn mal in diesem Namen zusammenzufassen, ihnen da alles gesagt hat und an Weisung erteilt, da wäre im Nu ein Verhaltenskodex zusammen, allemal umfassend genug, um eine Weltreligion stiften zu können damit. Die Araber und Muselmanen, ihr Muslims eben hattet ganz einfach den Vorteil, die Schrift schon erfunden zu haben, so wie die Juden und die Christen auch, sind ja auch alle eng verwandt miteinander, aber wenn du erst mal ein Buch hast, kannst du dann immer sagen, hier steht's schwarz auf weiß geschrieben und Amen.

Das hatten die Indianer einfach nicht nötig, bevor der weiße Mann kam mit seiner Bibel, die wussten auch so bestens Bescheid und waren dadurch sehr viel beweglicher in Glaubensfragen, weil noch kein toter Buchstabe in Stein gemeißelt hatte, was für sie lebendig ist von Anbeginn an, stetig am Wachsen und dabei, sich unaufhörlich zu verändern. Ich will jetzt gar nicht abstreiten, dass auch niedergeschriebene Worte lebendig sein können, aber jeder kann sie so verstehen, wie es ihm grade passt und letztlich damit anstellen, was seinem Wollen entgegen kommt und ihm gefällt. Was mit dem gesprochenen Wort nicht so einfach ist, weil da derjenige, der es spricht, lebendig vor einem steht und nicht mit Einspruch und Erwiderung spart, wenn's denn geboten ist, weil er sich verständlicher Weise richtig verstanden wissen will. Und diese Freiheit hat das geschriebene Wort nun mal nicht mehr, es ist der Willkür und dem Gutdünken der Menschen ohnmächtig ausgeliefert, bei genauer Betrachtung macht jeder damit, was er will und alle haben selbstredend Recht.“

Was nun wiederum dem Pilgrim nicht besonders zu munden scheint, der da zu den Bibelfesten gehört, und flugs habe ich einen Christen und einen Muslim gegen mich, das nenn ich mal eine Verbrüderung, nun, man tut, was man kann.

„Bei den Mexicanos hab ich mal gesehen“, fahre ich unbekümmert fort, „wie einer dieser armen Ochsen an der Brunnenwinde, die daran festgezurrt immerzu im Kreis laufen, von irgendwas erschreckt wurde und einen Luftsprung hinlegte, der ihn prompt in den Brunnen beförderte. Da hing er nun an der Stange, bis zur Hälfte im Wasser, brüllte um sein armseliges Leben und gab einen ziemlich kläglichen Anblick ab. Die Männer - das Missgeschick geschah an einem heiligen Sonntag- schickten ihre Frauen und Kinder allein in die Kirche und holten das hilflose Vieh mit vereinten Kräften da raus, und wenn schon nicht aus Tierliebe, dann deshalb, weil sie es brauchten, und die frommen Bohnenbauern hatten keinerlei Gewissensbisse, am Tag des Herrn zu schuften und schwitzen wie ein Ochse.

So lange ich denken kann, hab ich mich an den Feldern der Pima und Hopi bedient, und keiner von ihnen störte sich je daran, kaum aber hatten die Weißen sie aus ihrem Land vertrieben und ihre eigenen Felder hingeklatscht, musste ich höllisch aufpassen, nicht für ein paar Maiskolben abgeknallt zu werden, das mit dem brüderlichen Teilen scheint irgendwie nicht so recht durchgedrungen zu sein zu den christlichen Plantagenbesitzern. Sonntags nun um die Zeit ihrer Gottesdienste ist von den bewaffneten Wachposten so gut wie nichts zu sehen, wann bitte also soll ich meinen Hunger sonst stillen, wenn nicht genau um diese Stunde? Well, ich könnte Schränke füllen mit den wunderschönen Klamotten, die mir diese Heiden von Indianern geschenkt haben aus purer Freigiebigkeit, aber frag mal einen gottesfürchtigen Farmer, ob er eine abgetragene Jacke für dich übrig hat, die er nicht mehr braucht... ich meine, es ist leicht zu sagen, den besseren Glauben zu haben und den einzig richtigen, aber wenn ich nicht danach lebe, sollte ich besser den Schnabel halten und Gott aus dem Spiel lassen.“

Dazu fällt den Beiden offenbar nichts Rechtes ein, so betreten wie sie dreinschauen.

„In den Reservationen“, füg ich noch hinten dran, „würden die Leute Jesus zu Füßen liegen für ein paar Brote und Fische, dazu bräuchte es nicht einmal eine wunderbare Vermehrung, und ob er nun Eins achtzig war, weiß niemand, weil's keiner aufgeschrieben hat, war ihnen wohl nicht wichtig genug, aber Hunger hat er gekannt und Durst, eiskalte Nächte und stechende Hitze, alles, was ein Mensch eben so kennt und worauf er liebend gern verzichten würde, und genau das ist es, was ihn groß macht. Was will ich auch mit einem Gott, der derlei nur vom Hörensagen kennt und verständnislos dabei zusieht, weil er's nicht am eigenen Leibe erfahren hat? Der kann meinetwegen gern in seinem Himmel bleiben und hat mir nichts zu sagen, was gäb's da auch groß aufzuschreiben außer 'Ich bin allmächtig und ihr seid arme Würstchen, also macht gefälligst, was ich euch sage', da kann ich getrost drauf verzichten. Mitreden kann er erst, seit da etwas mächtig in seinen Eingeweiden rumort hat und ihn den Drang hat verspüren lassen, aus Steinen Brot zu machen. Seit er weiß, dass der Mensch zwar nicht vom Brot allein lebt, aber sein tägliches braucht, um überhaupt an was anderes denken und sich mit was anderem beschäftigen zu können. Und wenn ich heute Hunger habe, wird der bis morgen bestimmt nicht kleiner, Buchstaben machen einen nun mal nicht satt und das Einhalten von Geboten genau so wenig. Jesus hat das begriffen.“

„Weil du's ansprichst, Desperado“, meint der Pilgrim nach einer kleinen Pause, „was darf ich euch anbieten?“

Na also, geht doch.

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Eins nämlich muss man dem Mann aus Nazareth lassen – er hat sein Ding durchgezogen.

Moses ist ein alter Mann geworden, Mohammed und Buddha und Konfuzius, diese fraglos großen Männer haben es verabsäumt, für ihre Lehre oder was auch immer mit dem Leben zu bürgen, nun, es ist selbstverständlich erlaubt, mit seiner Botschaft alt zu werden, aber die eigene Mission zu überleben raubt einer noch so großen Sache die nötige Würze. Ich will sie jetzt deshalb bestimmt nicht überflüssig nennen, aber irgendwie doch vergleichsweise unverbindlich, im Grunde reicht ein Abwinken, wenn einer keine Lust hat, sich damit zu beschäftigen. Von Mohammed weiß ich zum Beispiel nur - und das von einem Pferdezüchter -, dass der Mann was von Pferden verstanden hat, ist ja nun sicher nichts Verkehrtes so gesehen, „Alle Schätze dieser Erde ruhen zwischen deinen Augen“ soll er zu seinem Wunderpferd El-Burak gesagt haben, „du sollst fliegen ohne Flügel“. Hat es dann auch gemacht. Das Steinchen, von dem es sich abgestoßen haben soll bei seinem Ritt gen Himmel, verehren alle Mohammedaner als Heiligtum. Davor sollen um dieses herum drei weibliche Gottheiten gewohnt haben, die hat der Prophet irgendwie vertrieben, man kennt das ja von den Spaniern und den Kultstätten der Indios. Inzwischen haben seine Anhänger ein riesiges Zelt drüber gebaut und pilgern in Massen hin, nun was soll's, wenn sie sonst nichts zu tun haben, sei ihnen diese Freude gegönnt. Ist mit dem Vulkanstein im Grand Canyon nicht recht viel anders. Aber der hat wenigstens nicht den Anspruch, dass sich alle Welt auf die Wallfahrt zu ihm machen muss, wenn sie zum wahren Glauben gefunden hat. Das Dumme daran ist nämlich, dass eine Weltreligion daraus entstanden ist. Denn was sich im Kleinen bewährt hat, kann sich im Großen jederzeit ins krasse Gegenteil verkehren, hat man ja bei Jesus gesehen.

Wie es sich für einen Häuptling gehört, hatte Mohammed drei oder vier Frauen, ganz allein sein Problem, und wollte die zerstreuten und zum Teil verfeindeten Stämme der Araber unter einem, nämlich seinem Turban vereinigen, was ihm ja auch gelungen ist. Zuletzt führte er einen oder zwei Kriege, um das zerbrechliche Bündnis gegen seine Feinde zu behaupten, wer oder was immer die gewesen sein mögen. Das war im Grunde alles, und um dem Ganzen ein Fundament zu geben, hat er für seine Leute ein Buch mit allerlei Verhaltensregeln geschrieben, das mir so einige Rätsel aufgibt. Zum Einen heißt es da, dass "wer einen Menschen tötet, die ganze Welt tötet", das kann man zweifelsohne so stehen lassen, zum Andern findet sich in so gut wie jeder Sure - so heißen seine Kapitelchen - die unmissverständliche Aufforderung, mit den Ungläubigen auf eben genau diese Weise zu verfahren. Und Ungläubige meint alle, die etwas Anderes glauben als das, was in dem Büchlein geschrieben steht, also doch jede Menge Leute. Was ja nun nur bedeuten kann, dass mit der Ermordung eines jeden Einzelnen derselben die ganze Welt unzählige Male umgebracht worden wäre, da dürfte nichts mehr von ihr übrig sein. Weniger als Nichts bei genauer Betrachtung, nun, wenn's nur um die Menschenwelt ginge, könnte der Rest der Welt das gut verschmerzen, aber es geht eben um die ganze. Da blick ich offen gestanden nicht so ganz durch. Den Mohammedaner konnte ich seinerzeit nicht danach fragen, weil der immer gleich beleidigt war, und frag ich den Pilgrim, meint der nur: "Lass das mal lieber meinen Freund aus dem Orient nicht hören, der ist da ein wenig empfindlich". Scheint mir ein recht empfindlicher Glaube zu sein, dieser Islam, und zu der Sorte von Gläubigen gehör ich nun mal nicht, was also geht's mich an? Absolutely nothing.

Für seine Sache gestorben ist der Mohammed jedenfalls mal nicht. Bei Jesus geht das nicht ganz so einfach, um an ihm vorbeizukommen, muss man sich schon was einfallen lassen, und dass bei derlei Verrenkungen nur Unfug rauskommen kann, ist eine sonnenklare Angelegenheit, eben weil kein Argument gegen die Beweislast ankommt, für seine Sache mit dem Leben eingestanden und bezahlt zu haben. Genau deshalb hat er mir als Desperado wirklich was zu sagen, während alle andern Gestalten, die man da so als Religionsstifter verehrt, irgendwo nebenher laufen oder auch nicht. Sie haben ihren Anspruch überlebt, also kann er so außergewöhnlich und einzigartig nicht gewesen sein, soweit in Ordnung meinetwegen, vermutlich auch ganz hilfreich, mehr aber auch nicht. Der Sache fehlt die letzte Überzeugungskraft, und diese ist nun mal der Preis des Lebens, alles darunter ist nur eins von beliebig anderem, kurzum eine Hinterlassenschaft, die einen nicht alles gekostet hat, und das ist grundsätzlich immer zu wenig.

Wie's sonst wer damit hält, muss mich nichts angehen und schert mich auch nicht.




Buchauszüge: Der Federhut - Ga'an Desperado

Geändert von Wodziwob (14.11.2016 um 17:04 Uhr) Grund: Änderung
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