12.11.2009, 12:37 | #1 |
lebendig
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Verschwiegenheit
Ein eisern Schließfach pries mir Sicherheit:
"Schieb deine Sorgen sorglos durch den Schlitz. Zur Sicherungsverwahrung stets bereit, bewahr' ich jede Art von Geistesblitz." "Zu gern!" hab ich gedacht und dicht gemacht, gelacht und bot nur noch in meinem Fach all meinen Sorgen, die mich Tag und Nacht verborgen um Verstand gebracht, ein Dach. Beständig füllend, aber niemals leerend, verlernte ich, die Gründe zu verstehen. Verschwiegenheit zu üben, ist verheerend, die Folgen kann ich heute Abend sehen. Doch innig liebend lasse ich dich ein, der Schließfachschlüssel sei von nun an dein! ------------------------------------------------------------------ Hier nun auch mal mein erster Versuch eines englischen Sonnets. Geändert von Quicksilver (17.11.2009 um 13:53 Uhr) |
17.11.2009, 11:57 | #2 |
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Guten Morgen Quicksilver,
vorweg vielleicht dies: Ich hänge (noch) am klassischen Sonett mit seinem zuweilen einengenden Korsett. Shakespeare bevorzugte Deine Form, das heißt drei Quartette, allerdings ohne Leerzeilen dazwischen, und einen zwei Verse umfassenden Abschluss. Ich zeige Dir ein paar wichtige Punkte zum klassischen Sonett auf:
Ein eisern’ Schließfach pries mir Sicherheit: "Schieb deine Sorgen sorglos durch den Schlitz. Zur Sicherungsverwahrung stets bereit, bewahr' ich jede Art von Geistesblitz." Durchgängig männliche Kadenzen, 10 Silben, in Ordnung. These? Ich weiß nicht so recht. "Zu gern!" hab ich gedacht und dicht gemacht, gelacht und bot nur noch in meinem Fach all meinen Sorgen, die mich Tag und Nacht verborgen um Verstand gebracht, ein Dach. Auch hier männliche Kadenzen, 10 Silben, perfekt. Antithese? Naja. Beständig füllend, aber niemals leerend verlernte ich, die Gründe zu verstehen. Verschwiegenheit zu üben ist verheerend, die Folgen kann ich heute Abend sehen. Hier wechseln die Kadenzen, kannst Du das noch ändern? Doch innig liebend lasse ich dich ein, der Schließfachschlüssel sei von nun an dein. Als Conclusio sehr schön. Das Versmaß stimmt aber nicht (siehe oben). Ich beschrieb weiter oben das Reimschema abba - abba, also den umarmenden Reim für die Quartette. Du hast im Kreuzreim geschrieben. Das ist sicher nicht falsch, jedoch weit ab von der innigen, romantischen Aussage eines klassischen Sonetts. Fazit: Du hast ein auch sprachlich sehr schönes Gedicht geschrieben, ein Sonett ist es nach meinem Empfinden (noch) nicht. Herzliche Grüße, Medusa. edit: Mir fällt grad noch was ein: Enjambements sollten vermieden werden. Geändert von Medusa (17.11.2009 um 12:06 Uhr) |
17.11.2009, 12:22 | #3 |
lebendig
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Hallo Medusa,
ich danke dir für deine ausführlichen Beschreibungen. Du beziehst dich hier jedoch m.E. zu stark auf das klassische Sonett, welches du ja favorisierst Ich versuche noch, diese Aussage zu begründen. Ich hatte folgende Definition des englischen Sonetts gefunden, an welches ich mich anlehnen wollte: Englisches Sonett Variante des Gedichtmaßes Sonett mit abweichender Gruppenbildung: drei Quartette mit jeweiligem Kreuzeim und abschließendes Reimpaar: a b a b | c d c d | e f e f | g g Diese Variante zeichnet sich durch die anders geartete und leicht erkennbare Aufteilung der Verse in drei Vierer- und eine abschließende Zweiergruppe aus. Dadurch wird auch die sonst für das Sonett übliche Strukturierung des Gedichtinhalts unmöglich gemacht, die hier einer Verknüpfung des ausgeführten Gedanken (in den Quartetten) mit einer Schlußpointe (im Couplet am Ende) weicht. Beispiel: From fairest creatures we desire increase, That thereby beauty's rose might never die, But as the riper should by time decease, His tender heir might bear his memory: But thou contracted to thine own bright eyes, Feed'st thy light's flame with self-substantial fuel, Making a famine where abundance lies, Thy self thy foe, to thy sweet self too cruel: Thou that art now the world's fresh ornament, And only herald to the gaudy spring, Within thine own bud buriest thy content, And tender churl mak'st waste in niggarding: Pity the world, or else this glutton be, To eat the world's due, by the grave and thee. (Shakespeare) Auch hier ist der Reim abab – cdcd – efef – gg und die Stropheneinteilung entspricht der meinigen. Ich habe mir jedoch erlaubt, den eigenen Stil zaghaft mit hineinzubringen, indem ich Enjambements setzte und in der dritten Strophe, aufgrund des weiblichen Einflusses auf der inhaltlichen Ebene, die Kadenzen wechselte. Klanglich ist dies beides m.E. zu vertreten, aber ich lasse mich gern eines Besseren belehren, wenn diese „Anpassungen“ nicht erlaubt sind Dankend grüßt Quicksilver |
17.11.2009, 12:45 | #4 |
gesperrte Senorissima
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Lieber Quicksilver,
ich gehe gar nicht erst auf die Form ein, das hat ja Medusa schon kompetent gemacht. In englischen Sonetten kenne ich mich schon gar nicht aus. Darf ich Dir zeigen, was mir "rein äußerlich" nicht zusagt? -------------------------------------------------------------------------------- Ein eisern’ Schließfach pries mir Sicherheit: (Garant für Sicherheit...?) Den Apostroph würde ich weglassen "Schieb deine Sorgen sorglos durch den Schlitz. (Sorgen und sorglos direkt hintereinander? Wie wäre es mit "arglos"?) Zur Sicherungsverwahrung stets bereit, ("Sicherungsverwahrung kenne ich nur aus dem Justizjargon. War das hier so gemeint?) bewahr' ich jede Art von Geistesblitz." "Zu gern!" hab ich gedacht und dicht gemacht, gelacht und bot nur noch in meinem Fach all meinen Sorgen, die mich Tag und Nacht verborgen um Verstand gebracht, ein Dach. Beständig füllend, aber niemals leerend (Komma) verlernte ich, die Gründe zu verstehen. Verschwiegenheit zu üben ist verheerend, (nach üben Komma) die Folgen kann ich heute Abend sehen. Doch innig liebend lasse ich dich ein, der Schließfachschlüssel sei von nun an dein. (Sehr schön! Schöner noch mit Ausrufezeichen) Ein sehr inniges und intimes Gedicht. Die beiden letzten Verse erinnern mich unwillkürlich an Walther von der Vogelweide. Da läßt ein Dichter das Visier herunter und bleibt doch in seiner Deckung. So hab ich es gelesen. Und empfangen. Lieben Gruß von cyparis |
17.11.2009, 13:52 | #5 | |
lebendig
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Liebe Cyparis,
dein Vergleich ehrt mich natürlich. Die Kommata, das Ausrufezeichen und das Apostroph werde ich gleich korrigieren. Du hast absolut recht dahinegehend. Zitat:
In diesem Gedicht habe ich generell viele Assonanzen, Binnenreime, Anaphern und Alliterationen verwenden wollen. Stößt dir diese bestimmte Anapher (Sorgen/sorglos) arg auf? Ich danke dir für deinen Kommentar. Ich lese ihn sehr positiv. Liebe Grüße von Quicksilver |
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17.11.2009, 14:20 | #6 |
gesperrte Senorissima
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Lieber Quicksilver,
natürlich nicht! Sie steht ja als Verstärkung hier. Ich wollte nur anregen, nicht wirklich kritisieren. Die Intention habe ich rein gefühlsmäßig erfaßt (mach ich dicht). Es ging mir um das sog. "Glätten", was bei einem relativ stachligen Gedicht eigentlich nicht vonnöten ist. Lieben Gruß von cyparis |
17.11.2009, 19:13 | #7 |
lebendig
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Hallo Cyparis,
wenn andere diese Anapher ebenfalls stört, werde ich sie gern in arglos ändern. Von der Intention her ändert dies ja nichts. Dass dieses Gedicht stachelig ist, war mir nicht explizit bewusst, aber wenn ich es noch mal lese, sind es nicht die sanftklingendsten Worte aus meiner feder Dementsprechend hast du recht. Sanftklingende Grüße von Quicksilver |
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