31.05.2010, 01:01 | #1 |
Lyrische Emotion
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Beiträge: 9.913
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Dichterlüge
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. . Dichterlüge Einst ist er unerfahren losgezogen, im Herzen frei, der kleinen Welt entrückt, er glaubte gar, daß alles ihm stets glückt, so hat er sich sein Leben hingebogen. Längst hat der scheue Vogel sich verflogen. Ein träumender Poet ist fast erstickt, weil er der Wahrheit Spiegelbild erblickt. Nun reimt er Wort um Wort, es ist gelogen. Es bleibt gelogen, denn es ist nichts wert. Zwar nutzt er schreibend jener Muse Gunst, doch bilden seine Worte leere Kunst, weil jeder Mensch die toten Dinge ehrt. Dem Dichter ist am Ende nur geblieben, sich selbst und seine Wahrheit treu zu lieben. Falderwald . .. . . . .
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01.06.2010, 11:48 | #2 |
TENEBRAE
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Beiträge: 8.570
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Hi, Faldi!
Ach wie traurig! So geht es dem Dichter, der die emotionale Unmittelbarkeit, den Bezug zu seiner Kunst verliert. Denn nur aus emotionaler Bindung an einen Gedanken, einen Menschen, ein Bild (der Natur oder was auch immer...) kann wahre Lyrik mit Anspruch auf Bestand erwachsen, davon bin ich überzeugt! Der empathische Leser fühlt zwischen Zeilen heraus, ob hier nur hohle Worthülsen aneinandergereiht wurden - zwar schön und geschmeidig zu lesen, aber irgendwie "leer" - oder ob der Schreiber das, wovon er schrieb, beim Schreiben selbst zutiefst und inniglichst mitgefühlt hat! Das "riecht" man irgendwie. Deshalb gibt es so viel "schöne" Lyrik, die doch keinen so recht vom Hocker reißt, und eben die Art "schöne" Lyrik, die diese Schönheit nicht nur in der Form hat, sondern quasi als Ganzes gleichsam "ausstrahlt"! Fehlt dieses emotionale Band des Dichters zu seinen Texten, ist es nur "Geschwafel", zwar unterhaltsam, aber ohne bleibenden Eindruck. Dein Gedicht hat dies sehr dicht und authentisch in poetische Worte gefasst! Sehr interessant zu lesen, vor allem die Conclusio hat mich sehr beeindruckt: Dichtkunst vom Feinsten! Sehr gern gelesen und nix zu meckern! LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
01.06.2010, 13:11 | #3 |
Flaschenpost
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Beiträge: 574
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hallo falderwald,
ich hoffe, dieses Gedicht rivhtig als Sonett erkannt zu haben. Es hat 14 Zeilen, 2 Quartette und 2 Terzette, bei weiblicher Kadenz 11 Silben und bei männlicher Kadenz 10 Silben, These, Antithese und Synthese sind gut ausgerarbeitet. Im 1. Quzartett beschreibst du treffend, wie der Dichter sich seine Welt zurechtbiegt, träumend an der Wirklichkeit vorbei. In der 2. Str. dann die Erkenntnis,, dass er nicht an der Wahrheit vorbeikommt, will er ein guter Dichter sein, muss er etwas von sich und seinen Gefühlen preisgeben. In den Terzetten zu guter letzt dann die Besinnung. Gern gelesen und kommentiert. Viele Grüße ruhelos
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Schreiben ist leicht. Man muss nur die falschen Wörter weglassen. (Mark Twain) |
14.06.2010, 23:32 | #4 |
Lyrische Emotion
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Hey Eky,
ich weiß nicht, ob das traurig ist oder ob es eher eine Erkenntnis im Leben eines Dichters darstellt. Wenn er schöne lyrische Werke schreibt, versucht er etwas zu vermitteln. Zumeist sind es positive Werte, was allerdings rein subjektiv ist. Ein Dichter darf träumen und spinnen und sich in Phantasiewelten bewegen. Er kann sich die Welt schön wünschen und seine Gefühle verdichten, er darf Idealist sein, Romantiker, er kann zum Tier, zum Narr, zum Weisen werden. Aber er muss es nicht. Er darf auch polemisieren, wenn er in der Realität lebt. Weil diese Realität ihm einen schrecklichen Spiegel vorhält. Und dann muss er manchmal feststellen, daß seine Werte nicht (an)erkannt werden, weil die meisten Menschen nur noch nach materiellen Dingen streben. Sie verehren die "toten Dinge" und haben für seine Kunst kein Herz mehr. Damit muss er sich abfinden. Aber soll er deswegen aufhören zu dichten? Nein, eben nicht. Er darf den Glauben an sich selbst nicht verlieren, er darf nicht daran ersticken. Er soll weiter lügen, denn es sind keine Lügen. Für den Dichter sind es keine Lügen, es ist seine eigene subjektive Wahrheit. Eine Dichterlüge eben... ...und die muss raus, es ist ihr Recht. Das emotionale Band, wie du es beschreibst, gibt letztendlich den Ausschlag. Fehlt es, bleiben die Verse leer. Vielen Dank für das Kompliment, wenn es nix auszusetzen gibt, darf der Dichter mit seiner Lüge zufrieden sein... Moin ruhelos, das ist richtig, der Text soll ein Sonett sein. Ein streng klassisches Sonett sollte durchgehend weibliche Kadenzen aufweisen und in der von dir beschriebenen Form verfasst werden. Natürlich sind Variationen in der moderneren Dichtung zulässig, wenn nicht sogar erwünscht, denn selbst die "Alten" haben gerne damit experimentiert. Deshalb auch meine männlichen Kadenzen... Inhaltlich hast du den Text erfasst. Meines Erachtens gibt jeder Text etwas von den Gefühlen und der Persönlichkeit des Dichters wieder. Wichtig ist dabei, wie genau hat der Dichter beobachtet, um so allgemeingültig wie möglich zu schreiben und viele Menschen mit seinen Gefühlen zu erreichen? Und bei all dem muss er sich darüber im Klaren sein, daß es trotzdem nur eine subjektive Wahrnehmung ist, die er in seiner Lyrik wiedergibt. Bei manchen will das nicht so recht klappen. Also muss er an sich selbst glauben und arbeiten. Er muss sich selbst lieben. Wenn er das erst verstanden hat, ist er einen kleinen Schritt weiter... Dank dir für deine netten Worte... Vielen Dank für eure Kommentare, ich habe mich sehr darüber gefreut... Liebe Grüße Bis bald Falderwald
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15.06.2010, 14:29 | #5 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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lieber ralf,
ein guter, interessanter und wesentlichert text! lügen wir dichter? ich glaube, das beschreibt es nicht. einiges bewegt sich sicherlich an der oberfläche, vieles nähert sich aber zumindest dem wahrhaftigen an, zumindest dann, wenn tief empfundenes leid bzw. leidenschaft eine position plausibel machen. zur kunst wird es dann, wenn es auch noch formal gekonnt dargeboten wird. es sind nur wenige in den foren, die dazu in der lage sind, du gehörst m.m.n. sicher dazu! tatsächlich ist es absolut frustrierend, dass dies kaum gesellschaftliche anerkennung findet, verlangt es doch eine ungeheure sprachliche disziplin im gegensatz zu den prosaschreibern, die "ungehemmt" und ausufernd die mörder- oder wonnegruben ihrer seelen entleeren können. ich sehe es als positives zeichen, dass hans - einer aus unseren reihen - nun einen "regulären" verlag begründet hat, vllt solltest du mal mit ihm in kontakt treten... liebe grüße norbert |
16.06.2010, 02:00 | #6 |
der mit dem Reim tanzt
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Dir lagen
Worte im Magen, die dich bewogen, sie zu sagen. Sie zu fügen, sind das Lügen zum rügen oder Vergnügen? Dies zu wagen ist ungelogen geplatzten Kragen ertragen.
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gestörte Kreise |
17.06.2010, 03:03 | #7 |
Lyrische Emotion
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Lieber dichtbert,
lügen wir Dichter? Ich glaube, diese Frage nach der Moral wurde und wird uns Dichtern schon immer vorgeworfen. Ist denn die Wahrheit interessant? Kann die eigene Wahrheit einen anderen Menschen überhaupt ansprechen? Oder bleibt sie für den Leser, was sie ist - eine Lüge? Natürlich eine Lüge, die keine ist, zumindest für den Autor, aber wie empfindet es der Leser? Der Dichter muss immer etwas dazu dichten, sonst funktioniert es nicht. Es bleibt also ein Gemisch aus Wahrheit und Phantasie und damit eben Dichtung. Das ist ja auch nicht weiter tragisch, denn so soll es ja auch sein. Die Lyrik soll verzaubern oder den Nerv der Zeit treffen. Und dabei kommt es, wie du schreibst, auf die Echtheit der transportierten Emotionen und den formalen Anspruch an. Wenn diese Kombination überzeugt, wird dies im Allgemeinen Kunst genannt. Leider findet es oft nicht die Anerkennung, die der Künstler sich wünscht. Aber ein echter Dichter lässt sich dadurch nicht entmutigen, wenn er zu sich und seiner Kunst steht. Deinem Ratschlag werde ich zu gegebener Zeit nachkommen... Den Kreisen des Archimedes sei hinzugefügt: Die Worte erschlagen mir nicht nur den Magen, sie sind mir entflogen, wie soll ich es sagen? Will Wahrheit sich fügen, wird das nicht genügen, drum musste ich lügen, mit Worten gar trügen. Es bleiben zwar Fragen, doch soll man nicht klagen, der Lyrik gewogen, kann ich das ertragen. Vielen Dank für eure netten Beiträge, es war mir eine Ehre... Liebe Grüße Bis bald Falderwald
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