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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 28.12.2011, 14:28   #1
wüstenvogel
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Standard Versteinerte Worte: Versuch über moderne Lyrik

Hallo fee, hallo Stimme

Ich habe mit der Wahl meines Titels einen Fehler gemacht.
Er muss lauten: Versteinerte Worte - Versuch über Teile der modernen Lyrik.

Natürlich habe ich nicht die ganze moderne Lyrik gemeint (zu der ich meine "Werke" auch zählen würde), sondern "nur" einen Teil davon.
Was ist überhaupt "moderne Lyrik", wann (mit wem) fängt sie an?
Darf oder kann sie Reime verwenden, muss sie Reime meiden (wie der Teufel das Weihwasser)?
Ich halte das alles für ziemlich unwichtig.

Sicher muss Dichtung nicht immer nur Konkretes, Greifbares, Bekanntes thematisieren, das wäre auf Dauer höchst langweilig.

Übrigens, auch ich mag Steine sehr. Wir fahren jedes Jahr an die Ostsee und immer finde ich schöne Steine am Strand.

Dieses Kritik-Gedicht ist mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch entstanden.
Es kommt selten vor, dass ich mit einem Gedicht gar nichts anfangen kann -
aber in diesem "Jahrbuch der Lyrik 2011" habe ich für mich fast nur harte, kantige, unverdauliche Sprach-Brocken gefunden - Wortschöpfungen, Wortgebilde, die (für mich) sinnlos aneinandergereiht wurden - und ich musste meine Betroffenheit, mein Unverständnis rauslassen - in einer Art
Gedicht.
Es gibt wunderschöne, moderne Werke der Dichtkunst (in diesem und in anderen Foren, in aktuellen Gedichtbänden), denen man anmerkt, dass sie "mit Herzblut" geschrieben sind. Es betrübt mich halt jedes Mal, wenn Sprache dazu benutzt wird, (unnötige) Barrieren zwischen Menschen aufzubauen.

Deinem Kunstbegriff, Stimme, kann ich zustimmen. Auch das schöne Gestalten von Steinen ist Kunst. Aber warum müssen Worte erst zu Steinen
werden, bevor man sie bearbeitet? Warum kann man nicht versuchen, mit ihnen zu arbeiten, wenn sie noch so viele andere Ausdrucksmöglichkeiten haben?

Auf jeden Fall vielen Dank für eure ausführlichen Bemerkungen.

Liebe Grüße

wüstenvogel

Geändert von wüstenvogel (31.12.2011 um 17:24 Uhr)
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Alt 28.12.2011, 15:18   #2
Stimme der Zeit
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Standard

Hallo, wüstenvogel,

wenn du möchtest, ändere ich den Titel gerne deinem Wunsch entsprechend, sag mir einfach hier oder per PN Bescheid.

Liebe Grüße

Stimme/Mod


-------------------------------------------------------------------------

Edit:

Schon und gern geschehen.

Liebe Grüße

Stimme/Mod
__________________
.

Im Forum findet sich in unserer "Eiland-Bibliothek" jetzt ein "Virtueller Schiller-Salon" mit einer Einladung zur "Offenen Tafel".

Dieser Salon entstammt einer Idee von unserem Forenmitglied Thomas, der sich über jeden Beitrag sehr freuen würde.



Geändert von Stimme der Zeit (28.12.2011 um 16:03 Uhr)
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Alt 28.12.2011, 17:30   #3
Thomas
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Beiträge: 3.375
Standard

Hallo Wüstenvogel,

Das Gedicht entstand,
es entstand aus Wut;
was die Wut tut,
tut aus dem Bauch,
wird nur ein Gauch:
Fuß fehlt, Hand
fehlt und Verstand
auch.

Doch
bewahre die Glut,
bis daraus Gedanken
auf Schwingen sich heben,
in selbstgewählten Schranken,
Wesen schaffen, die jenseits der Täler leben.

Das ist mir beim Lesen deines Kommentars gerade eingefallen. Es ist weder moderne noch unmoderne Lyrik, einfach nur so ein Wort-Klecks von jemandem, der aufgehört hat, mit Wut oder sonstigen Schmerzen in Bauch zu schreiben.

Viele Grüße
Thomas
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Alt 31.12.2011, 17:34   #4
wüstenvogel
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Standard Versteinerte Worte - Versuch über Teile der modernen Lyrik

Hallo Thomas,

ich denke, Wut kann durchaus Ansporn zu einem Gedicht sein.
Natürlich darf man nicht (zu) persönlich werden.
Warum sollte nicht ein Gefühl zu einem Gedicht anregen?
Viele Gedichte versuchen, Gefühle zu beschreiben, auszudrücken.
Hesse hat einmal (sinngemäß) gesagt:
"Von nichts anderem leben wir als von unseren armen, herrlichen Gefühlen,
und jedes, dem wir Unrecht tun, ist ein Stern, den wir auslöschen."

Liebe Grüße

wüstenvogel
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Alt 31.12.2011, 17:43   #5
Thomas
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Standard

Hallo Wüstenvogel,

gegen den 'Ansporn' sage ich ja gar nichts. Lies doch die zweite Strophe auch und nimm nicht alles zu persönlich. Es war nicht böse gemeint. Hesse hat auch recht mit dem was er sagt. Ich habe nicht gesagt, dass man Gefühle unterdrücken soll, sondern... siehe zweite Strophe!

Viele Grüße
Thomas
Thomas ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.01.2012, 17:07   #6
fee
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Zitat:
Zitat von wüstenvogel Beitrag anzeigen

Dieses Kritik-Gedicht ist mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch entstanden.
Es kommt selten vor, dass ich mit einem Gedicht gar nichts anfangen kann -
aber in diesem "Jahrbuch der Lyrik 2011" habe ich für mich fast nur harte, kantige, unverdauliche Sprach-Brocken gefunden - Wortschöpfungen, Wortgebilde, die (für mich) sinnlos aneinandergereiht wurden - und ich musste meine Betroffenheit, mein Unverständnis rauslassen - in einer Art
Gedicht.
...

Es betrübt mich halt jedes Mal, wenn Sprache dazu benutzt wird, (unnötige) Barrieren zwischen Menschen aufzubauen.

...warum müssen Worte erst zu Steinen
werden, bevor man sie bearbeitet? Warum kann man nicht versuchen, mit ihnen zu arbeiten, wenn sie noch so viele andere Ausdrucksmöglichkeiten haben?

lieber wüstenvogel,


ich hab jetzt wirklich lange über diese ausführungen von dir nachgedacht und sie mehrmals gelesen.

ich könnte dir von der kunst-historischen bzw. -wissenschaftlichen seite her erklären, dass diese sparte der lyrik, die dich so "befremdet", vergleichbar ist mit der "konzept-kunst" in der bildnerischen sparte, wo es um abstraktion als oberstes prinzip geht und um ganz bewusste abkehr von jenen darstellungs- und form-mitteln, die uns viel direkter erschließbar sind und berühren.

doch das ist gar nicht, worüber ich so nachgedacht habe, da ich dieses wissen durch mein kunststudium und die lange praxis in der kunstvermittlung sozusagen "parat" habe. nein - was mir so auffällt - nicht nur bei deinen erklärungen, sondern auch denen vieler anderer - , ist die erwähnte wut, das betrübt-sein, das ihr immer als motiv anführt für eure texte, in denen sich derart aufgestautes bahn bricht.

da ich diese wut oder das betrübnis so gar nicht nachvollziehen kann, weil ich automatisch sämtliche kunstsparten als "nebeneinander" existent wahrnehme und für mich keine die andere "bedroht" oder diese auch nur irgendwie untereinander konkurieren, weiß ich nicht so recht, wo sie tatsächlich herkommt.

ist es angst, das eigene schaffen wäre tatsächlich bedroht oder würde herabgesetzt, weil es da andere ansichten zu kunst/lyrik und deren eigene anhänger gibt?

ist es tatsächlich so, dass heute das schöne nicht mehr erkannt oder geschätzt wird? ist es tatsächlich so, dass die zahl der interessenten für die schönen künste abnimmt oder den tradierten werten ernsthafter kunst geschadet wird durch massenmedien, die angeblich gerade "seichteres" zugänglicher und leichter verbreitbar machen?

dasselbe gilt doch auch für die ernsthaften produkte der E-sparte, die durch internet mehr menschen erreichen - auch, wenn deren eigentliche präsentation meist nicht über dieses medium erfolgt, sondern nur deren ankündigung. dass es eine verschiebung der interessen und ansprüche bei den "empfängern" bewirkt, bezweifle ich. allerdings gehe ich davon aus, dass sich im internet mit dem ihm automatisch innewohnenden massen-charakter bzw. "-wertprädikat" zu einem weit größeren anteil jene tummeln, äußern und betätigen, die eben den rascheren massengenuss konsumieren und dass jene, die sich gerne intensiv und still und ausdauernd mit einzelnen werken mit tiefgang beschäftigen, das anderswo tun - in galerien oder lesend zu hause oder bei lesungen im kleinen rahmen nämlich.

vielleicht ist das bild auch deshalb verzerrt, weil es bis vor wenigen jahrhunderten noch bestandteil einer gutbürgerlichen bildung junger menschen war, auch die redekunst und/oder ein instrument oder ein anderes musisches genre zu beherrschen. sich gewählt und in reimen ausdrücken zu können, war für einen jungen mann von stand damals nämlich vonnöten um eine gute partie zu sein und dichtung und redekunst standen daher auf dem haus-lehrplan. für die jungen damen gab es gesangs- oder musikunterricht, damit sie mit "weiblichen" tugenden voller damalig geschätztem liebreiz bezaubern und "was hermachen" konnten.

mit dem verschwinden dieser ansprüche und dieser "kultur", die durch industrielle revolution, technischen fortschritt und die damit verbundene mentalität des "dynamischen" ersetzt wurde, hat sich auch die bedeutung der lyrik, der schönen künste und der (haus)musik vom allgemein-bildungsgut hin zur liebhaberei verschoben.

vom jeweiligen zeitgeistigen ausdruck, der einem aus "vergangenen zeiten" immer entgegensteht, rede ich hier gar nicht. dass die kunstgeschichte sich immer in wellen der gegenbewegungen, was ausdruck und motive angeht, entwickelt, zeigt sich, wenn man sich damit umfassend auseinandersetzt.

war die eine epoche "erdverbunden" und setzte auf gefühl, auf schlichtheit und direktheit im ausdruck - also expressivität - , musste die nächste eine gegenläufige ausrichtung haben: abgehoben-sphärisch oder himmlisch-strebend, verschlüsselt und "sachlich". usw. usf.

war die zugänglichkeit in der einen epoche oberstes motiv, waren es die "barrieren" in der nächsten. die menschheit versucht in ihrem schaffen nicht nur tradition fortzuführen, sondern das individuum will sich im künstlerischen akt auch abheben. dass das nur geht, indem man mit traditionen bricht - mal mehr, mal weniger im rahmen der möglichkeiten der herrschenden kulturellen bedingungen - ist wohl klar. nur so findet entwicklung statt. nur so wird stillstand verhindert. und der mensch ist nun mal ein fortschritts-getriebener. das ist seine natur. egal, in welcher intentsität der ausprägung.

und das gilt für alle kunstsparten. und diesem lauf sind wir in unserem schaffen unterworfen - ob wir wollen oder nicht. ernsthafte kunst wird immer versuchen, sich mühe zu geben. doch das heißt nicht, dass ihre äußere erscheinung immer denselben gesetzmäßigkeiten folgt - unberührt vom zeiten- und gesellschaftswandel.

warum also die wut? das betrübt-sein?
welche angst ist da wirklich wirksam - im hier und jetzt und für das eigene schaffen und das, wie man darin wahrgenommen und verortet werden will?


ich hoffe, meine lange einlassung wird hier nicht als korrektiv empfunden. meine fragen sind aufrichtiger natur. und mein wissen dazu stelle ich gerne zur verfügung. manchmal finden sich nämlich die einzig hilfreichen antworten erst im schließen von wissenslücken. und dann kann man neu einordnen, was einen befremdet. und vielleicht verliert manches dann seinen bedrohlich-befremdlichen charakter.


lieber gruß im neuen jahr,

fee

Geändert von fee (01.01.2012 um 17:13 Uhr)
fee ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.01.2012, 18:38   #7
wüstenvogel
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 30.08.2011
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Beiträge: 446
Standard Versteinerte Worte - Versuch über Teile der modernen Lyrik

Hallo fee,

vielen Dank für deine sehr ausführlichen und nachdenkenswerten Anregungen.

Vielleicht habe ich mich missverständlich ausgedrückt - im Nachhinein war es wohl eher Enttäuschung als Wut, die mich zu diesem Gedicht "getrieben" hat.
Da kauft man sich einen Gedichtband mit dem anspruchsvollen Titel "Jahrbuch der Lyrik 2011", freut sich auf eine anregende Lektüre und muss feststellen, dass man mit fast keinem dieser Gedichte etwas anfangen kann. Damals wie heute kann ich zu vielen dieser Gedichte keinen Zugang finden.
Das heißt aber auf keinen Fall, dass ich ihnen ihre Existenzberechtigung absprechen möchte - sicher gibt es Menschen, denen diese Art von Gedichten gut gefällt, die damit etwas anfangen können, die vielleicht sogar angeregt werden, die durch und über diese Gedichte hinausgeführt werden in eine andere Welt.
Trotzdem erlaube ich mir, solche Art von Lyrik zu kritisieren, weil ich weiß, dass sie vielen Menschen nichts (mehr) sagt.
Ich liebe jede Form von Sprache und Ausdruck viel zu sehr, um nicht betrübt zu sein, wenn sie ihrem eigentlichen Zweck, der Verständigung, nicht (mehr) dienlich ist.

Ich habe keine Angst, dass durch die Existenz solcher Lyrik meine eigenen Werke herabgesetzt oder nicht (genügend) gewürdigt würden -ich bin ein großer Verfechter von Vielfalt im künstlerischen Bereich (und nicht nur dort).

Bestimmt muss es solche Gedichte geben - sind sie doch auch Ausdruck unserer Entfremdung in dieser komplexen, oft nur schwer durchschaubaren, modernen Welt.
Keinesfalls möchte ich für eine seichte, allzu leichte Literatur plädieren.
Ursula Andresen, eine Deutsch-Didaktikerin für die Grundschule, hat eines ihrer Bücher so genannt: "Versteh mich nicht zu schnell". Die Mühe des (eigenen) Denkens soll und darf den Menschen nicht erspart werden - das wäre furchtbar. Wohin das führen kann, hat die Geschichte leider schon viel zu oft bewiesen!

Ich lasse mich beim Schreiben oft von Gefühlen leiten (ich denke, das tun wir alle mehr oder weniger).

Deine Ausführungen habe ich gerne gelesen (uind werde es sicher noch einige Male tun).

Ein wunderbares Neues Jahr

wünscht dir

wüstenvogel
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Alt 02.01.2012, 18:19   #8
Chavali
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Hallo wüstenvogel, hallo zusammen,

ich erlaube mir mal, ein Vorwort des Herausgebers des Jahrbuches der Lyrik 2005,
Christoph Buchwald, zu zitieren:

Zitat:
Was ein gutes oder gelungenes Gedicht ist, ist so allgemein und pauschal nicht zu sagen. Eine normative Poetik war schon vor 200 Jahren ein dubioses Unterfangen. Nicht umsonst ist Georg Lukács, der das als letzter (für den Roman) versucht hat, damit jämmerlich versackt im ideologischen Sumpf. Für schlechte Gedichte dagegen gibt es deutliche Anhalts*punkte: schiefe Bilder, ungenaue Sprache, Denk- und Sprach*klischees, Bestätigung und Verdoppelung des Allzu*bekann*ten. Alarmsignale sind z.B. ungenaue Wie-Ver*gleiche, platte Metaphern, beliebige Zeilen*brechungen, Verbin*dungen von Abstraktem und Konkretem wie z.B. „im Spinnennetz meines Vergessens“, romanti*sierendes Poeteln besonders bei Liebes*gedichten, ideo*logische Phrasen*drescherei oder platte Nachahmung. Wer heute noch so dichtet wie der Freiherr Joseph von Eichendorff 1812, hat nicht alle Tassen im Schrank. Die Welt sieht anders aus inzwischen.
Das immer wieder Wunderbare an gelungenen Gedichten ist, daß sie mit den Mitteln der Sprache etwas ausdrücken, etwas formulieren können, was wir ›irgendwie‹ eher vage und gefühlsmäßig geahnt haben, aber nie wirklich fassen, festhalten, uns bewußtmachen konnten: ein Lebensgefühl, eine Zeitstimmung, einen komplexen Denkzusammenhang. Daß sie ein Bild oder einen Klang dafür gefunden haben, was wir immer schon über die Welt wissen wollten, aber nie zu denken wagten.

Christoph Buchwald · Jahrbuch der Lyrik 2005
Ich meine, das spricht für sich und die heutige Auffassung von Lyrik.
So lange die Hrsg. eine solche Meinung vertreten - und da ist kein Ende von abzusehen -
sind hingeklatschte Worte als *Kunst* aufzufassen.
Hier ein Beispiel:

Zitat:
Das erste Gedicht in der Geschichte des Jahrbuchs der LyrikJahrbuch der Lyrik 1 · 1979 – ist von Hajo Antpöhler:

ENDE MÄRZ,
flach die Gegend,
schön so,
auf ner Wiese
steht noch ne
Kabelrolle.
Gedicht? Wo?
Ich versteh es nicht. Ihr?

Verständnislose Grüße,
Chavali




__________________
.
© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*
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Alt 02.01.2012, 18:38   #9
fee
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ganz ehrlich, liebe chavali,


ich hab das bild, das hajo antpöhler (was für ein name! *giggle) hier skizziert, durchaus selbst schon oft im vorüberfahren "registriert" - und zwar mit einem gefühl der wahrnehmung oder des erkennens, dass hier zeitzeichen die landschaft mit-formen. und das auf eine ganz nüchterne und lebensnahe weise. kabelrollen lagen eben vor soundsovielen jahren noch nicht in der landschaft rum. heute sind sie teil davon - und sagen etwas über die menschheit aus. und prägen die landschaft mit. ob wir wollen oder nicht.

nur, weils kein liebliches landschaftsbild ist, und das hier auch eher skizziert und nicht bis ins letzte fitzelchen aus-gemalt, ist es dennoch "bemerkenswert" im wahrsten sinne des wortes. geschmackssache? allemal.

ich zum beispiel finds gut.
grade wegen des doch persönlichen aber unprätentiösen "schön so".
das - im kontrast mit der "vergessenen" kabelrolle macht eine aussage, die in mir etwas anstößt.

vielleicht bin ich da "schrulliger" im lesen. oder toleranter. oder gerne näher an der realität als am geschönten. mag schon sein.
ich finds gut. ich find aber auch ausführlichere gedichte, wenn sie gut gemacht sind, schön. solange sie eine originelle aussage treffen oder ein unverbrauchtes bild malen.

und was findest du an den ausführungen von herrn buchwald so verdammenswert?

mit
Zitat:
Für schlechte Gedichte dagegen gibt es deutliche Anhalts*punkte: schiefe Bilder, ungenaue Sprache, Denk- und Sprach*klischees, Bestätigung und Verdoppelung des Allzu*bekann*ten. Alarmsignale sind z.B. ungenaue Wie-Ver*gleiche, platte Metaphern, beliebige Zeilen*brechungen, Verbin*dungen von Abstraktem und Konkretem wie z.B. „im Spinnennetz meines Vergessens“, romanti*sierendes Poeteln besonders bei Liebes*gedichten, ideo*logische Phrasen*drescherei oder platte Nachahmung.
liegt er doch sicherlich auch aus deiner sicht nicht falsch.

dass er mit
Zitat:
Wer heute noch so dichtet wie der Freiherr Joseph von Eichendorff 1812, hat nicht alle Tassen im Schrank. Die Welt sieht anders aus inzwischen.
ein wenig persönlich wird und das auch noch reichlich direkt, muss man wirklich nicht mögen - egal, wie sehr man seine meinung teilt .
diese unsachliche äußerung darf einen aber nicht selbst zur unsachlichkeit oder verallgemeinerung verleiten.
wer ist herr buchwald schon? ein herausgeber mit einer meinung.
so wie auch jeder kunstkritiker oder rezensent.

aber es ändert nichts an den gedichten selbst. egal welcher machart und welchen stils. oder?


lieber gruß von

deiner fee

Geändert von fee (02.01.2012 um 18:42 Uhr)
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Alt 02.01.2012, 18:55   #10
Chavali
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Beiträge: 13.009
Standard

Meine liebe fee,

was mich vor allem daran stört, ist die Tatsache, dass die deutsche Sprache hier verhohnepipelt wird:

ENDE MÄRZ,
flach die Gegend,
schön so,
auf ner Wiese
steht noch ne
Kabelrolle.


Was hätten wir dazu geschrieben, wenn das in unserem Forum eingestellt worden wäre?
Dass mir solche Bilder nicht bekannt sind, kann ich nicht behaupten und irgendwie gefällt mir auch die Vorstellung,
aber der Schreiber hat die Sprache verstümmelt.

Wir haben ja festgestellt, dass jede Art von Lyrik seine Daseinberechtigung hat.
Aber gehören denn verunstaltete Worte in einen lyrischen oder poetischen Text?
Zitat:
und was findest du an den ausführungen von herrn buchwald so verdammenswert?
Gerade diese Aussage ist anhand des zitierten Beispiels ein Witz:
Zitat:
Für schlechte Gedichte dagegen gibt es deutliche Anhalts*punkte: schiefe Bilder, ungenaue Sprache,[...]
Liebe fee, vielleicht gilt ja deine Aussage
Zitat:
vielleicht bin ich da "schrulliger" im lesen.
eher für mich
Ich mag vieles, was hier an *freier Lyrik* gepostet wird.
Aber was in diesen Lyrikbänden und Anthologien manchmal zu lesen ist - mich spricht es jedenfalls nicht an.

Analog des o.a. Textes hab ich noch was von mir

ANFANG JANUAR
bergig mein land
ganz nett
an nem abhang
nen schiefer
schneezaun






Das ist doch kein Gedicht. Oder was meinst du?

Lieben Gruß,
Chavali

__________________
.
© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*
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