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Auf der Suche nach Spiritualität Religion und Mythen

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Alt 26.04.2012, 09:09   #1
Sidgrani
Von Raben umkreist
 
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Registriert seit: 27.12.2009
Ort: Am Niederrhein
Beiträge: 1.053
Standard Versuchung

Der Teufel, der will in stockfinstrer Nacht
hinauf auf die sündige Erde,
er will einen Engel, das wär doch gelacht,
er sattelt die feurigen Pferde.
Er weiß, dass die Boten versessen drauf sind,
viel Gutes zu tun, das macht sie fast blind,
heut Nacht, da soll einer fallen.

Getarnt als verlorenes Kind auf dem Strich,
betört er den himmlischen Schönen:
„So hab doch Erbarmen, bekehre auch mich,
doch einmal nur lass dich verwöhnen."
Der Engel verzweifelt, ihm droht Gottes Fluch,
er trotz der Versuchung dank Schwefelgeruch,
gib Acht, denn Satan schläft nimmer.

Er lockt dich, er heuchelt, verspricht was du willst,
doch musst du der Liebe entsagen.
Er will, dass du endlich den Hunger ihm stillst
auf Seelen, die kurz vorm Verzagen.
Drum rette die Liebe, dann rettest du dich,
versetz dem Gehörnten den tödlichen Stich,
drauf wird er für immer dich meiden.
__________________
Alle meine Texte: © Sidgrani

"Nur wer erwachsen wird und Kind bleibt, ist ein Mensch"

»Erich Kästner«
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Alt 27.04.2012, 09:38   #2
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

HI, Sid!

Trefflich gereimt, metrisch perfekt (sehr gutes Ohr!), mit Augenzwinkern geschrieben - hoffe ich mal...

Andernfalls wäre es nur ein weiteres Beispiel für die Perversion der Kirche, eigentlich wertfrei Natürliches und Selbstverständliches wie die menschliche Sexualität zu etwas Schmutzugem, zu Unterdrückendem zu erklären.
Jahrhunderte haben Unzählige unter diesem Idiotendiktat gelitten, und allzu viele wurden deswegen sogar geächtet, gefoltert und ermordet!

Klar, man wollte im Grunde die Verbreitung von Geschlechtskrankheiten vermeiden, ähnlich wie das Schweinefleischverbot der Moslems, wo es eigentlich um Trichinen und andere Parassiten im Fleisch ging. Leider hat sich der Gedanke in beiden Fällen verselbstständigt und wurde von missgünstigen Moralaposteln und machtgeilen Unterdrückern im Namen der "EINZIGEN Wahrheit" zu einem Regelmonster aufgeblasen, dessen Befolgung heute ein jämmerlicher Automatismus ist, weil Menschen nun mal lieber einfach nur glauben, anstatt wirklich nachzudenken! Es wurde Teil der jeweiligen Kultur - und DAS ist fast unausrottbar, weil es eine Identifikationssache ist: WIR sind WIR, weil wir DAS so machen und nicht wie "die andern"...

Die Engel als menschliche Erfindung, sozusagen Vorbilder in Sachen Reinheit und Nachfolger heidnischer Schutzgeister, haben bei uns also ungeschlechtlich zu sein. Warum sie dann überhaupt Geschlechtsteile haben könnten, ist mir schleierhadt, es sei denn, GOTT ist ein wahrhafter Sadist!!!!

Gern gelesen, die hintergründige Ironie mal vorausgesetzt!

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (27.04.2012 um 09:40 Uhr)
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Alt 27.04.2012, 20:55   #3
Gert-Henrik
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard

Hallo Sidgrani

Also ich lese das Werk ohne irgendeine Form von Ironie. Dem Trieb nachzugeben hat für mich - egal wie schön es auch ist - immer etwas entgeistigendes, erdendes also fallendes. Er gehört zu unserem Sein, ohne Frage - aber die Idee einer verfeinerten, durchgeistigteren Daseinsebene hat etwas Tröstliches.

Du erzählst zwei Geschichten - einmal die eines möglicherweise fallenden Engels und dann die der Lehre für die Allgemeinheit - und bei der zweiten muss ich mal nachhaken: Steht die "Liebe" in S3V2 für Sex? Und der Übergang, zu S3V4, ist mir zu abrupt. Das (einmalige) Nachgeben muss doch nicht Verzagtheit bedeuten.?

Den Schluss sehe ich ganz anders. Man muss immer achtsam und wach sein, denn das Böse schläft nie - kann es ja auch nicht, als zwingend notwendiger Gegenpol des Guten. ME gibt es die Versuchungen vom ersten bis zum letzten Atemzug. Angeblich soll es ja geheilte Dualität geben - was wäre das für ein paradiesischer Zustand (btw hier mein Versuch zu dieser Thematik: http://gedichte-eiland.de/showthread.php?t=5500 ).

Wer wie wo was auch immer - sehr gerne gelesen

In S2V6 fehlt übrigens ein "t".

LG
Lipiwig
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Alt 27.04.2012, 22:36   #4
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
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Seufz! Lipiwig!

Fakt: Im Sexualtrieb des Menschen liegt per se nichts Böses!

Wenn jemand dies mit "böse, teuflisch" gleichsetzt, ist er offensichtlich bereits ein Opfer der abendländisch-katholischen Indoktrination.

Armes Abendland...

LG, eKy
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Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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Alt 28.04.2012, 19:51   #5
Sidgrani
Von Raben umkreist
 
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Beiträge: 1.053
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Hallo Erich, hallo Lipiwig,

faszinierend, was ihr in das Gedicht hinein interpretiert.

Ist es nicht ein Triumpf, wenn man einen, der genau entgegengesetzter Meinung ist und zu den „Anderen“ gehört, auf seine Seite ziehen kann? Dass der Teufel sich dabei unfairer Mittel bedient, ist ja nicht weiter verwunderlich. Dass er einen ihm verhassten Engel verführen will, sieht ihm auch ähnlich.

Die Sexualität soll in diesem Gedicht lediglich eine Nebenrolle spielen, auf sie kommt es hier nicht an. Der Engel steckt doch eindeutig in einer Zwickmühle, er ist kurz vor dem Nachgeben. Weil er auch einmal Mensch sein will und Sex haben will? Weil er die vermeintlich verlorene Seele retten will und dabei in Kauf nimmt, selbst zu Grunde zu gehen? Wer weiß.

Die „Liebe“ ist die Menschenliebe, die Liebe zu sich selbst, die Liebe zur Gerechtigkeit und zum Miteinander. Wer dem „Satan“ verfällt und aus Gier zu Macht, Reichtum oder aus purem Egoismus über Leichen geht, der ist gemeint.
Seelen, die kurz vor dem Verzagen sind, nicht weil sie einmal „gesündigt“ haben, sondern weil sie in ihrem „ordentlichen“ Leben keinen Sinn mehr sehen und endlich auch mal „oben“ mitmischen möchten, sind ja bekanntlich besonders anfällig für die vielen Versuchungen, die uns auflauern.

Aber ehrlich gesagt, so viel wollte ich eigentlich gar nicht mit meinem Gedicht zum Ausdruck bringen.

Ich danke euch für eure tiefgehenden Gedanken und eure Kommentare.
Liebe Grüße
Sidgrani
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