12.07.2012, 21:20 | #1 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Homo urbanicus
Manchmal, wenn du unter Leute gehst,
ausgesetzt der ständigen Betrachtung durch ein andres Wunsch-und Wertsystem, erntest du Erstaunen statt Beachtung. Oft genug erzeugt das auch Befremden. Ja, Sich-zeigen braucht schon etwas Mut! In der launischen, von Reizen überschwemmten Welt ist doch Verstehn ein seltnes Gut! Besser nicht an allzu Vieles rühren - da, wo jeder dicht sich an den andern drängt, überfordert es, den Nächsten zu erspüren: Großstadtmensch, wie bist du eingezwängt! Manchmal, wenn wir so im Strome treiben, anonym, am anderen vorbei, frag ich: Welcher Eindruck wird mir bleiben von dem großen, bunten Einerlei?
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Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich! |
25.08.2012, 22:44 | #2 |
Lyrische Emotion
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Servus larin,
ich fange direkt wieder mit Schopenhauer an, der sagte: "Die Welt ist meine Vorstellung". Und wer diesen Vorstellungen nicht entspricht, der wird manchmal argwöhnisch beäugt. So ist es immer, wenn sich jemand etwas "traut", was von der sogenannten Norm abweicht. Warum auch sollte man sich die Mühe des Verstehens machen? Ein Spinner ist eben ein Spinner und bleibt ein Spinner. Das Hinterfragen und die Akzeptans bleiben dabei eben oft auf der Strecke. (Ich selbst kann das gut nachvollziehen. Vor ein paar Jahren zog ich von NRW nach Ratzeburg. Im Gegensatz zu meiner Heimatstadt ist das ein kleines, verträumtes Nest. Dort angekommen ließ ich mir mehr als fünf Jahre die Haare wachsen und trug einen Zopf. Dazwischen auch schon mal ein Stirnband oder einen schwarzen Hut. Da wird man dann ganz leicht zum Anschauungsobjekt. Vor ca. fünf Wochen ließ ich mir den Zopf dann abschneiden und da ich ein Mensch der Extreme bin, die Haare direkt auf drei Millimeter kürzen. Jetzt hatten sich die Leute endlich an meinen Anblick gewöhnt und nun dies. ) Tja, so ist das wohl, wenn alte Zöpfe fallen. ) In der Großstadt ist das freilich noch viel extremer. Da fallen lange Haare bei einem Mann wohl nicht so auf, aber es gibt da noch weit mehr Kuriositäten zu beobachten. Die Menschen einfach mal so zu nehmen, wie sie sich darstellen, kommt natürlich dem "normalen Spießbürger" nicht in den Sinn. Er ist gefangen in seinen ureigensten kleinen Dogmen und lässt eine Nähe erst gar nicht zu, denn sie könnte ja andere Ansichten offenbaren, die seine Weltordnung durcheinander bringen. Und dabei hasst er nichts so sehr wie Veränderung, ja er fürchtet sich gar vor ihnen und so lässt er sie nicht oder nur gezwungenermaßen an sich heran. Dabei wäre es so einfach und kann letztendlich nur bereichernd sein. Der Text stellt am Ende als logische Schlussfolgerung die Frage, was von den vielen Eindrücken letztendlich wohl überbleibt. Die Antwort darauf ist nicht einfach. Ich denke, je mehr Eindrücke ein Mensch erfahren hat, je offener er anderen Menschen gegenüber war, umso mehr wird sich festsetzen, denn wer sich von den menschlichen Eigenschaften abwendet hin zu einem anderen Ideal, der wird sich verlieren in dem Nichts, das er sich selbst geschaffen hat, denn mit ihm wird seine Welt und seine Vorstellung davon untergehen und aufhören zu existieren. Das aber ist beileibe kein Grund zur Sorge, denn jeder hat vor seiner Existenz schon einmal eine Ewigkeit nicht existiert, also wird er die nächste wohl auch unbeschadet überstehen. Und dann, ja dann vielleicht sind die erfahrenen Eindrücke zur Stelle und schimmern hier und da hindurch, um dieses Mal etwas Neues zu bewirken, wie auch immer. Wir werden es erfahren oder auch nicht und dann ist es auch gut... So oder so haben wir unsere Gegenwart und diese kann uns niemand nehmen. Also soll jeder nach seiner eigenen Vorstellung glücklich werden, auch wenn uns manches vielleicht bemitleidenswert erscheint. Ein nachdenklicher und sozialkritscher Text, auf den es leider keine pauschale Antwort geben kann. Gerne gelesen und kommentiert... Liebe Grüße Bis bald Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine) Für alle meine Texte gilt: © Falderwald --> --> --> --> --> Wichtig: Tipps zur Software |
27.08.2012, 19:40 | #3 | |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Hallo Falderwald,
du hast ihn also tatsächlich im gewühl der menschen getroffen, den bislang unerkannten homo urbanicus... der einzelne stadtmensch geht in der vielfalt der eindrücke unter. hab mal eine doku gesehen, da haben forscher beobachtungen angestellt. fazit: beim gehen durch eine belebte einkaufsstraße nimmt der einzelne die anderen menschen kaum noch als personen wahr, sondern verhält sich ihnen gegenüber so, als wären es bäume im wald - hindernisse, an denen er vorbeikommen muss. welcher eindruck bleibt also haften in der grellen vielfalt? welches geräusch kann/ darf/ soll überhaupt noch wahrgenommen werden in der vielfalt der geräuschquellen? ich persönlich kann es in großen einkaufszentren gar nicht mehr so lange aushalten. spätestens nach einer halben stunde bin ich fix und fertig und will nur noch eines: weg! Zitat:
es könnte aber auch ganz anders sein, nämlich das: ab einer gewissen menge an eindrücken ist einfach schluss - laden zu und deckel auf die dose! - und gar nichts mehr bleibt hängen! das wäre dann ähnlich dem jähen starkregen: so schnell kann der boden die übergroße menge wasser nicht aufnehmen - es fließt dann öberflächlich wieder ab -und überschwemmungen entstehen. oder weißt du noch, was jemand gesagt hat, nachdem er dich drei stunden lang zugetextet hat? und andererseits kann ein einziger blick, ein einziger satz manchmal einschlagen wie eine bombe..... zum glück gibt es für derlei betrachtungen keine pauschalantworten! "sehe jeder , wie ers treibe, sehe jeder wo er bleibe..." lg, larin
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Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich! |
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03.10.2012, 12:54 | #4 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Hey Larin,
auch ich kenne die beiden Extreme - Stadt und Land. Dass man auf dem Land eher wahrgenommen wird, hat für mich nur Nachteile – nämlich vor allem die soziale Kontrolle. Wolf Wondratschek hat es mal so ausgedrückt: „wie sauber die Mülltonnen, wie abgesucht die Nacht“. Nein, auf die besondere Beachtung der Landeier kann ich gerne verzichten, denn ihr urteilender Blick zielt lediglich auf Normabweichung ab. Und die Norm der Kleingemeinde ist in erster Linier die Angst. Angst davor, irgendjemand könnte ihr Weltbild, sei es durch sein Innerstes oder sein Äußeres ins Wanken bringen. Dabei denke ich auch an sogenannte Zeitungsmeldungen: „Die Nachbarn des Massenmörders sagten aus, sie hätten ihn nur als sauberen und hilfsbereiten Menschen gekannt“. Das trifft genau die Bigotterie, die ich so verabscheue. Dann lieber Großstadt und unbemerkt als Baum unter Bäumen. Selbst der wirrste Exot bleibt z.B. in Wien nur einer von vielen, findet aber auf wundersame Weise seinesgleichen. Gruß vom Hans
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chorch chorch Geändert von Hans Beislschmidt (03.10.2012 um 12:56 Uhr) |
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