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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 23.02.2013, 11:12   #1
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Registriert seit: 07.02.2009
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Moin Thomas,

auch wenn ich die "zeitgemäßen" Haikus nicht besonders mag, so kann diese Form durchaus ihren Reiz besitzen.

Ein Haiku muss m. E. nachhallen. Er ist eine Momentbeschreibung, eine kurze Betrachtung ur- oder grundsätzlicher Dinge und sollte möglichst frei von jeglicher Individualität gehalten werden, sofern so etwas überhaupt möglich ist.

Einer meiner Lieblingsdichter für Haikus ist neben Matsuo Bashō der viel modernere Masaoka Shiki (1867 - 1902):

Unohana o
megakete kitaka
hototogisu

Es scheint, er zielte
auf die Deutzienblüten –
der Kleine Kuckuck.

Shiki forderte vom Haiku realistische Beschreibung wirklichen Geschehens in ungestelzter Sprache.

Auf Entenflügel
der zarte Schnee sich häuft;
oh, diese Stille.

Oh, welche Kühle:
Es läuft die Abendflut auf
und Fische springen.

Der (oder das) Haiku sollte also die Dinge in ihrem "So-Sein" erscheinen lassen.
Seine Grundstimmung sollte "zu nichts gedrängt sein" und "niemandig" die Welt in sich spiegeln, denn er ist kein Ausdruck der menschlichen Seele, sondern eher als Ansicht des "Niemandes" zu interpretieren.
Hier drückt sich kein Lyrisches Ich aus, es ist also keine Innerlichkeit auszumachen.
Nur so können die Dinge des Haikus zu Metaphern oder Symbolen werden.

Bei deinem Haiku gefällt mir eigentlich die längere Version besser.
Du müsstest eigentlich nur das "sacht" in der ersten Zeile austauschen, denn hier ist eine persönliche Bewertung enthalten, die dem Haiku nicht gut zu Gesicht steht.


Gerne gelesen und kommentiert....


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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Alt 25.02.2013, 19:19   #2
Thomas
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Benutzerbild von Thomas
 
Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
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Hallo Falderwald,

vielen Dank für deine interessanten und hilfreichen Erklärungen zum Haiku. Was du konkret zu dem "sacht" sagst stimmt, es müsste wegzubringen sein.

Da der Faden immer interessanter wird, möchte ich etwas genauer erklären, wie ich zu dem Ding gekommen bin.

Einerseits denke ich, dass das Haiku-Gedicht sehr eng mit der Japanischen Kultur verbunden ist. Man kann es wahrscheinlich nicht gut nachzumachen. Andererseits versuche ich herauszufinden, was diese Form so anziehend macht, dass sich in aller Welt Menschen damit beschäftigen. Vielleicht kann man etwas davon lernen, was sich in unsere Sprache transportieren lässt.

In diesem Zusammenhang ist mir die 5-7-5-Silben-Regel als hinderlich aufgestoßen. Aber was macht die Form des Haikus wirklich aus? Als ich dieser Frage nachging, stieß ich auf eine interessante Untersuchung: "From 5-7-5 to 8-8-8: An Investigation of Japanese Haiku / Metrics and Implications for English Haiku / RICHARD GILBERT and JUDY YONEOKA / Journal of the Foreign Language Education Center.(2000)." Diese Studie hat empirisch erforscht, wie Haikus gelesen warden, und kommt zu dem Schluss, dass einschließlich der Pausen eine in gelichmäßig in drei Teile geteilte Form entsteht, also 8-8-8.

Nun habe ich versucht entsprechende Formen im Deutschen zu finden, welche kürzer als 17 Silben sind (17 japanische Moren sollen angeblich den Sinngehalt von etwa 11 Silben im Deutschen tragen können). so kam ich auf:

X x X _
X x X x
X x X _

Dann habe ich ein wenig mit Vokalen und Prosodie gespielt. So kam die Kurzversion zustande. Dann habe ich einen Schreck bekommen und noch schnell die Langversion gemacht, wobei ich jedoch das gleiche Prinzip beibehalten habe.

Ich habe sehr stark abstrahiert und vielleicht war der Hinweis auf den Haiku sogar hinderlich, aber dann hätte es nicht diese interessante Diskussion gegeben, sie sich hoffentlich noch fortsetzten wird.

Liebe Grüße
Thomas
__________________
© Ralf Schauerhammer

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller
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