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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 29.10.2014, 16:46   #1
AAAAAZ
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Hi Key,

es mag zunächst naheliegend sein, dass Größe sich an eigenen Wertvorstellungen, am eigenen Horizont und am eigenen Maßstab ausrichtet. Da man sich dort selbst gerne wiederfinden will und jedem gezeigt werden kann, wo man steht.
Größe kann aber auch bedeuten, den Wertekanon und Horizont des anderen anzunehmen, wo es eben wichtigeres gibt. U.U. könnte das für einen Atheisten konkret bedeuten, mit dem Sterbenden zu beten, weil es dessen Welt ist, und für ihn das Seelenheil in dem entscheidenden Moment bedeutet. Hier beginnt meine Definition von beneidenswerter Größe und innerer Reife, weil das ungleich Schwierigere ist.
L.G. AZ

Geändert von AAAAAZ (30.10.2014 um 01:25 Uhr)
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Alt 30.10.2014, 11:57   #2
Erich Kykal
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Hi, A-Z!

Da drängt sich mir die Frage auf: Was kann es dem Sterbenden bedeuten, dass ich mit ihm bete, wenn er wohl weiß, dass ich nicht daran glaube, dass da jemand ist, der es hört.
Mich noch auf dem Totenbett missionieren zu wollen, kann es ja wohl nicht sein!
Es wäre ein bedeutungsloser Akt der Schöntuerei. Ich an Stelle des Sterbenden würde mich nie dazu versteigen, jemanden zu etwas zu bemühen, woran er nicht glauben kann, nur um mir, dem Entgleitenden, eine letzte Art Vertrautheit und Trost zu schenken!
Das wäre unfair, aufdringlich und respektlos dem Begleitenden gegenüber, zudem höchst manipulativ, da er mir, dem Sterbenden, ja schlecht etwas abschlagen könnte!! - Nein, das wäre einfach nur schlechter Stil.

Wenn ich der Sterbende wäre und wüsste, dass jene, die an meinem Bett wachen, zutiefst gläubig sind, ich würde ja auch niemals von ihnen verlangen, für mich in meinen letzten Stunden ihren Glauben zu widerrufen!

Sorry, aber was für dich wie eine respektvolle Geste aussieht, wirkt auf mich eher befremdlich und verlogen. Dieser Art Einstellung aber eine menschlich/moralische Unreife zu unterstellen, empfinde ich ebenfalls als zu kurz gefasst bis unkorrekt.

LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (30.10.2014 um 12:00 Uhr)
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Alt 30.10.2014, 18:16   #3
Dana
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Lieber eKy,

ein feinst durchdachtes Gedicht - ein echter Kykal eben.
Seine Weisheit und Größe werden über die Duskussion darüber verstärkt.
Dass wir sterben müssen, wissen wir. Das Wie bleibt immer offen.(Wobei ich hier die unerwarteten Unglücke und Situationen meine.)
Ich wünschte jedem Menschen die Chance, so den Augenblick oder die letzten Stunden sterbend zu leben, wie du den Protagonisten verdichtet hast.
Dass jeder sein Leben bis zur letzten Stunde mit seinen Lieben teilen kann, fern vom "Erledigen" irgendwelcher Versäumnisse in letzter Minute.

Die letzten Gedanken ergaben sich bei mir erst aufgrund der Diskussion.
Ich weiß von Sterbefällen, wo z.B. Angehörige flehten, der Betroffene möge doch noch schnell offiziell der Kirche beitreten. (Er ist mind. 10 Jahre zuvor aus Überzeugung ausgetreten.) Aber auch andere, wo in letzter Minute ein Verzeihen abverlangt wurde ....
Es entstand eine "Aufruhr" und "Hatz" und der Betroffene hatte nicht mehr die Kraft zu argumentieren.

Über diese Gedanken bekommt dein Gedicht für mich noch mehr Tiefe und eine ganz eigene Größe.

Liebe Grüße
Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
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Alt 30.10.2014, 18:22   #4
Erich Kykal
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Hi, Dana!

Heb mich auf kein Podest, das ich nicht mehr stemmen kann!

Was du erzählst, trifft den Nagel - in diesem Falle wohl den Sargnagel... - auf den Kopf: Gut gemeint, aber peinlich daneben!

LG, eKy
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Alt 30.10.2014, 18:30   #5
Dana
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eKy, ich schwimme. Was ist peinlich? Erklär es mir.

LG
Dana
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Alt 30.10.2014, 18:42   #6
Erich Kykal
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Na eben, wovon du in deinem Kommi erzählt hast: Dass man vom Sterbenden noch einen Kirchenbeitritt verlangt und derlei Scherze.
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Alt 30.10.2014, 20:08   #7
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Hi eky,

danke für deine Antwort, traf sie jedoch genau das, was ich nicht meinte. Es ging um die ,,wichtigeren Dinge", um deine Überschrift aufzugreifen, und um Größe. Für einen Tiefgläubigen z.B., der gerade stirbt, stellt sich doch nicht ernsthaft die Frage, wie er es mit Gott halten sollte. Auch stellt sich nicht ernsthaft die Frage nach dessen Verlogenheit oder der Verlogenheit der Seinigen, die um ihn versammelt sind. Er stirbt und ist im Mittelpunkt des Geschehens. Er mag u.U. soetwas wie Größe besitzen, wenn ert seine immanenten Gottergebenheit weiterhin aufrecht erhält, und der Atheist besitzt vielleicht Größe, wenn er sich bei dieser schwierigen Frage bis zum Schluss in der ernsthaften Auseinandersetzung treu geblieben ist und sich nicht von Todesangst und Zweifeln steuern lässt.
In Konzentrationslagern und Luftschutzbunkern wurde im Angesicht des unmittelbar bevorstehenden Todes oft gebetet. Das war psychologisch betrachtet tröstend und hat Kräfte mobilisiert. Ein Atheist betet in dieser Situation nicht, das ist doch klar. Oder vielleicht doch, um der Solidarität Ausdruck zu verleihen, und nicht um plötzlich einem Gott zu huldigen, ich weiß es aber nicht.
Die Einstellung in der Sterbesituation selbst wird vermutlich die gesamte Lebenseinstellung wiederspiegeln, und ist so betrachtet eher als Konsequenz, und weniger als eine Stärke des Momentes oder als Größe zu verstehen. Von daher kann ich dem als Stärke empfundenen Abgang des Protagonisten nicht ganz folgen.
Und wenn das Leben bis dahin in innerer Zerrissenheit zur Glaubensfrage gelebt wurde, dann entsteht genau das Chaos, wie es Dana beschrieben hat. Dann werden die Vorzeichen vielleicht noch einmal in letzter Sekunde durch Angst und Unsicherheit verändert, die sich sicherlich schon vorher latent durchs ganze Leben gezogen haben, weil man für sich keine abschließenden Antworten finden konnte.
Es ging mir bei dem Gedanken in meiner vorherigen Antwort mehr um die Größe und Rolle des Sterbebegleiters. Diese Rolle ist viel interessanter, weil sie weniger spekulativ ausgeleuchtet werden kann. Da wir hier noch aktive im Saft stehende Dichterlinge sind, wird diese Rolle wohl auch am ehesten auf uns zukommen und gefragt sein.
Dem sterbenden Atheisten sollte ebensowenig das Kreuz entgegengehalten werden, wie dem Gläubigen die Frage nach seiner ,,offensichtlichen Verlogenheit". Denn zu den wirklich ,,wichtigeren Dingen" gehört für mich der friedvolle Abschied, der über solchen Fragen stehen sollte. Und in diesem Zusammenhang wird mEA der atheistische Sterbebegleiter keine Kreide fressen oder Prinzipien verraten, wenn er die Bedürftigkeit des gläubigen Sterbenden erkennt und sich dieser unterordnet. Was soll daran verlogen sein, wenn ein starkes Gefühl vermittelt und geschenkt wird. Seinem hässlichen Kinde wird man sagen, dass es das schönste ist, und der alten Tante, die sich redlich abgemüht hat, wird man erklären, wie gut der fürchterliche Kuchen geschmeckt hat. Das gilt für den Theisten genauso in umgekehrter Sachlage. Für mich offenbart sich darin Größe. Und Ja, natürlich kann es dem Ablebenden etwas geben, wenn diesem das gemeinsame Gebet in seinem Leben wichtig gewesen ist, und er den Todesakt spirituell erleben kann. Das ist dann vielleicht gerade das Gemeinschaftsgefühl mit den Seinen, welches er erleben kann. Hier geht es doch nicht ums missionieren, ich bitte dich. Im Mittelpunkt sollten immer der Sterbende und seine Bedürfnisse bleiben. Und der wird sich in diesem Moment am wenigsten mit der Verlogenheit seines bemühten Begleiters auseinandersetzen, oder Glaubenserwartungen an seine Sterbebegleitung haben.
Für den anderen mag es darüber hinaus natürlich noch viel ,,wichtigere Dinge" als solche Ablebens-Sentimentalitäten geben, z.B. dessen eigene Fahne für seine Prinzipien und Überzeugungen hochzuhalten, und diese unsterblich werden zu lassen. Ist aber auch ok.
L.G.AZ

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Alt 17.02.2017, 17:11   #8
Erich Kykal
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Hi A-Z!

Ich fand zufällig wieder mal in diesen Faden und fand deinen letzten Beitrag, den ich damals gar nicht mitbekommen hatte.

In vielen Worten bestätigst du meine Ansichten, obwohl du zu glauben scheinst, ich hätte andere. Lies nochmal das Gedicht - vielleicht verwechselst du meine Reaktionen auf die Kommentare anderer mit dem eigentlichen Inhalt und der Kernaussage meines Gedichts.

Zudem geht es in meinem Gedicht NICHT um den/die Sterbebegleiter, dort gibt es nichtmal einen, zumindest in keiner aktiven Rolle, und seine Lieben würden sich nicht so bezeichnen.
Es geht um die Größe des Sterbenden, des sich Fügenden, der seine letzten Momente erkennt, akzeptiert und dennoch/immer noch zutifst er"leben" will - und sich eben NICHT mit möglichen Nachlebenskonstrukten oder deren Nichtexistenz beschäftigt, weil das den Moment entwertet hätte.
Von DIESER Größe ist die Rede ...

LG, eKy
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