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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 09.12.2012, 13:16   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard Zerbrochene

Wer sind wir, dass wir so geworden sind?
Dass wir in Streit und ewig Widerstreiten
einander Schande nur und Weh bereiten,
am Ungereiften reifend wie ein Kind?

Wir stolpern durch die Zimmerflucht der Zeiten.
Für jeden Raum, der um uns neu beginnt,
zerfällt ein anderer, sein Bild zerrinnt,
wo wir vergesslich über Trümmer schreiten.

Die Augenfenster sind uns eingeschlagen,
die Werte welk, die uns ins Morgen tragen,
wenn wir die Häupter voneinander wenden.

So vieles bliebe, doch nichts bleibt zu sagen,
wo wir Zerbrochene ins Leben ragen,
als eines nur: Auch dieser Schmerz wird enden.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (09.12.2012 um 13:19 Uhr)
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Alt 09.12.2012, 17:13   #2
Chavali
ADäquat
 
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Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Mitteldeutschland
Beiträge: 13.004
Standard

Hallo eKy,

das sind ganz ganz wahre und traurige Worte, die sehr eindringlich eine für jeden wohl
nachvollziehbare Situation beschreiben.
Wie oft wird man durch unbedachte oder böse Worte verletzt,
oder man verletzt selber.

Manchmal ist der eigene Stolz oder die eigene Sturheit größer als die Liebe zu einem Menschen.

Schon Goethe sagte einst:
Wir verletzen am ehesten die, die wir am meisten lieben.

Am besten gefällt mir Strophe 2, weil sie das Dilemma (für mich) am intensivsten darstellt:
Zitat:
Wir stolpern durch die Zimmerflucht der Zeiten.
Für jeden Raum, der um uns neu beginnt,
zerfällt ein anderer, sein Bild zerrinnt,
wo wir vergesslich über Trümmer schreiten.
Aber auch der weitere Text überzeugt.

So kann ich wieder einmal nur lobende Worte hinterlassen
und einen Gruß,
Chavali





__________________
.
© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*
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Alt 09.12.2012, 17:45   #3
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Beiträge: 8.570
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Hi, Chavi!

Vielen Dank für deine einsichtigen Worte und für das Lob.
Hatte gerade einen solchen unerquicklichen Disput woanders. Sinnlos obendrein, weil jeder ein durch die eigene selektive Wahrnehmung verzerrtes Bild des anderen hatte und so fröhlich aneinander vorbeigestritten und -geurteilt wurde.
Tatsache war, dass ich das fälschliche Bild von jener Person gern hatte und sympathisch fand, wodurch dessen Anwürfe, wie gerechtfertigt sie aus seiner Sicht auch gewesen sein mochten, dann natürlich umso schmerzlicher waren. Ob es umgekehrt ebenso war, kann ich nur vermuten.
Sei's drum, wir leben, um zu leiden. Wir leiden, um zu lernen. Wir lernen, um zu leben...usw. - ad finitum!:rolleyes

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
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Alt 10.12.2012, 23:25   #4
Dana
Slawische Seele
 
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Lieber eKy,
wir sind, wie wir geworden sind und bleiben dennoch wach für das, was wir nicht wollen oder wollten.
Wir handeln, reagieren und gestehen ein Verstehen des Gegenteils.
Wir überdaueren einen Schmerz, von dem wir wissen, dass es nicht weh tun wollte.
Das Bedürfnis, es ausgeprochen zu haben, bleibt oft auf der "Strecke".
Wir sind Zerbrochene, leiden darunter, wollen "heilend" einwirken und:

Zitat:
Zitat von Erich Kykal
So vieles bliebe, doch nichts bleibt zu sagen,
wo wir Zerbrochene ins Leben ragen,
als eines nur: Auch dieser Schmerz wird enden.
Ich bin nicht mehr "Kämpfer" genug, um etwas daran ändern zu müssen. Zu lange habe ich erfahren, dass es so ist, wie dein gutes und weises Sonett sich mitteilt und vermittelt. Nicht aufgebend - nein! Ich hoffe immer auf's Neue und schöpfe Kraft, wenn ich "Gleichgesinnten" begegne, die verstehen.
Die sind rar geworden und tauchen nur hin und wieder auf. Doch dieses Licht glimmt immer wieder auf. Nicht zuletzt über eine (deine) Lyrik, die ein Herzanliegen trifft, von dem wir träumen, es zu leben.
Warum können wir nicht, was wir wollen?

Bewegte Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
Dana ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.12.2012, 21:34   #5
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Servus Erich,

ein sehr solides Sonett ist das geworden.

Ich habe deine Antwort an Chavi gelesen und da mir die Vorgeschichte unbekannt ist, muss ich mich an den Text selbst halten.

Wer sind wir, dass wir so geworden sind?
Dass wir in Streit und ewig Widerstreiten
einander Schande nur und Weh bereiten,
am Ungereiften reifend wie ein Kind?


Tja, das ist die Frage.
Der Mensch ist letztlich immer die Summe aller seiner Erfahrungen und seiner vorhandenen Fähigkeiten, diese umzusetzen.
Wer kann schon eine Antwort darauf geben, wer kennt das Leben eines anderen so gut, daß er dies beurteilen kann?
Aber ich denke, Streit und Widerstreit gehören dazu, denn nur so ist es möglich, sich zu entwickeln.
In die eine oder in die andere Richtung.
Jeder hat die Wahl.

Wir stolpern durch die Zimmerflucht der Zeiten.
Für jeden Raum, der um uns neu beginnt,
zerfällt ein anderer, sein Bild zerrinnt,
wo wir vergesslich über Trümmer schreiten.


Diese Strophe hat mir ebenfalls sehr imponiert, denn dort liegt eine tiefe philosophische Wahrheit verborgen.
Zeit und Raum sind untrennbar miteinander verbunden und so wie die Zeit vergeht, erschafft sich auch der Raum immer wieder aufs Neue, denn die Dnge unterliegen ständigen Veränderungen, an die sich der Raum anpassen muss.
Und somit stellt eigentlich jede Zeiteinheit, wenn man das einmal so sagen darf, einen veränderten Raum vor, denn die Gegenwart ist gleich schon Vergangenheit und es bleiben tatsächlich nur Fragmente über, die nach und nach in Vergessenheit versinken.

Die Augenfenster sind uns eingeschlagen,
die Werte welk, die uns ins Morgen tragen,
wenn wir die Häupter voneinander wenden.


Was kann man dagegen tun?
Wenn einem aus der eigenen Sicht heraus "Unwahrheiten" begegnen, sollte man diesen auch entgegentreten, wenn man davon überzeugt ist, das Richtige zu tun. Ob das immer weise ist, stellt eine andere Frage dar, doch wenn du etwas zu sagen hast und zudem die Fähigkeit dazu besitzt, es auszusprechen, dann solltest du das auch nutzen.
Natürlich sind Morgen diese Werte nichts mehr wert, aber unser Heute ist, so glaube ich, etwas weiter definiert und nur wer im Heute etwas verändert, kann zum Morgen beitragen.
Aber die Häupter darf man selbstverständlich nicht voneinander wenden, das ist der Tod einer jeden Kommunikation.
Sehr schön hier das Bild der zerbrochenen Augenfenster, tolle Idee.

So vieles bliebe, doch nichts bleibt zu sagen,
wo wir Zerbrochene ins Leben ragen,
als eines nur: Auch dieser Schmerz wird enden.


Ja, manchmal ist es schmerzhaft zu erfahren, wie es sich anfühlt, aneinander zu zerbrechen.
Doch die Zeit heilt alle Wunden, nicht wahr?
Und die, die nicht verheilt sind, nimmt dann eines Tages doch noch der Gevatter mit.
Und was bleibt da noch zu sagen?

Außer vielleicht:

Das ist ein sehr schönes Sonett, welches ich gerne gelesen und kommentiert habe...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



Falderwald ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.12.2012, 01:22   #6
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Dana und Faldi!

Vielen Dank für eure ausführlichen Gedanken!
Dies ist eins der wenigen Sonette, bei denen ich alle Regeln eingehalten zu haben glaube - aber ein beschlagener Purist wird sicherlich noch was finden, wofür er mich steinigen kann!

Egal - es gefällt mir so, wie es ist!

LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
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