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Alt 27.09.2014, 21:59   #1
Cebrail
verkannt
 
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Ort: Wo der Himmel die Erde berührt
Beiträge: 332
Standard wieder mal (mein schwarzer Hund)

.


wieder mal
(mein schwarzer Hund)

Da bist du.
Wieder mal.
Unverhofft, wie oft und kratzt mit leisen Pfotenstrichen an der Tür.
Ich öffne dir; weil ich weiß, dass du sonst das niederreißt, was ich still meine Festung nenne oder weil ich nicht mehr rennen will und kann, da du ja doch am Ende dann, der Schnellere bist und nie vergisst was Treue ist.

Ich weiß noch wie du zu mir kamst, du lagst in einem Korb vorm Weihnachtsbaum und brachtest mir den Wintertraum, die ersten Kindertränen, die Mama nicht verstand, wenn sie mich weinend fand. Unter dem Tisch, wieder mal, im Jammertal.

Ich erzählte ihr vom Stein im Bauch und sagte auch, dass ich verloren ging, mich nicht mehr finden kann und von dem schwarzen Hund, den sie nicht sah, der aber war und heute wahrer ist.

Und du kamst und gingst, gleich wie es dir gefiel, ließt schon mal einen Kindersommer lang verstreichen, ohne jedes Zeichen von dir. (Nicht mal deine Nase in der Tür, als Oma ging.)
Wenn du wieder kamst, warst du größer als jede Erinnerung, dein Fell schwärzer als alles Dunkel; doch vertraut und weich wie der alte Pulli im Schrank.

Ich habe dir nie einen Namen gegeben und doch bist du Teil meines Lebens (wenn nicht gar das Leben selbst), der Herzschlag und Atem vieler Nächte und Tage, die ich manches mal kaum ertrage und ich frage nach einem Sinn, dem Wohin und all dem Scheiß von dem ich gerade, wieder mal, das Wort nicht weiß.

Mit den Jahren bliebst du immer länger und es gab kaum eine Zeit in der du mehr als einen Schritt weit von meiner Seite gewichen bist, in der du nicht in meinem Schatten schlichst, bis du schlicht zu diesem wurdest.

… und ich mied jedes Licht, da ich dachte du zerbrichst, wenn ich dich nicht sehen kann, vergaß das Spüren dann, das aus der Dunkelheit ein Dunkelweit in meinem Herzen machte, mich zerlachte und taub werden ließ für alles drumundherum.

Wir gingen zu zweit (oder blieben einfach liegen und betrachteten die Fliegen an der Wand) durch die Welt oder die Welt durch uns.
Wie auch immer, was ist schlimmer?
Dann legten sie mich unter Glas, nahmen mir jeden Spaß und gaben mir ein Egal, was auch total in Ordnung war - für den Moment.
Was nicht brennt wird keine Asche werden und von unten betrachtet ist alles groß.

Irgendwann zog ich los, ging zu den schlauen Leuten, die begannen mich zu Häuten, Schicht um Schicht und richteten ihr Licht auf all die dunklen Flecken, um zu wecken was tief in mir wohnte oder lastend auf den Schultern thronte.
Sie zeigten mir dein Gesicht, sagten: „Fürchte dich nicht, schau in die Augen die tief sind wie das Meer und sag diesem Hund wer der Herr und Meister ist.“

Heute kann ich leicht dein Fell berühren, dich streicheln, spüren und führen, nicht immer aber immer wieder mal und dir die Größe nehmen, aufhören mich zu schämen dafür, dass du mein Schatten bist - und manchmal an mir mir frisst und nagst.
Vielleicht, weil du mich ein wenig magst?
Wie ich dich.
Nicht immer, aber immer wieder mal und mehr.
__________________
© auf alle meine Texte

„Mir gefiel der Geschmack von Bier, sein lebendiger, weißer Schaum, seine kupferhellen Tiefen, die plötzlichen Welten, die sich durch die nassen braunen Glaswände hindurch auftaten, das schräge Anfluten an die Lippen und das langsame Schlucken hinunter zum verlangenden Bauch, das Salz auf der Zunge, der Schaum im Mundwinkel.“
Dylan Thomas
Cebrail ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.09.2014, 17:55   #2
Chavali
ADäquat
 
Benutzerbild von Chavali
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Mitteldeutschland
Beiträge: 13.004
Standard

Hi Cebi,

wieviel Verletzlichkeit und ungelebte Gefühle diese Geschichte transportiert!
Ein schwarzer Hund als Synonym und Trost für Traurigkeit, Angst, Deprimiertheit und Ausgeschlossensein.

Diese Geschichte hat mir sehr gefallen.
Ich las sie mit Gänsehautgefühl.


Lieben Gruß, katzi
__________________
.
© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*
Chavali ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.10.2014, 20:16   #3
Falderwald
Lyrische Emotion
 
Benutzerbild von Falderwald
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 9.912
Standard

Hi Cebrail,

interessante Geschichte und irre Umsetzung, so etwas habe ich in dieser Art auch noch nicht gelesen.

Wie soll ich das beschreiben? Gereimte Prosa?

Der Protagonist erzählt eine bedrückende Geschichte über einen dunklen Teil seines Lebens und wie er damit umgegangen ist, bzw. wie lange dieser sein Leben beherrschte, bis er lernte, damit umzugehen.
Letztendlich muss man sich selbst mögen, um alle alle Teile seines Selbst verstehen und akzeptieren zu können.

Da muss jeder für sich alleine durch, denn ein solches "Trauma" ist immer etwas sehr Persönliches.

Diese Geschichte ist abwechslungsreich, interessant und macht nachdenklich, denn so einen kleinen schwarzen Hund trägt wohl jeder mit sich herum.


In diesem Sinne gern gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



Falderwald ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.11.2014, 02:24   #4
Cebrail
verkannt
 
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Ort: Wo der Himmel die Erde berührt
Beiträge: 332
Standard

he katzi,
danke für deinen besuch und deinen eintrag hier.

Zitat:
wieviel Verletzlichkeit und ungelebte Gefühle diese Geschichte transportiert!
Ein schwarzer Hund als Synonym und Trost für Traurigkeit, Angst, Deprimiertheit und Ausgeschlossensein.
du triffst es ziemlich gut.
ich habe ja auch noch parallel zu diesem text den kleinen film der mich dazu angeregt hat gepostet.

Zitat:
Diese Geschichte hat mir sehr gefallen.
danke dafür.

Zitat:
Ich las sie mit Gänsehautgefühl.
was will ich mehr?

und vielleicht denkt ja mal der eine oder andere mal über diese krankheit nach und verkneift sich ein "nun reiß dich doch mal zusammen".

einen lieben gruß

c.





hallo faldi,
auch dir ein dankeschön für deinen kommentar.

Zitat:
interessante Geschichte und irre Umsetzung, so etwas habe ich in dieser Art auch noch nicht gelesen.

Wie soll ich das beschreiben? Gereimte Prosa?
das "irre" mag ich sehr , danke.
eigentlich sollte es mal ein gedicht werden, dann fand ich es aber doch ein wenig zu viel für ein gedicht und ich dachte mir, ich erzähle es als geschichte und trage es als poetry slam vor, leider gibt es zur zeit keinen slam mehr hier im ort.

und wie man es beschreiben kann?

als eine gedichte?

keine ahnung wie man es nennen könnte, vielleicht fällt ja jemanden was ein.

Zitat:
Der Protagonist erzählt eine bedrückende Geschichte über einen dunklen Teil seines Lebens und wie er damit umgegangen ist, bzw. wie lange dieser sein Leben beherrschte, bis er lernte, damit umzugehen.
Letztendlich muss man sich selbst mögen, um alle alle Teile seines Selbst verstehen und akzeptieren zu können.
ich denke die akzeptanz sich selbst gegenüber ist einer der wichtigsten faktoren um damit klar zu kommen.


Zitat:
Da muss jeder für sich alleine durch, denn ein solches "Trauma" ist immer etwas sehr Persönliches.
darauf antworte ich mal mit einem jain, denn viele schaffen es nicht alleine aus so einer situation heraus zu kommen und benötigen hilfe oder zumindestens jemanden der die richtung weisen kann, hilfestellung gibt erkennen hilft und eben erklären kann, dass man sich selber akzeptieren muss.

Zitat:
Diese Geschichte ist abwechslungsreich, interessant und macht nachdenklich, denn so einen kleinen schwarzen Hund trägt wohl jeder mit sich herum.
es freut mich sehr wenn du den text interessant nennst und es zum nachdenken angeregt hat und ja, viele haben so einen hund bei sich, nur manchmal ist es eben eine dogge .

danke für deinen kommentar.

einen lieben gruß
bis neulich

c.
__________________
© auf alle meine Texte

„Mir gefiel der Geschmack von Bier, sein lebendiger, weißer Schaum, seine kupferhellen Tiefen, die plötzlichen Welten, die sich durch die nassen braunen Glaswände hindurch auftaten, das schräge Anfluten an die Lippen und das langsame Schlucken hinunter zum verlangenden Bauch, das Salz auf der Zunge, der Schaum im Mundwinkel.“
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