28.10.2011, 19:22 | #1 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Jenseits des Strandes
Jenseits des Strandes
Im Meer, wo sich Wellen in Wellen verweben, wo Winde aus Wellen sich Salzprisen heben, wo Böen mit Möwen sich spielend vergnügen, wo sehnsuchtsvoll Blicke mit Wolken entfliegen; im Meer schwebt die Ruhe in endloser Ferne, wo Sonnen versinken und herrliche Sterne, wo jenseits des Sehens, wo jenseits der Klarheit die Schöpferkraft lebt und die ewige Wahrheit. Geändert von Thomas (15.07.2014 um 11:26 Uhr) |
29.10.2011, 16:52 | #2 | |
ADäquat
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Hallo Thomas,
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30.10.2011, 11:06 | #3 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Guten Morgen, Thomas,
ein interessantes Gedicht, das ich einmal aus verschiedenen "Blickwinkeln" betrachten möchte. Es ist eine Beschreibung, die mich an japanische Dichtkunst erinnert, denn der "Beobachter" beschreibt seine Wahrnehmung (sehr poetisch), aber er bezieht erst in den letzten beiden Versen "Stellung", indem er einen metaphysischen Aspekt hinzufügt. Dennoch "führt" das Gedicht den Leser nicht an ein "konkretes Ziel", hier stimme ich Chavali bei, eine direkte Conclusio ist nicht vorhanden. Sehe ich mir das unter einem philosophischen Aspekt an, kann ich die Kausalität erkennen. Es ist ein Irrtum, zu glauben, Kausalität läge vor, wenn die Prämisse eine Conclusio erzeugt; Kausalität liegt vor, wenn die Prämisse ohne Conclusio nicht in sich "zusammenfällt". In dieser Hinsicht kann ich daher sagen: Das Gedicht enthält keine unmittelbare Conclusio, allerdings "besteht" die Aussage(logik) für sich. Hier ist sie gewissermaßen in das Gedicht "eingewoben", denn betrachte ich dieses als Gesamtheit, dann wird hier das Meer als der "Ort" beschrieben, in dem das Leben (metaphorisch steht dafür auch die "Bewegung" von Wind und Wellen) "zu Hause ist". "Jenseits des Strandes, jenseits des Sehens, jenseits der Klarheit" - leben Schöpferkraft und Wahrheit. Wobei natürlich auch das Meer hier als Metapher stehen kann. Die Wahrheit, die Schöpferkraft - "wohnt" in der "Unendlichen Weite"; am Strand stehend, "klar" denkend oder nur "physisch" sehend kann sie nicht "gefunden werden". Wobei Prämisse und Erkenntnis natürlich hier rein metaphysisch und nicht (empirisch) logisch sind, aber in dieser Hinsicht ist eine Conclusio "vorhanden". (Es gibt auch etwas, das sich "emotionale Logik" nennt.) Allerdings hat Chavali recht: Eine Conclusio, wie sie (üblicherweise) bei Gedichten zu finden ist, besitzt das Werk nicht; auch mir erschien es anfangs, als ob "etwas fehlte". Aber ich fand es sehr reizvoll, nach der "Versteckten" zu suchen. Was die von mir erwähnte "poetische Wortwahl" betrifft, weist das Gedicht (das ist nun wieder überhaupt nicht japanisch) einige Personifikationen auf (nicht zu verwechseln mit Personfizierungen, das ist etwas anderes). Wellen "verweben" sich mit Wellen, Winde "heben" sich Salzbrisen, Böen "vergnügen" sich "spielend" mit Möwen, Blicke "entfliegen mit Wolken" und die Ruhe "schwebt". Übrigens ein Kompliment, sehr schön, diese Darstellungen. Auch die Alliterationen sind harmonisch ins "Ganze" eingefügt. Sehr schön auch "Wellen in Wellen" (Repetitio) und dazu gleich im nächsten Vers "Winde aus Wellen" (erinnert mich an ein Hendiadyoin "Wind und Wellen=Meer"; ebenfalls fiel mir "in-aus" auf). Nicht zu vergessen, die Anapher mit "(wo) jenseits". Nun "schiebe" ich das beiseite, und lasse das Gedicht im poetischen Sinne auf mich wirken. Dabei kann ich mir das Meer "bildlich vorstellen", und die sehr schönen Formulierungen lassen mein "lyrisches Auge" über dem "Meer schweben". Ich "spüre" den Wind, "sehe" die Wellen, betrachte das "Spiel des Windes mit der Möwe", "sehe" die Wolken und das prachtvolle Farbenspiel des Sonnenuntergangs; ich genieße die "Ruhe", genieße das Empfinden der "Weite" und sehe mir die Sterne an, die sich im Meer widerspiegeln. Ja, aus dem Meer stammt das Leben, dort ist es auch "zu Hause". Im lyrisch-poetischen Sinne erlaube ich mir, "mit zu schweben" und diese Freiheit zu genießen - mit einem "Gefühl", das ich fast als eine Art "Ehrfurcht" empfinde. Was sich mit der metaphysischen Betrachtungsweise "deckt". Da ich (ganz persönlich) nicht an einen personifizierten Gott glaube, verstehe ich die "Schöpferkraft" und das "jenseits (des Realen)" als "Quelle, Ursprung", dessen "Wesen" von uns nicht erfasst oder verstanden werden kann. Dennoch ist es "da" - denn das Leben ist es auch. Und natürlich "übersehe" ich auch nicht den "Wellengang" des Metrums. Der vierhebige Daktylus mit Auftakt (Amphibrachys) passt hier sehr schön. Gerne gelesen und kommentiert. Liebe Grüße Stimme
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31.10.2011, 19:04 | #4 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Beiträge: 3.375
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Hallo Chavali und Stimme der Zeit,
vielen Dank für eure Kommentare. Stimme der Zeit hat Chavalis Frage bereits besser beantwortet, als ich es selbst getan hätte. Ja, Gott kommt genau auf die 'unpersonifizierte' Weise ins Spiel, die Stimme erwähnt, und das Ende ist offen, wie das Meer. Ich fühle ich mich von euch gut verstanden, wobei mich die Ausführungen von Stimme der Zeit in Erstaunen versetzt und sehr erfreut haben. Es ist ein schönes Gefühl, wenn ein eigenes Gedicht so einfühlsam und 'punktgenau' kommentiert, ja erklärt, wird. Das Gedicht entsteht ja zum Teil recht unbewusst. Jedenfalls ist das bei mir so. Ich denke darüber nach, aber nicht über das Gedicht an sich, sondern über die Fragen und die Idee, und nachdem es eine Weile gekocht hat, kommt etwas zum Vorschein, an dem ich nur noch wenig feilt kann - wenn ich es nicht ganz verwerfen muss. Der Kommentar von Stimme ist wie eine Art Rückschau auf die Entstehung des kleinen Gedichts und ich weiß nicht was höher zu schätzen ist. Vielen Dank Thomas |
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