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27.11.2011, 18:13 | #1 |
Gelegenheitsdichter
Registriert seit: 09.11.2009
Ort: Im Wilden Süden
Beiträge: 3.210
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Schlingensiepe und die Halbwertzeit
Schlingensiepe und die Halbwertzeit
Schlingensiepe, ganz ernüchtert, Von der Diskussion verschüchtert, Hat die Hose richtig voll. Himmel, es steht nicht so toll Um den Euro und das Alter. Um das Haus weht schon ein kalter Wind von Schicksal und von Angst. Wenn Du um Dein Sparbuch bangst, Um das, was zurückgelegt, Wenn sich nichts mehr schmerzlos regt, Was an Körper ist geblieben, Bist Du durch die Zeit getrieben, Hast das Leben recht genossen Und Dein Pulver fast verschossen, Sehnst nach Stille Dich und Ruh, Machst bald Deine Augen zu: Dann wird’s Zeit, um sich zu sorgen, Weiß er, ernsthaft um das Morgen. Halber Schein ist ganzer Schein, Ist der Schein auch noch so klein. Lieber als den blöden Euro, Den man tituliert als Teuro, Möchte er die D-Mark haben, Die mit ihren milden Gaben, Die hat Omma schon gespart. Sie war sicher, sie war hart. Das gab damals richtig Zinsen, Denkt er und muss dabei grinsen. Heute aber gibt’s nur Steuern, Die das Leben stets verteuern. Und die Nachbarn schlemmen heftig, Finanzieren dieses kräftig Stapelweis mit neuen Schulden. Er muss sich jedoch gedulden, Bis nach jenen ollen Griechen Auch noch andre furchtbar siechen. Schluss mit dieser Halbwertzeit! Er ist die Debatten leid. Mögen sie auch noch so lästern, Er will schnell zurück ins Gestern, So als wär mit den Chinesen Und den Indern nichts gewesen, Als wär alles wie vor Jahren, Wo wir die Weltmeister waren In Export und Produktion. Ist vorbei, wen juckt das schon: Ihm ist das doch schnurz wie Piepe, Denkt vernagelt Schlingensiepe.
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Dichtung zu vielen Gelegenheiten -
mit einem leichtem Anflug von melancholischer Ironie gewürzt Alle Beiträge (c) Walther Abdruck von Werken ist erwünscht, bedarf jedoch der vorherigen Zustimmung und der Nennung von Autor und Urheberrechtsvorbehalt Geändert von Walther (27.12.2011 um 16:27 Uhr) |
21.12.2011, 20:29 | #2 | |
Erfahrener Eiland-Dichter
Registriert seit: 15.03.2011
Ort: Stuttgart
Beiträge: 1.836
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Hallo, Walther,
ich nehme mir erst mal deine "Schlingensiepe"-Gedichte der Reihe nach vor, ich habe aber auch deine anderen Gedichte bereits gelesen, ich möchte hier nur erst mal "vorläufig abschließen". Schlingensiepe weiß also nicht nur alles besser, er ist auch einer von den "Ewig-Gestrigen". Früher war alles besser, heute ist alles schlecht. Wobei er, wie alle seiner Sorte, etwas geflissentlich ignoriert: Würde man (rein hypothetisch) einen "Zeitsprung" in das "gelobte Gestern" machen und einen "Damaligen" über die "aktuellen Gegebenheiten" befragen, dann bekäme man mit großer Sicherheit Folgendes zu hören: Früher war alles besser! Jede Zeit hat ihre Vor- und Nachteile. "Früher" - was heißt das überhaupt? War der "kalte Krieg" besser? (Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich als Jugendliche ernsthaft Angst vor einem Atomkrieg hatte.) War durch verseuchte Blutkonserven übertragenes Aids besser? War der Vietnamkrieg besser? Waren die großen Hungernöte in der Sahelzone und im Süden der Sahara besser? War der rapide Anstieg des Drogenkonsums besser, der teilweise z. B. in der US-Armee für katastrophale Zustände sorgte? (Man bedenke, die saßen an den "gewissen Knöpfen"!) Waren die hohen Inflationsraten in den 70er und 80er Jahren besser? Wohl nicht, würde ich sagen. Aber das selektive Gedächtnis der "Schlingensiepes" vergisst so etwas sehr schnell und sehr gerne. Auch damals war nicht alles "Gold was glänzt". Und egal, wie weit man in der "Geschichte" zurückgeht: Jede Zeit hatte ihre "eigenen" Missstände. Aber uns "berühren" nur die aktuellen, und da Oma und Opa gerne die "schönen" Geschichten von früher erzählen ... Bitte nicht missverstehen - ich bin weit davon entfernt, die heutigen Probleme "kleinzureden" oder zu beschönigen. Sie sind real - und vieles liegt im Argen! Nur, der Vergleich mit der Vergangenheit, der hinkt. Und auch nur das wollte ich darstellen. Fakt ist auch, dass das wirkliche Problem nicht der Euro selbst ist, sondern das, was "dahinter steckt". Und dahinter steckt ein Weltwirtschaftssystem, das langsam, aber sicher den "Bach runtergeht" - weil es falsch konzipiert wurde, auf unbegrenztes, ständiges Wachstum hin, was einfach nicht auf Dauer funktionieren kann. Das ging eine ganze Weile gut (nicht zuletzt, so makaber das klingen mag, aufgrund der beiden Weltkriege), aber die "elegante Fassade" ist schwer am Bröckeln ... Denn die "gefühlte" Verteuerungsrate ist weit höher als die tatsächliche. Und woran liegt das? Daran, dass Lebensmittel, Strom, Wasser, Gas, Mieten etc. teurer wurden - aber "Luxusgüter" kaum oder sogar billiger. Und die Verteuerung der "alltäglichen Gebrauchsgüter" spürt jeder, wogegen nicht jeder "Luxuswaren" kauft. Und die Ursache für diese "Differenz" ist wirtschaftspolitisch zu suchen - der Euro ist ein Symptom, nicht die Krankheit. Im Grunde genommen sind Italien und Griechenland ebenfalls Symptome, so wie die Bankenkrise und das Finanzdebakel der USA auch. Aber da wird nur "hin- und hergeschoben", bemäntelt, herausgeredet und beschönigt - dabei wäre es allerhöchste Zeit, ernsthaft etwas zu unternehmen. Aber - genauso wurde von der Politik auch "früher" vorgegangen ... womit wir wieder da wären, wo mein Kommentar anfing. Ich gehe jetzt absichtlich auf das "Formale" ein, denn das ist bei mir immer ein "Reizthema". Du hast ein paar "Stolpersteine" drin (nicht so schlimm, zurechtlesen geht), aber ein Vers hat wirklich einen Fehler: Zitat:
Weltmeister - Xxx Also betont sich der Vers eigentlich: Wo wir die Weltmeister waren - XxxXxxXx Als "Ersatz" kann ich nichts anbieten, das keine unschöne Inversion wäre, und du weißt ja, ich schreibe keine Inhalte um, wenn es nicht mein eigenes Gedicht ist (das halte ich einfach für falsch). Daher merke ich es nur an, damit du diesen Vers noch einmal überdenken kannst. Gerne gelesen und kommentiert. Liebe Grüße Stimme
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27.12.2011, 17:31 | #3 |
Gelegenheitsdichter
Registriert seit: 09.11.2009
Ort: Im Wilden Süden
Beiträge: 3.210
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Lb. Stimme der Zeit,
Schlingensiepe wandelt auf des Messers Schneide, immer am Abgrund entlang und droht ständig abzustürzen. Das ist sein Schicksal. Nichts nimmt er ernst, denn würde er ernst genommen, wäre er nicht mehr auf der Höhe des Geschehens. In der Tat kann man also lesen, was man liest. Man könnte aber auch der Ansicht sein, das Schwadronieren sei übertrieben und eigentlich sei das Gegenteil gemeint. Da es sich um intelligenten Bänkelsang handelt, müssen die Versmaße nicht immer stimmen. Sie dürfen auch gegen den Sprachfluß getaktet sein. Das erhöht die Ironiekapazität eines Verses. Finde ich wenigstens, ohne mich damit exkulpieren zu wollen, denn Verbesserungen sind immer möglich, und ich werde die Hinweise wohl wägen. Schließlich sind sie aus berufenem Munde! Weihnachts- und Neujahrsgrüße W.
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28.12.2011, 16:33 | #4 |
Schüttelgreis
Registriert seit: 02.11.2011
Beiträge: 954
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Lieber Walther,
du hast ja schon das Wesen Schlingensiepe beschrieben, brauch ich darauf nicht einzugehen. Interessant finde ich den Hinweis auf den Bänkelsang. Ich habe früher auch Texte für Couplets geschrieben, da darf man durchaus gegen die die Metrik arbeiten, damit es nicht leiert. Auch wenn der Hinweis der Stimme berechtigt ist, würde ich den Text so lassen. LG Fridolin |
29.12.2011, 18:43 | #5 |
Gelegenheitsdichter
Registriert seit: 09.11.2009
Ort: Im Wilden Süden
Beiträge: 3.210
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Lb. Fridolin,
danke für Deinen Eintrag. Ich bin kein Kabarettist, aber das ist schon in diese Richtung tendierend, was ich da schreibe. Der Zyklus hat inzwischen einen Namen: "Schlingensiepes Welt des Wunderns". LG W.
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