11.12.2011, 13:09 | #1 |
Gelegenheitsdichter
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Weltwort
Weltwort
Es sprach aus ferner Zeit sich mir ein Wort Ins Ohr und wollte erst mal länger bleiben; Es bat mich, dies und es hier zu beschreiben, Und sagte sich dahin, als flög es fort Und käm nie mehr zurück an jenen Ort Des ersten Kennenlernens. Welches Treiben Durchfließt den Wintermorgen: Augenreiben, Ein müdes Dehnen, Weihnachtstage, Mord Am In-sich-Ruhen, Zu-sich-Finden, und Den Hauch von Nebelatem blasen Winde So schnell hinweg wie Phrasen meinen Mund Verlassen. Ob ich’s jemals wiederfinde, Das eine Wort, das Welten ganz macht, rund? Es drückte aus, was nicht nur ich empfinde.
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Dichtung zu vielen Gelegenheiten -
mit einem leichtem Anflug von melancholischer Ironie gewürzt Alle Beiträge (c) Walther Abdruck von Werken ist erwünscht, bedarf jedoch der vorherigen Zustimmung und der Nennung von Autor und Urheberrechtsvorbehalt Geändert von Walther (18.12.2011 um 17:37 Uhr) |
11.12.2011, 13:52 | #2 |
asphaltwaldwesen
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ein für mich ganz eigenartig sprach-vertechnisierter text, walther.
er liest sich durch die teilweise heftigen enjambements nur mühsam. leider. gradezu erstaunlich, wie wenig flüssig das gedicht sich trotz stimmigen metrums nur lesen lässt. normalerweise ist es ja immer andersrum. ich nehme aber an, es liegt daran, dass sich der satzbau so überhaupt nicht um die zeilen oder strophen kümmert. ist das so gewollt? staunende liebe grüße fee |
11.12.2011, 15:20 | #3 | |||
Erfahrener Eiland-Dichter
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Hallo, Walther,
fee fragt sich das gleiche, was ich mich anfangs bei deinen Gedichten auch öfter fragte. Mittlerweile weiß ich, dass bei dir nicht nur jedes Wort Absicht ist, sondern auch dessen jeweilige "Platzierung". Da ich selbst der Ansicht bin, dass Struktur und Form eines Gedichts häufig (leider) sehr unterschätzt werden, verwende ich zwar nicht dieselben, aber auch "formale Kniffe", um den Inhalt zu "unterstreichen" oder in eine bestimmte Richtung zu lenken. Hier, so wirkt es auf mich, hast du ein "kantiges" Gedicht geschrieben, bei dem sich die Sprache um "Ecken biegt". Und, abgesehen von dem "Sperrigen", ergeben sich auch andere "Sinnbezüge" beim Lesen. Ein Beispiel: Zitat:
Lese ich im nächsten Vers weiter, wird das wieder "harmlos" - ach so, es ist "nur" der "Mord am In-sich-Ruhen" gemeint. Ja, jetzt passt das wieder. Raffiniert und gut gemacht! Auch dieses Enjambement ist gut: Zitat:
Ich habe mich im web mal auf die "Suche" nach dem Begriff "Weltwort" gemacht, allerdings fand ich wenig Sinnvolles oder Überzeugendes - von ein paar Ausnahmen abgesehen. Einmal wurde (ja, wirklich, kein Witz ) "lol" als Weltwort bezeichnet. (Ich sage da nichts weiter dazu.) Allerdings fand ich auch Bedeutsameres. Bei einem Link stieß ich auf ein Gedicht von Kurt Tucholsky, das ebenfalls "Weltwort" heißt. Nun ja, im Grunde genommen ist das Wort, von dem er schrieb, durchaus ein Wort, das wohl wirklich "global" als Schimpfwort verwendet wird. Jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, dass es eine Sprache gibt, in der es als "Kompliment" verwendet wird. Auf diese Weise betrachtet "macht es die Welt", wenn auch eher sehr ironisch betrachtet, doch irgendwie "rund", denn "Gemeinsamkeiten einen" - oder so ähnlich. Eine weiteren, sehr, sehr interessanten Link bezüglich "Weltwort" fand ich noch. Darin war die Rede von einem Buch, mit einem Textauszug. Dort handelte es sich um einen Deutschen, der Urlaub in Avignon machte. Während seines Besuchs des Papst-Palastes traf er mit einem Juden (Semiten? Israeliten? - irgendwie scheint jede Bezeichnung in einem negativen Kontext zu stehen, ich bin da meist etwas "ratlos" ) nordafrikanischer Abstammung zusammen. Beide versuchten, sich mit "Händen und Füßen" zu unterhalten, aber Namen wie "Thüringen" oder "Weimar" sagten diesem nichts. Als aber das Wort "Buchenwald" fiel, kam die Antwort: "Ah, Bükenwald!" Das spricht Bände - und lässt uns schon ziemlich schlucken, nicht wahr? Dein Gedicht lässt nicht nur völlig offen, um welches Wort es sich als "Weltwort" handelt, sondern auch, ob es nun negativ oder positiv konnotiert ist. Auch das ist hervorragend gemacht. Auf jeden Fall ist es ein Wort, das gerne länger geblieben wäre, aber sich trotzdem gleich wieder "verflüchtigt" hat, wie "Nebel". Was wohl eher am LI als am Wort liegt. Das LI kann, wie die meisten Menschen, wohl nichts "länger festhalten", die Gedanken schweifen schnell wieder ab. Ja, wir vergessen schnell, erteilen selbst wichtigen Dingen oft nur sehr flüchtige Aufmerksamkeit. Ob nun im positiven oder negativen Sinne. Etwas "Formales" noch: Zitat:
So schnell hinweg wie Phrasen meinen Mund Verlassen. ... Die Bedeutung ändert sich nicht, aber die Betonung ist dann eindeutiger, es liegt sich "flüssiger". Ist nur ein Vorschag zur Güte, den du selbstverständlich nicht annehmen musst. Gerne gelesen und kommentiert. Liebe Grüße Stimme
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11.12.2011, 21:50 | #4 | |
asphaltwaldwesen
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schon interessant, wie sehr sich da die sichtweisen unterscheiden können.
und grade in einem nicht-messbaren bereich wie hier, wo es kein richtiger oder fälscher gibt. ich betrachte mich nämlich sehr wohl als auch in der lage, form und und struktur - auch wenn ich nicht alles mit den exakten fachausdrücken benennen kann - als bestandteile und bildende mittel (zusätzlich zum verworteten inhalt einer aussage) in einer einschätzung eines textes wahrzunehmen und mitzuberücksichtigen. auch die vorhandenen "absichten". unterschätzen eines autors, seines werkes oder einer idee gehört nicht zu meinen eigenschaften. schon allein deshalb, weil ich auf etliche jahre beschäftigung mit und studium von kunst zurückblicke. und so komme ich beispielsweise gerade bei den Zitat:
eine ignorierte (!) selbst gewählte (!) form und inhaltlich nicht gerechtfertigt überreizte "kniffe" lenken von einer aussage ab und machen orientierung eher schwerer. oder erzeugen gewaltige worthülsen, die mit vergleichsweise wenig inhalt befüllt sind. enjambements, die - wie hier - ein lesen derart erschweren, können noch so beabsichtigt und nach eigenem konzept "gekonnt" gesetzt sein - wenn der leser gezwungen wird, sich derart zu verdrehen, um etwas heraus- oder besser hinein(?)zulesen, dann fragt sich, wo noch das "rechte maß" anzusetzen ist, um von einem gelungen oder misslungenen konzept (und somit werk) zu sprechen. für mich stellt sich diese frage zumindest. wie stimmes kommentar aber mit durchaus fundierter begründung (die ich persönlich aber nicht auf dieses werk als zutreffend sehe) zeigt, sieht eben doch jeder etwas anderes in derart "frei auslegbaren" und gewagt konstruierten werken. ob es da jetzt darum gehen kann, dass einer mehr, der andere weniger in der lage ist, solches zu "lesen", sei dahingestellt. dass es bei beschäftigung mit lyrik/kunst darum geht, einen autor in dessen ganz eigener art wohlwollend "lesen können zu wollen" allerdings sehe ich hier großartig demonstriert. fee |
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11.12.2011, 23:22 | #5 | |||
Erfahrener Eiland-Dichter
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also mir "rumpelts" da auch irgendwie zu viel.
deshalb will und will da beim lesen auch keine rechte stimmung aufkommen, obwohl es durchaus passagen gibt, die das zeug dazu hätten. hier z.b.: Zitat:
Zitat:
da hakt es doch ganz besonders: Zitat:
da fließt nichts - und gerade das sollte ein gedicht zum thema weltenwort ( "logos" ) doch tun. schade. mehr erhofft, als bekommen. möglicherweise war das die absicht des autors? im rätsel verbleibend, larin
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12.12.2011, 11:03 | #6 |
Gelegenheitsdichter
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Hallo in die Runde,
ich mache mal ein Experiment: Es sprach aus ferner Zeit sich mir ein Wort ins Ohr und wollte erst mal länger bleiben; es bat mich, dies und es hier zu beschreiben, und sagte sich dahin, als flög es fort und käm nie mehr zurück an jenen Ort des ersten Kennenlernens. Welches Treiben durchfließt den Wintermorgen: Augenreiben, ein müdes Dehnen, Weihnachtstage, Mord am In-sich-Ruhen, Zu-sich-Finden, und den Hauch von Nebelatem blasen Winde so schnell weg, wie die Phrasen meinen Mund verlassen. Ob ich’s jemals wiederfinde, das eine Wort, das Welten ganz macht, rund? Es drückte aus, was nicht nur ich empfinde. Als Anregung möchte ich empfehlen, diesen Text einfach laut vorzulesen. Danke und lieber Gruß W.
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12.12.2011, 11:38 | #7 | ||
asphaltwaldwesen
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da mache ich gerne mit, walther!
der text liest sich für mich ohne die formale einzwängung in die gedichtform nämlich viel schöner. lyrische prosa würde ich das dann nennen. auf jeden fall fließt es so in dieser setzung um einiges feiner. und die paar stellen, die innehalten lassen, gebiert in diesem fall der inhalt und die art, wie die aussage getroffen wird. ich markiere in deiner "prosa"-form mal die reimwörter der ursprünglich gereimten und ins gedicht "gepressten" form. vielleicht zeigt sich ja, was mich stört, wenn ich meine "da hat jemand eine form gewählt und diese dann aber ignoriert": Zitat:
ich markiere jetzt - weil ich das experiment wirklich spannend finde und selbst gespannt bin, wohin es führt - mal die worte oder stellen, die sich für mich in der "lyrischen prosa"fassung anbieten: Zitat:
von der setzung her käme da also bei mir etwas ganz anderes heraus. der "reim" verschwindet und es treten wunderbare aussagen hervor. aber für mich tun sie das erst ohne das korsett des sonetts, das sich auch sperrig anfühlt, weil mans zwar - mit etwas plage - richtig sonett-betont lesen kann, danach aber nicht wirklich weiß, WAS man da las. und DAS ist, was ich hier - ganz persönlich begründet - bemängle. nicht umsonst sollten form und funktion mit dem "material" (=inhalt) eine einheit bilden, die aus dem ganzen mehr macht als die bloße summe der teile. hier empfinde ich die teile als zusammengezwungen und einander konkurierend. Es sprach aus ferner Zeit sich mir ein Wort ins Ohr und wollte erst mal länger bleiben. Es bat mich, dies und es hier zu beschreiben, und sagte sich dahin, als flög es fort und käm nie mehr zurück an jenen Ort des ersten Kennenlernens. Welches Treiben durchfließt den Wintermorgen: Augenreiben, ein müdes Dehnen, Weihnachtstage, Mord am In-sich-Ruhen, Zu-sich-Finden, und den Hauch von Nebelatem blasen Winde so schnell weg, wie die Phrasen meinen Mund verlassen. Ob ich’s jemals wiederfinde, das eine Wort, das Welten ganz macht, rund? Es drückte aus, was nicht nur ich empfinde. so jedenfalls meine lesart, in der form und inhalt zu einem "gefühl" verschmelzen. den leser "leiten", wie stimme es so richtig und wichtig formulierte. ich gehe davon aus, dass du ganz anders empfinden musst. sonst würdest du es ja nicht so schreiben, wie du es tust. und dass du dir dabei viele überlegungen machst und kein wort zufällig da steht, wo es steht, ist mir bei all deinen texten klar. ich habe nur - als leser, der hier ganz objektiv-subjektiv lyrik liest und nicht "einen walther" (denn alle deine texte sind ja nicht so) - hier den eindruck: da wurde sich verstiegen. zuviel können wollte zuviel und daran scheitert letztendlich, dass ein ganzes entsteht, das sich dem leser selbst-entfaltend darlegt. nicht missverstehen: ich bin durchaus auch freund von kunst, die erst erarbeitet werden will. werke, die nicht alles offenlegen und auch zwischen den zeilen/strichen gelesen werden wollen, mag ich sehr. doch hier passiert "etwas" auf den zeilen. noch bevor man dazu käme, zwischen solche einzutauchen. ich hoffe, ich konnte halbwegs klarmachen, was ich meine. dass auch diese eine sehr persönliche sicht ist, ist, hoffe ich, selbstredend. lieber gruß, fee Geändert von fee (12.12.2011 um 11:41 Uhr) |
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18.12.2011, 14:33 | #8 |
Gelegenheitsdichter
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Lb. Stimme der Zeit,
danke für Deinen Eintrag. Ich habe den Vers wie vorgeschlagen geändert. So klingt das in der Tat besser. LG W. Lb. larin, danke für Deine offene Stellungnahme. Vielleicht habe ich mit dem Titel etwas zu hoch gegriffen und Erwartungen erzeugt, die ich nicht erreichen kann. Das muß ich so akzeptieren, und man lernt ja weniger aus Lob als auch deutlicher Kritik. Ich werde mir die eine oder andere Formulierung noch genauer anschauen und dann evtl. eine Neufassung posten. LG W. Lb. fee, danke für Deine ausführlichen Worte. Mir ging es darum, ein Gedicht zur aktuellen Zeit des Jahres zu verfassen. Vielleicht habe ich mich und meine Leser überfordert. Ich gelobe Besserung! LG W.
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