Gedichte-Eiland  

Zurück   Gedichte-Eiland > Gedichte > Der Tag beginnt mit Spaß

Der Tag beginnt mit Spaß Humor und Übermut

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
Alt 14.11.2012, 00:02   #1
Falderwald
Lyrische Emotion
 
Benutzerbild von Falderwald
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 9.912
Standard Juristenstanzerei



Juristenstanzerei


Ein Rechtsanwalt, wir nennen ihn mal Schmidt,
nahm einen jungen Mann in seine Lehre
und teilte dem Azubi lächelnd mit,
daß es ihm sehr daran gelegen wäre,
ihm auszuhelfen für den ersten Schritt
hinein in die Juristenkarriere.
Er wolle erst, so hatte er ersonnen,
das Lehrgeld, ist der erste Streit gewonnen.

Der Jüngling aber dachte nicht daran,
für irgendwelcher Leute Recht zu streiten,
zwar war er jetzt Jurist, doch dann besann
er sich auf neu entdeckte Fähigkeiten
und glaubte, ist er erst ein Künstler kann
Herr Schmidt nicht auf den Paragraphen reiten.
Das aber durfte man mit Schmidt nicht wagen,
der wollte ihn auf jeden Fall verklagen.

Dem Anwalt war es sicherlich egal,
ob er gewinnt, denn sollte er verlieren,
so würde er rein rechtlich und formal
trotzdem das volle Lehrgeld einkassieren,
der Jüngling hätte dann zum ersten Mal
gerichtlich nämlich einen Sieg zu präsentieren.
Das kann man drehen, wie man will und wenden,
doch dieser Rechtsstreit wird wohl niemals enden.


Falderwald
. .. .


__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



Falderwald ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.11.2012, 22:11   #2
Dana
Slawische Seele
 
Benutzerbild von Dana
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 5.637
Standard

Lieber Faldi,

vorab eine gekonnt durchgehaltene "Stanzerei", die sinnvoll durchgehalten werden will.
Dann der aufglimmende Humor, der grinsend macht und wenn man wieder und wieder gelesen hat, beginnt man "philosophisch" zu fächern.

Ein gnadenloses Spiel, das hier und überall stattfindet. Du kannst die Dinge drehen und wenden wie du willst, sie bleiben unendlich, wenn dein Gegenüber sein oder ein As auspielt. Gewinner und Verlierer verschmelzen - was fast gut wäre. Wenn zwei sich als "Sieger" fühlen, dann herzlichen Glückwunsch.
Doch wenn zwei "Beglückwünschte" es genau wissen wollen, dann:

Zitat:
Zitat von Falderwald
Das kann man drehen, wie man will und wenden,
doch dieser Rechtsstreit wird wohl niemals enden.
Wenn ein Rechtsstreit niemals endet, dann hat er eher mit Unendlichkeit zu tun, als mit Recht.

Du hast es auf Rechtsanwalt und "Lehrling" beschränkt, aber ein Bild für das Leben an sich geschaffen. Augenzwinkernd, humoristisch und undendlich.
Der Streit bleibt, ob zu recht oder zu unrecht. Er füllt das Sein aus.

Grinsend und nachdenklich:
liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
Dana ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.11.2012, 22:32   #3
Chavali
ADäquat
 
Benutzerbild von Chavali
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Mitteldeutschland
Beiträge: 13.004
Standard

Hi Faldi,

3 Stanzen zu einem höchst amüsantem Gedicht zusammenzusetzen - alle Achtung

Man kann wohl so sagen:
Gestritten wird immer und sei es um des Kaisers Bart.
Hier überflügelt der Lehrling seinen Lehrmeister, der sich das wiederum nicht gefallen lassen will.
Und so dreht sich das Rechts-Streit-Karussell

Mit Vergnügen gelesen hat mit lieben Grüßen
Chavali
__________________
.
© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*
Chavali ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 23.11.2012, 22:34   #4
Falderwald
Lyrische Emotion
 
Benutzerbild von Falderwald
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 9.912
Standard

Liebe Dana,

das ist fürwahr ein philosophisches Problem...

Was sind schon Gewinner und Verlierer?
Was ist Wahrheit, was Lüge?
Realität, Illusion?

Stell dir einmal vor, du wärest in dieser Situation Richter und müsstest ein Urteil sprechen.

Ich glaube, das wäre eine sehr schwere Entscheidung, denn es liegt ja ein bindender Vertrag vor.
Der lautet: Der Rechtsanwalt bildet einen Lehrling aus und dieser muss das Lehrgeld nach dem ersten gewonnenen Prozess erst an ihn bezahlen.
Egal, welches Urteil der Richter findet, es steht immer patt.
Urteilt er zugunsten des Anwalts, kann der Lehrling argumentieren, daß er laut Vertrag trotzdem nicht zahlen müsse, da er ja seinen ersten Prozess noch nicht gewonnen hätte.
Urteilt er zugunsten des Lehrlings, kann der Anwalt laut Vertrag trotzdem auf die Zahlung pochen, weil ja nun der erste Prozess gewonnen sei.
Hm, schwierige Situation.

Ich habe mir auch einmal Gedanken für eine Lösung gemacht, wenn ich darüber zu entscheiden hätte, denn zu lösen ist dieses Paradoxon nicht.

Mein Urteil lautete:

Das Gericht sieht sich außerstande, ein gerechtes Urteil in dieser Sache zu fällen.
Da der erfahrene Herr Anwalt diesen Vertrag mit einem unerfahrenen Lehrling selbst geschlossen hat, dabei aber eben nicht alle Eventualitäten einplante, der Lehrling jedoch auch nicht den zuvor vereinbarten Erwartungen entsprach, ordnet das Gericht hiermit an, daß sich beide Parteien innerhalb von zwei Wochen auf einen vernünftigen Vergleich zu einigen haben.
Wird bis dahin keine Einigung erzielt, wird ein Bußgeld fällig, daß an eine gemeinnützige Institution nach Wahl als Spende gezahlt wird.
Die Höhe des Bußgeldes beträgt dabei für jede Partei die Hälfte des zuvor vereinbarten Lehrgeldes.
Außerdem wäre diese Angelegenheit dann für beide Parteien bindend rechtlich abgeschlossen.

Ich glaube, sie würden sich einigen.
Soviel zur Unendlichkeit...

Es sei denn, es wird Revision eingelegt usw.
Soviel zur Unendlichkeit...

Ja, dieses Bild steht für die niemals enden wollenden Spiele des Lebens.
Und wenn du dich einmal darin befindest, dann ist es schwer, da wieder heraus zu kommen. .. .

Vielen Dank für deinen grinsend nachdenklichen Kommi...


Hi Chavi,

die Idee zu diesem Gedicht stammt nicht von mir, ich habe lediglich versucht, diese "Begebenheit" in lyrische Formen umzusetzen.
Ich las diese kleine Geschichte letztens in einem Buch mit dem Titel "99 Philosophische Probleme", die der Autor Martin Cohen dort zum Besten gab und die wohl keinem Autor mehr zugeordnet werden kann.
Mir war beim Lesen direkt klar, daß ich das versuchen wollte, denn ich war so fasziniert davon, daß es mir in den Fingern kribbelte.
Ich sah ein, daß ich das kaum in einem Sonett würde unterbringen können, doch wie du weißt, habe ich mich letzte Zeit engen lyrischen Formen unterworfen, so daß ich mich für ein Stanzengedicht entschieden habe.

Ich wollte diese nette kleine Story noch einmal unter die Leute bringen, damit sie nicht ganz in Vergessenheit gerät.

Vielen Dank für deinen Kommentar und deine Gedanken dazu...


Ich habe mich über eure Beiträge sehr gefreut...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



Falderwald ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 
Themen-Optionen
Ansicht

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 23:34 Uhr.


Powered by vBulletin® (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.

http://www.gedichte-eiland.de

Dana und Falderwald

Impressum: Ralf Dewald, Möllner Str. 14, 23909 Ratzeburg