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Kurzgeschichten Geschichten, Erzählungen, Märchen, Fabeln |
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10.04.2009, 18:56 | #1 |
Gast
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Date mit einem Piloten
Sie trafen sich vor der vereinbarten Bar.
Er half ihr nicht aus dem Mantel und überließ ihr auch nicht die Platzwahl. So warf er sich im diffusen Licht der dunklen Bar in einen abgewetzten Sessel und lächelte ihr gespielt lässig zu. Er bestellte, ohne sie zu fragen, zwei Gläser Champagner und prostete ihr verheißungsvoll zu. Er kramte eine Zigarillo hervor, ohne sie zu fragen, ob sie auch eine wolle. Das Licht des Feuerzeuges verriet sein vergangenes Leben. Ein Egoist, dachte sie bei sich und prostete ihm gespielt freundlich zu. "Was machst du so?" Seine Frage kam irgendwie gelangweilt, während seine Rolex schmeichelnd funkelte. "Ich mache sauber." Ihre Lippen spitzten sich dabei so verführerisch, dass es ihr selbst so vor kam, als hätte sie Ich mache Pornos gesagt. "Und, warum bist du immer noch single?" Er hob dabei seinen Kopf so weit vor, als würde er ihr eine wirklich intime Frage stellen. Sie überlegte. Warum fragt er mich diesen Scheiß? "Ich bin nicht single, eher allein lebend." Sofort kam ihr ein Gedanke: Aha, also ein Player*. "Was genau machst du beruflich?" Interesse zu signalisieren war sicher eine gute Strategie, dachte sie sich. Er richtete sich auf, zog noch einmal kräftig an seiner Zigarillo und antwortete mit weicher Stimme. "Ich bin, nein war, Pilot. Also, Co-Pilot." "Ach was." Sie fühlte sich unbehaglich. Plötzlich sah sie ihn in einem anderen Licht. Sein Verhalten hatte etwas aufgesetztes. Sie lehnte sich im Sessel zurück und ließ ihren Blick streifen. Währenddessen erzählte er ihr von seinen Abenteuern, von einem abgewendeten Flugzeugabsturz und den vielen wirklich netten Stewardessen. Sie musste ein Gähnen unterdrücken. Der Typ, der gerade zur Tür hereinkam, sah wirklich nett aus. "Und dann habe ich das Zelt aufgebaut...". Was für ein Zelt? Sie hatte ihn aus den Ohren verloren. "Du bist ja ein richtiger Held!", und während sie sich das sagen hörte, bestellte er die zweite Runde. "Dass du Reinigungskraft bist, finde ich toll, die muss es ja schließlich auch geben." Er sagte das in einer Geschwindigkeit, der sie nicht folgen konnte. "Danke für das Kompliment." Der Typ schaute zu ihr rüber. "Ich muss mal." Er nickte verständnisvoll und lümmelte sich tiefer in den Sessel. Kurz vor der Damentoilette tippte ihr jemand auf die Schulter. Überrascht drehte sie sich um und sah den Typen vor sich stehen. "Geht dir der alte Sack da auf die Nerven?" Sie nickte. "Bleib bitte hier, ich hole deinen Mantel, ok? Das ist doch sicher der rote?" Sie lächelte verlegen. "Ja, aber woher weißt du...?". Sie traten vor die Tür und fürsorglich knöpfte er ihren Mantel zu. "Erzähl mir etwas über dich." Er bot ihr seinen Arm an und seine Augen leuchteten warmherzig. Und obwohl ihr fröstelte, begann sie, ihm von ihren Träumen zu erzählen. *Selbstdarsteller, Aufschneider (nicht zu verwechseln mit einem Spieler) copyright@budina Geändert von Helene Harding (11.04.2009 um 12:45 Uhr) |
10.04.2009, 19:06 | #2 |
Gast
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hi budina.
Fluch im Anflug, war mein erster Gedanke. Hatte schon mit Vergangenheitsbewältigung, die Akteurin betreffend, gerechnet. Nicht mit neuen Flügeln. Aber genau das gibt Deiner Geschichte den Kick. Gern überflogen, Alive |
10.04.2009, 19:17 | #3 |
Gast
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Lieber Alive, schön, dich zu lesen. Ja, so spielt das Leben. Ob authentisch oder nicht, hier wollte ich zwei Welten beschreiben, die aufeinander treffen könnten. Und wie ich an deiner Reaktion sehe, ist dir das unerwartete Ende doch ganz angenehm. Danke für deinen "Mitflug".
alles liebe, budina |
11.04.2009, 12:00 | #4 |
Bernhardverdreher
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Liebe Budina!
Selbstverständlich ist ihr Mantel rot! Und ihm hätt sies auch noch mal schriftlich gegeben, hätt ers nicht gewusst! Hat mir gut gefallen, weil es so alltäglich ist so beiläufig. Ist es gewollt, dass ich mich an Filmschnitte erinnert fühle? Oder an Einzelbilder aus Schwarz-Weiß-Comics? Auch die Bezeichnung "der Typ" erinnert so daran. Und die "coole" Atmosphäre. Ich weiß nicht, was du von Comics hältst, aber ich meine das übrigens als Lob, also nicht falsch verstehen. Feirefiz
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11.04.2009, 12:34 | #5 |
Gast
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Liebe Feirefiz, von Comics halte ich persönlich nicht allzuviel, nur dass ich das Interesse daran toleriere. Der Begriff "Typ" ist für mich kein besonderer, doch steht er allgemeinhin für alle Altersgruppen. Dass der Typ gleich wusste, dass ihr Mantel der rote war, sollte auf das Unterbewusstsein anspielen, dem auch Männer folgen können. Ich - die Autorin - wollte, dass er insbesondere ihren Mantel erkennt. Dass du Filmausschnitte erinnerst, könnte daran liegen, dass das Leben einem manchmal wie Filmsequenzen bzw. auch sog. Déjà-vu-Erlebnisse vorkommt. Setz dich in eine beliebige Bar und du wirst evtl. Ähnliches beobachten. Meine Intention ist ganz einfach: Erstens kommt es anders und Zweitens, als man denkt. Ich danke dir für die coole Atmosphäre.
alles liebe, budina |
11.04.2009, 15:04 | #6 |
Neuer Eiland-Dichter
Registriert seit: 10.04.2009
Ort: Süden von Berlin
Beiträge: 19
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Liebe Budina!
Ich kenn diese Typen, diese Schwätzer, die in Gesellschaft den Eindruck erwecken, daß sie sich selbst völlig genug sind, aber Angst vor dem Unbestätigtsein kriegen, sobald sie alleine sind. Lustig und traurig ist das! Und ein schöner Kontrast, ich meine diese Gegenüberstellung vom Lebendigen und Scheinlebenden. Liebe Grüße wrath_nase |
12.04.2009, 01:18 | #7 |
Gast
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Liebe wrath nase (zornige Nase?), hier scheint dein Innerstes berührt - was für ein Kompliment. Diese "Player" lauern an jeder Ecke, tarnen sich zunächst, soweit die Disziplin es zeitlich zuläßt, als Kavalier, doch dann... Allein in der Divergenz sah ich eine Chance darzustellen, dass es Mann offensichtlich noch immer wichtig erscheint, seinen sozialen Status herauszukehren und diesen - hier - auf snobistische Weise zu demonstrieren. In dieser Geschichte musste er daher mit dieser "Nummer" scheitern. Der Schluss war für mich, die Happy Ends forciert, einleuchtend.
alles liebe, budina Geändert von Helene Harding (12.04.2009 um 01:22 Uhr) |
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