26.12.2017, 09:34 | #1 |
Erfahrener Eiland-Dichter
Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
|
Alyssa
Alyssa
Sie war ein schönes Kind mit langem roten Haar, worin der Wind in aller Unschuld spielte. Als man sie in der Sakristei berührte, blieb sie stumm, verstand es nicht, warum sie vor dem Kreuz des Herren ihre Schuld bekennen soll, und musste sich noch tagelang erbrechen. Sie wusch ihr Kleid und ihren Körper oft und wagte nicht zu beten zu der reinen Magd. Als später dann der Knecht des Nachbarn ihr Gewalt antat und sprach, es sei die Schuld der roten Haare, die sie trug, da wimmerte und weinte sie und biss sich selbst die Knöchel wund. Sie haderte mit Gott, der ihr die roten Haare gab, doch keinen Schutz, sie ganz alleine ließ und hilflos. Auch spielte sie nicht mehr, die Menschen mied sie sehr, versteckte sich im Wald und blickte scheu wie ein gehetztes Wild. Doch als das Kalb des Bürgermeisters starb, nachdem sie dort am Stall vorbeigegangen war, da war es nicht ihr böser Blick, wie alle sagten. Dann hielten sie das Kreuz ihr vor, um es zu küssen. Da brach's heraus, sie schrie, schrie wie am Spieß. Danach verstummte sie. Als dann die Eltern selbst sich ihrer schämten und sie ganz verlassen war, da fragte sie bei Nacht den Mond: War es der böse Blick? War es das feuerrote Haar? War es vielleicht der Teufel tief in mir? Oh, Seelenpein, die jeder Blick und jede stumme Geste, mit der man ihr begegnete tiefer in die Seele brannte! Sie hoffte schließlich nur noch Erlösung von dem Übel: Ja, ja, in Gottes Namen, ja! Sie trug die Schuld und dieser Teufel war in ihr, wie alle sagten. Gewiss, so muss es sein! Ach! Sollten dieser Leib und dieses teufelsrote Haar in Flammen endlich untergehen! Wenn nur die Seele finden kann im Schoß der Jungfrau Ruhe. Version 1 Alyssa Sie war ein schönes Kind mit langem roten Haar, worin der Wind in aller Unschuld spielte. Als man sie in der Sakristei berührte, blieb sie stumm, verstand es nicht, warum sie vor dem Kreuz des Herren ihre Schuld bekennen sollte, und musste sich noch tagelang erbrechen. Sie wusch ihr Kleid und ihren Körper oft und wagte nicht zu beten zur reinen Magd. Als später dann der Knecht des Nachbarn ihr Gewalt antat und sprach, es sei die Schuld der roten Haare, da wimmerte und weinte sie und biss sich selbst die Knöchel wund. Sie haderte mit Gott, der ihr die roten Haare gab und sie nicht schützte, alleine sie und hilflos ließ. Auch spielte sie nicht mehr, die Menschen mied sie sehr, versteckte sich im Wald und blickte scheu wie ein gehetztes Wild. Doch als das Kalb des Bürgermeisters starb, nachdem sie dort am Stall vorbeigegangen war, da war es nicht ihr böser Blick, wie alle sagten. Dann hielten sie das Kreuz ihr vor, um es zu küssen. Da brach's heraus, sie schrie, schrie wie am Spieß. Danach verstummte sie. Vielleicht doch ihr böser Blick? Und als die Eltern selbst sich ihrer schämten, sie ganz verlassen war, da fragte sie bei Nacht den Mond: War es der böse Blick? War es das feuerrote Haar? War es vielleicht der Teufel tief in mir? Oh, Seelenpein, die jeder Blick und jede stumme Geste, mit der man ihr begegnete, entfachte und noch tiefer in die Seele brannte! Und schließlich hoffte sie nur noch Erlösung von dem Übel: Ja, ja, sie trug die Schuld und dieser Teufel, dem sie sich verschrieben. Gewiss, so muss es sein! Ach! Sollten dieser Leib und dieses teufelsrote Haar in Flammen endlich untergehen! Wenn nur die Seele finden kann im reinen Schoß der Jungfrau Maria Ruhe.
__________________
© Ralf Schauerhammer Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller Geändert von Thomas (01.01.2018 um 12:52 Uhr) |
27.12.2017, 01:08 | #2 |
TENEBRAE
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
|
Hi Thomas!
Die ewige Geschichte menschlicher Triebhaftigkeit, Blindheit, Dummheit - und Hilflosigkeit! Es graust einem! An manchen Stellen nach meinem Geschmack etwas zu schwülstig oder inversiv formuliert, da solltest du auf klarere, einfachere Sprache setzen. Insgesamt gern gelesen! LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
28.12.2017, 00:32 | #3 |
Erfahrener Eiland-Dichter
Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
|
Lieber Erich,
danke, wenn es dir graust, ist es genau das, was der Text bewirken soll. Liebe Grüße Thomas
__________________
© Ralf Schauerhammer Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller |
29.12.2017, 14:50 | #4 |
Gast
Beiträge: n/a
|
Lieber Thomas,
ich finde diese Ballade, die wie ein Dramenvers geschrieben ist, mit Spannungsbögen, einfach stark. Habe sie schon mehrfach gelesen, wollte mir aber Zeit für den Kommi nehmen. Es prangert vieles an, die Verlogenheit der Menschen, die geistige und irrsinnige Abhänggkeit von der der katholischen Kirche, die immense Schuld auf sich geladen hat. Nicht nur sichtbare mit Inquisition und willkürlicher Hexen-und Ketzerverbennungen, illegalen Ablasszahlungen, sondern auch mit Macht, mit der sie die Menschen durch Angst abhängig machte. Von dem schrägen Sexualverhalten und Diskriminierung von Frauen allgemein bis in die heutige Zeit, wo Kinderschändung nicht adäqut geandet wird. Die Menschen, so geprägt, versündigten sich an dem Mädchen mit den roten Haar, die hier symbolhaft für alle Frauen steht. Das rote Haar kennzeichnete sie schon direkt als Hexe, nur weil die Pfaffen ihren Schw… nicht im Griff hatten, wenn sie solch eine attraktive Frau sahen. Dann geißelten sie sich mit Peitschen, was ebenso abstrus und pervers ist wie alles andere. Fast tragisch, aber mein Mitleid hält sich in Grenzen für die Pfaffen. Wer sich solch einem System unterwirft und es vertritt mit allem Übel, der ist für mich nicht besser als ein islamischer Terrorist. Verblendet, hörig und zu allem bereit, wenn es nur einem höheren Zweck dient, einem Gott, der so etwas niemals gewollt haben kann. Heute nicht, damals nicht. Heute krank, damals krank! Das ist die eine Seite. Die andere ist die verletzte Seele eines Kindes, das von allen Seiten missbraucht wurde. Das nie eine Chance hatte, weil es in die falsche Zeit geboren war, vielleicht auch in die falsche Schicht, wo die Eltern ihr Kind nicht schützen konnten. Ich lese daraus die Mahnung, auch für heute, die ich mir selbst immer als Lebensmotto gehalten habe: Mein Kind und meine Familie sind mir heilig. Ich werde sie schützen gegen alles und jeden, egal, was ich selbst dadurch für Konsequenzen zu erleiden habe. Leicht für eine Frau, dessen starker Vater ihr dies nachhaltig vorgelebt hat, die keinem Druck von der katholischen Kirche ausgesetzt war ( wir waren evangelisch und mein Vater war Atheist), die in freiem Geist Regeln nur durch Liebe erlernte und ihren Vater für seine Geisteshaltung immer bewunderte und ihm nacheiferte. Dieses arme Mädchen in deiner Ballade hatte diese Chance nicht. Darum berührt es mich so sehr. Da es wie ein dramatischer Vers aufgebaut ist, würde ich die Metrik einhalten, denn sie bindet. Tipps: ZuR reinen Magd Maria. „ Vielleicht doch ihr böser Blick?“ Das würde ich komplett weglassen. War es der Teufe tief in IHR? Und schließlich hoffte sie nur noch Erlösung von dem Übel: Ja, ja, sie trug die Schuld und diesen Teufel ganz gewiss. So musste es wohl sein! “dem sie sich verschrieben.“ Wäre eine aktive Handlung, sie aber bleibt ja passiv. Eher noch, der sie befallen hatte. Ach! SollteN dieser Leib und dieses teufelsrote Haar Ich denke, dass dir die Jungfrau an dieser Stelle wichtig ist, die gefakte, denn eine Jungfrau kann ja keine Kinder bekommen. So schließt sich der Kreis des üblen Hohns. Doch fände ich es wichtig, gerade am Schluss in der Metrik zu bleiben. Jungfrau ist da schlecht einzubauen. Du könntest oben anstelle von Magd Jungfrau nehmen und am Ende Magd. Ach! Sollten dieser Leib und dieses teufelsrote Haar in Flammen endlich untergehen! Wenn nur die Seele Ruhe finden wird im reinen Schoß der Magd Maria. Habe ich sehr sehr gerne gelesen und besenft, Thomas! Zeilen, die man so schnell nicht mehr los wird, gerade als Mutter mit Tochter. LG von Koko |
30.12.2017, 10:20 | #5 |
Erfahrener Eiland-Dichter
Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
|
Liebe Koko,
herzlichen Dank für deinen ausführlichen Kommentar und die vielen Anregungen über die ich gerne nachdenken werde. Das mit dem "verschreiben" werde ich wahrscheinlich aber so lassen, denn die Stelle, welche du streichen möchtest markiert den Punkt, an dem sie sich aufgibt, d.h. den Lügen nicht mehr widerstehen kann, sondern versucht sich damit zu arrangieren. Wesentlich scheint mir auch noch die Macht, die zur Verderbtheit der Paffen kommt, denn diese stehen hier nur stellvertretend für viele andere auch in der heutigen Gesellschaft. Den Bezug versuchte ich durch den Titel anzudeuten, mein Arbeitstitel war nämlich "#metoo". Über die Form bin ich nicht in der Lage viel zu sagen. Es ist ein Experiment einer Ballade in freier Form, und wie das Experimente so an sich haben, ist man sich unsicher ob es funktioniert. Balladen in strenger Form habe ich ja schon einige geschrieben. Liebe Grüße Thomas
__________________
© Ralf Schauerhammer Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller |
30.12.2017, 12:20 | #6 |
Gast
Beiträge: n/a
|
Liber Thomas,
Habe ich die Form doch richtig gesehen Die Stelle mit dem "sich verschrieben" würde ich unbedingt ändern, denn auch auch mit meinem Vorschlag wird konnotiert, dass sie sich aufgibt. Sich verschreiben könnte man eigentlich nur nehmen, wenn sie jetzt selbst auf die schiefe Bahn gekommen wäre, wenn sie z-B. Hure geworden wäre. Sie beibt aber ja unschuldig, im Gegenteil, wird weiter missbraucht und sucht dann wie jedes Kind, am Emde die Schuld doch bei sich. Zu Me too passt es gut, denn es ist nachhaltiger Missbrauch. Auch der Titel stützt die "Hexenverfolgung". Habe bei Wiki nachgesehen, Alyssa bedeutet "Die Schöne", aber auch "nicht verrückt" , so dass der Name selbst schon den Widerspruch des Inhalts trägt. Es freut mich, dass dir meine Gedanken hilfreich sein konnten. So ein tolles Werk hat es auch verdient, dass man noch etwas feilt.. Letztlich aber belibt es dir überlassen, du bist der Autor. LG von Koko |
30.12.2017, 18:58 | #7 |
Erfahrener Eiland-Dichter
Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
|
Liebe Koko,
wahrscheinlich hast du Recht, aber "befallen" geht auch nicht. Gib mir Zeit, diese Form mit ihrer eigentümlichen Gradwanderung zwischen Lyrik und Prosa geht mir nicht leicht von der Hand. Liebe Grüße Thomas
__________________
© Ralf Schauerhammer Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller |
31.12.2017, 11:11 | #8 |
Gast
Beiträge: n/a
|
gerne schau ich noch mal drauf, lieber Thomas:
"Sie haderte mit Gott, der ihr die roten Haare gab, doch keinen Schützt ihr gab, sie ganz alleine ließ und hilflos." das war vorher besser, jetzt 2 Mal gab "Sie hoffte schließlich nur noch Erlösung von dem Übel: Ich finde nach qie vor, dass man das nicht real ausdrücken muss, es ist klar, dass sie sich Erlösung erhoffte. Würde ich so nicht schreiben. Ja, ja, in Gottes Namen, ja! Sie trug die Schuld und dieser Teufel war in ihr, wie alle sagten. Gewiss, so muss es sein! Erinnerung an das N, es sind zwei, Leib und Haar: Ach! SollteN dieser Leib und dieses teufelsrote Haar in Flammen endlich untergehen! Die Jungfrau hast du geschickt untergebracht. LG von Koko |
01.01.2018, 12:55 | #9 |
Erfahrener Eiland-Dichter
Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
|
Liebe Koko,
danke für deine Geduld. Ich habe es nochmals geändert, aber das Zitat aus dem Vaterunser will ich nicht streichen. Liebe Grüße Thomas
__________________
© Ralf Schauerhammer Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller |
Lesezeichen |
Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1) | |
|
|