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13.04.2018, 22:04 | #1 |
Gesperrt
Registriert seit: 20.11.2016
Ort: Hilden, NRW
Beiträge: 531
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Hallo Chavali,
diese beiden Verse irritieren mich: "Und eine Stadt im Osten warf den Namen weg." Der Name war Karl-Marx (der so einiges zu Personenkulten gesagt hat). Dass die SED-Führung aus der alten Stadt Chemnitz "Karl-Marx-Stadt" gemacht hat (und damit die Brüder im Osten nachäfften - die aus St. Petersburg "Leningrad" und aus Wolgograd "Stalingrad" machten), war nicht auf dem Mist der Chemnitzer gewachsen. Als die demokratischen Regeln Gültigkeit bekamen, wurde aus "Karl-Marx-Stadt" wieder Chemnitz. Ich bin heilfroh, dass eine andere Stadt im Osten, an deren Universität Karl Marx seinen Doktortitel erwarb (in absentia), ihren Namen behalten durfte. Ich denke, die Chemnitzer haben den aufoktroyierten Namen nicht "weg geworfen", sondern wolletn ihren alten, ehrwürdigen Namen wieder haben. Gruß, Felix Geändert von Felix (14.04.2018 um 11:19 Uhr) |
14.04.2018, 08:47 | #2 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Beiträge: 301
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Liebe Chavali,
ein ambivalentes Thema dem Du Dich da gestellt hast. Zunächst erst mal Marx selbst, ich halte ihn für einen genialen Philosophen, einen der großen Denker des 19. Jahrhunderts dem alle Ehre gebührt. Seine Analyse des Kap. stimmt in allen Punkten und gilt nach wie vor, er hat auch die weitere Entwicklung voraus gesehen die uns ja erst jetzt ereilt. Seine Synthese war aber eben nicht der große Wurf, abgesehen davon, das die Umsetzung bei uns und auch in anderen Ländern wenig damit zu tun hatte. Unberechtigter Weise haben wir ihn für uns vereinnahmt. Aber man kann es ihm auch in keiner Weise übel nehmen, er hatte ja auch keinerlei Beobachtungsfeld wo er seine Synthese auch nur in Teilen hätte verifizieren können. Dann hätte er vermutlich festgestellt, dass die große Triebkraft des Entwicklung, der menschliche Egosimus, einfach nicht zu bändigen ist. Ohne ihn geht es nicht, aber mit ihm eben auch nicht. Schwieriges Feld. Das es so nicht weiter gehen kann wie es momentan läuft, das ist auch klar, das würde in eine Katastrphe führen. Aber ich habe leider auch keine Idee wie es gehen könnte. Eine Rückkehr zum Sozialismaus ist wahrscheinlich die schlechtere Alternative. Aber das hat jetzt schon sehr weit weg geführt vom eigentlichen Thema. Die totale Vereinnahmung von Marx hat natürlich zur wietestgehenden Ablehnung geführt. Und insofern gebe ich Felix da vollkommen recht. Die Chemnitzer, zumindest die Denkenden, haben sicherlich nichts gegen Marx gehabt, nur eben die Umstände und die Art und Weise haben zum Widerstand und zur Ablehnung des Namens geführt. Man sollte Marx unbedingt weiter ehren und seine Gedanken in Ehren halten, aber ein Städtename muss es vielleicht nicht sein. Die Plätze und Straßen die nach ihm benannt sind sollten sicher beibehalten werden. Ich hätte auch kein Problem damit gehabt, wenn die Karl Marx Uni den Namen behalten hätte, damit hätte der Spannungsbogen zwischen Wiederaufbau der Unikirche und die Namensgebung noch eine neue und interessante Dimension bekommen. Aber das ist nur meine Meinung und muss auch nicht unbedingt richtig sein. Ansonsten war es ein interessanter Ansatz den Du in Deinem Gedicht verfolgt hast und gerade das sind Themen und vor allem die Auseinandersetzung damit sollte in der Lyrik stärker Berücksichtigung finden. Das ist spannend. Sehr gern gelesen und kommentiert. Beste Grüße mall |
14.04.2018, 15:10 | #3 | |
Priester aus Eigenem
Registriert seit: 02.06.2016
Ort: zwischen Harz und Heide
Beiträge: 67
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Hallo Herr Felix,
Zitat:
Freundliche Grüße Stefan |
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14.04.2018, 22:04 | #4 |
Gesperrt
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Hallo Stefan,
habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt, was die Abschaffung des aufoktroyierten Stadtnamens "Karl-Marx-Stadt" betrifft? Karl Marx, dessen Bedeutung ich nicht infrage stelle, wäre wohl mit diesem Personenkult nicht einverstanden gewesen. Die Bürger/Bürgerinnen Chemnitz sind nicht gefragt worden und haben, kaum dass der Unrechtsstaat DDR im Orkus der Geschichte verschwunden war, ihren alten Namen wieder ins Leben gerufen. Dass die DDR annektiert wurde - sag mal, in welchem Wolkenkuckucksheim wohnst Du denn? War es etwa nicht die sich allmächtig dünkende DDR, die ihre eigene Nationalhymne nicht mehr singen durfte, weil da der von Becher getextete Vers "Deutschland, einig Vaterland" schon in der ersten Strophe stand? Hast Du es nicht mitbekommen, dass die Menschen in Erfurt "Willy, Willy" riefen, als der Bundeskanzler ans Fenster seines Erfurter Hotels trat und die Stasileute versuchten, diese Rufe in "Willi Stoph" umzuwandeln versuchten? Hast Du etwa auch nicht mitbekommen, dass man kurz vor Weihnachten 1981 die Stadt Güstrow wie eine Festung abriegelte, um zu verhindern, dass die wahre Meinung des Volkes zur Geltung kam? Hast Du nicht die Rufe in Dresden, Leipzig, Jena und in vielen anderen Städten vernommen "Wir sind das Volk!", die dann in dem Ruf gipfelten: "Wir sind ein Volk!" Hast Du nichts von den Anstrengungen auf dem politischen Parkett mitbekommen, die aus den beiden Teilen Deutschlands wieder ein Deutschland machten? Annexion sieht anders aus. Kennst Du die DDR, als sie noch existierte? Heruntergekommene Städte, dem Erdboden gleich gemachte Kirchen, Stadtkerne? Hast Du den Pleitegeier nicht über diesem Fehlversuch "DDR" schweben sehen? Heinz Geändert von Felix (15.04.2018 um 10:38 Uhr) |
15.04.2018, 08:23 | #5 | |
ADäquat
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Hallo Felix, hallo mallarme, hallo Stefan,
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15.04.2018, 09:44 | #6 | |||||||
Priester aus Eigenem
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Hallo Felix,
Zitat:
Zitat:
Zitat:
Zitat:
Zitat:
Zitat:
Zitat:
Gruß Stefan |
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15.04.2018, 12:05 | #7 |
Lyrische Emotion
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Hallo zusammen,
bevor ihr hier weiter diskutiert und das wieder eskaliert, möchte ich einen kleinen Einwurf machen und darum bitten, den von mir beigefügten Anhang einmal zu lesen. Als Annexion würde ich die Wiedervereinigung nicht bezeichnen, da diese mehrheitlich von den demokratisch gewählten Parlamenten beider Länder (Volkskammer und Bundestag) ratifiziert worden ist. Es hat natürlich keine Volksabstimmungen darüber gegeben und über die Motive mag man sich sicherlich streiten können, nichtsdestotrotz hat m. E. weder eine vorhergehende Okkupation noch eine Annexion stattgefunden. Ich mag das an dieser Stelle auch nicht bewerten, sondern möchte das nur klarstellen. Was die wirtschaftliche Siuation allerdings angeht, sieht es etwas anders aus, als uns im Allgemeinen weisgemacht wird. Dazu bitte ich, die folgende Studie der Uni Bremen aus dem Jahre 2006 einmal ausführlich zur Kenntnis zu nehmen. Dann sieht die Sache nämlich ganz anders aus. Liebe Grüße Falderwald
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15.04.2018, 15:21 | #8 |
ADäquat
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Hallo zusammen,
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15.04.2018, 15:39 | #9 |
ADäquat
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Hi Faldi,
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15.04.2018, 21:35 | #10 |
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Karl Marx
Hallo Chavali,
so lobenswert Falderwalds Versuch ist, der von mir gar nicht gewollten Diskussion das Emotionale zugunsten des Rationalen erforderliches Basiswissen zu vermitteln - dass Du gleich von einem Forschungsergebnis der Uni Bremen sprichst, schießt ziemlich am Ziel vorbei. So weit ich es überschaue, hat ein Herr Karl Mai (leider finde ich keine Forschungsstelle und keinen akademischen Titel) ein Manuskript geschrieben, das überschrieben ist mir "Zur Mangelwirtschaft der DDR - Versuch einer systemtheoretischen Nachbetrachtung". In diesem "Versuch" stehen viele statistische Daten - und ich gebe schamerrötend zu, dass Statistik zu meinen unbeliebtesten Studienfächern zählte. Statistiken (irgendein bedeutender Politiker hat dazu mal gesagt: "Ich glaube nur den Statistiken, die ich selbst gefälscht habe") sind hilfreich - aber der unbefangene, selbst der wohlwollendste Blick auf die Verhältnisse in der DDR sprechen eine andere Sprache. Straßen, Häuser, Betriebe waren marode, Umweltschutz (frag mal die Menschen im Umkreis von Bitterfeld oder "Schwarze Pumpe") war ein Fremdwort, die Geschäfte waren fast leer und der meistgehörte Spruch der Verkäufer/innen war: "Hamwer nich" (Haben wir nicht). Wenn es mal was gab, bildeten sich riesige Schlangen (eine habe ich mal in Dresden gezählt: 600 Menschen standen in der spöttisch so genannten "Sozialistischen Wartegemeinschaft"). Einer meiner Einkaufsversuche (wir hatte eine Gartenparty geplant) in einem Fleischerladen im Zentrum Jenas - ich hatte meinen Wunsch nach 10 Nackenkoteletts geäußert - führte bei der Hälfte der Wartenden zu einem Lachanfall, bei der anderen Hälfte zu sehr bösen Blicken. In Weimar, Jena oder Dresden einen Zollstock zu kaufen - unmöglich. Die vier Quadratmeter Fliesen, die mein Onkel benötigte, habe ich ihm nach erfolgloser Suche aus dem "Westen" mitgebracht. Meiner Großtante (deren Arbeitszeit vor der Gründung der DDR nicht in die Rentenberechnung einging) bezog eine Rente von sagenhaften 150 Mark der DDR. Einer Familie standen pro Jahr 10 Zentner (Braunkohle-) Briketts zu. Zum Vergleich: Ich als Berglehrling und späterem Knappen bekam im Jahr 100 Zentner Steinkohle, mein Vater und mein Bruder ebenfalls (und wir haben mindestens die Hälfte davon an Bauern aus der näheren Umgebung verscheuert). Der Alkoholverbrauch wurde seit Mitte der siebziger Jahre statistisch zwar erfasst, aber nicht mehr veröffentlicht. Die Lieferung von Straßenbeleuchtung (große "Peitschenlaternen") für die Zufahrtsstraße von der Autobahn nach Jena wurde zugunsten der Landesver-teidigung gesperrt und die "gesunde DDR" musste sich mit dem erklärten "Klassenfeind" (ich glaube Anfang der achtziger Jahre) zusammen setzen, um zwei Milliardenkredite unter Dach und Fach zu bringen. (Sagt Dir der Name Schalck-Golodkowski etwas oder gar Franz-Josef Strauß?). Um an Devisen zu kommen, war dem Unterhändler nichts zu schade. Ich könnte dem Herrn Karl Mai sein Manuskript auf der Rückseite mit hunderten Beispielen beweisen, dass er dummes Zeug redet. Aber er nennt sein Elaborat ja auch nur einen "Versuch". Beste Grüße, Felix Geändert von Felix (15.04.2018 um 22:19 Uhr) |
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