19.11.2009, 03:11 | #1 |
Eiland-Dichter
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Erna und August, nah am Suizid
Raschel raschel...raschel...
Unbekümmert über die Neuigkeiten in aller Welt, schlägt August wie jeden Morgen seine Bildzeitung auf und landet zuerst auf der Witze Seite. August ist Teilzeitrentner und wird dieses Jahr 62 Jahre alt. Seine Rente hat er vor gut 2 Jahren beantragt und kann nun den halben Tag Arbeiten und den halben Tag für seine Frau Erna da sein. Oder den halben Tag Bildzeitung lesen und sich mit Ausreden aus der Wohnung schleichen. Denn manchmal gibt es Tage, da kann ihm seine Erna schon ein wenig auf den Wecker fallen und so ein wenig Ablenkung braucht der Mensch ja nun mal von der Gewohnheit des Alltags. Erna ist der Alltag von August, sie ist 59 Jahre alt, ihr leben lang bereits konservativ treusorgende Ehe- und Hausfrau und sie sitzt nun gegenüber von ihrem August. Und wie es sich, laut August so gehört, am Tischende gegenüber. Das Frühstück hat sie bereits liebevoll hergerichtet und so wartet sie, wie jeden Morgen darauf, das August einen kleinen Lacher von sich ertönen lässt, damit sie endlich nach dem Horoskopteil der Bildzeitung fragen kann. Schließlich hätte er ja dann schon seinen Spaß gehabt und August lacht ja ohnehin nie, bevor er nicht alle Witze gelesen hat. Manchmal glaubt Erna, dass ihr August alle Informationen der Witzseite in sich sammelt und am Ende eine wahre Flut an lustigen Bildern in seinem Kopf spielen müssen. Diesmal aber lacht August nicht. Er blättert weiter. Erna: „August? Ist was passiert? Du bist so anders heute, so kenn ich dich ja gar nicht.“ Ernas Blick sucht neugierig nach einem Augenpaar, welches interessiert hinter der Zeitung hervorlugt, aber nichts tut sich. ...August!? Sprich mit mir, ich halte das nicht aus, wenn du nur da sitzt und schweigst. Du hast doch etwas. Endlich wird ihr doch noch ein Lebenszeichen von August zuteil. Raschel raschel...raschel... August: „Ne, hab nix. Aber heute war nix gutes drin und die Neuigkeiten im Sport sind auch unter aller Kanone. Hier hör mal.“ August räuspert sich kurz und fängt an vorzulesen. „Enke in die Enge getrieben, alle Welt fragt sich, warum ein junger Mensch seines Formates so schnell den Ball abgegeben hat. Die Ganze Welt trauert und fragt sich, Warum?“ Erna: „Und wer soll diese Anke sein? Bist du auf der Nacktseite? Ich sag dir immer wieder, dass du da nicht drauf schauen sollst, du bekommst noch einen Herzinfarkt, wenn du so weiter machst. Der Doktor hat dir schon hundert Mal gesagt, dass du dich nicht aufregen sollst.“ August schaut seine Frau etwas beiläufig über den Zeitungsrand an und entgegnet ihr: „Ich hab Enke gesagt und das ist ein Fussballspieler.“ Erna: „Ach so“ – „Und was soll da jetzt so schlimm dran sein? Die geben doch alle mal irgendwann den Ball ab, sonst wäre das ja kein Fussball, was war er denn für ein Sternzeichen?“ August: „Woher soll ich das wissen? Ich hab ihm noch nie was zum Geburtstag geschenkt. Er mir auch nicht.“ Erna: „Du sagst also, dass du dich nur an ein Sternzeichen erinnerst, wenn du demjenigen schon was zu Geburtstag geschenkt hast? Wie ist denn mein Sternzeichen und wenn du schon mal dabei bist, kannst du mir auch gleich mein Horoskop vorlesen!“ Ernas Augen blitzten kurz auf, denn schließlich hat sie nun doch erreicht, was sie im „Normalfall“ nach dem Lachanfall ihres Mannes tut, nämlich einfach nach dem Horoskop fragen. Aber heute, würde sie es sogar vorgelesen bekommen. Derweil schaut August etwas ungläubig auf die vielen schwarzen Zahlen und Bilderchen, die neben den Horoskoptexten zu sehen sind und schaut wieder auf und in Ernas Richtung. August: „Wann hast du noch gleich Geburtstag?“ Erna: „Im Juni!“ August: „Ok.“ – „Ah, hier! Stier! Natürlich.“ Gewinnend lächelt August seine Erna besänftigend an. Erna hat derweil das Kinn auf die Hände gestützt, klimpert kurz mit den Augen,nickt und lächelt höflich zurück und August beginnt zu lesen. „Sie haben eine Glücksträhne, provozieren sie heute nicht ihre Liebsten und trinken sie mal einen schluck Wasser, damit ihre grauen Zellen in Schwung bleiben. Bewegung kann ihnen nicht schaden, spielen sie doch mal einkaufen oder spielen sie mal wieder Fussball. “ August kann sich ein Grinsen nicht verkneifen und lugt erneut über den Rand der Bildzeitung, damit Erna ihn nicht dabei erwischt. August: „Du und Fussball“ entfährt es ihm, „das will ich sehen.“ Erna: „Ja ich auch. Das war übrigens dein Horoskop, ich bin Krebs.“ August: „Ach du meine...- ich kann gar kein Fußball spielen und Wasser trink ich auch selten.“ Erna: „Ist das nicht egal? Gib her, ich les mein Horoskop selber! Da macht man dir Frühstück und dann weißt du noch nicht mal mein Horoskop, unmöglich. Weißt du wenigstens wie ich heiße und bist du sicher das wir verheiratet sind?“ August: „Fangfragen sind unfair.“ Erna: „Du fängst dir auch gleich eine!“ August: „Och Schatziiiii...“ August steht schnell auf und geht zu seiner Erna und stellt sich hinter sie. Dann reibt er kurz ein paar Mal über ihre Schultern, drückt ihr einen Kuss auf die Wange und dankt ihr für das wunderschöne Frühstück. Kurz darauf schlendert er zurück zu seinem Platz, am Tischende, gegenüber seiner Frau und sie hatte die Zeitung. Das heißt er konnte jetzt essen, ohne die Zeitung weglegen zu müssen. Erna ist tatsächlich besänftigt durch seine Geste und lächelt ihn auch schon wieder an, während er sich hinsetzt Erna: „So, jetzt lass uns endlich Frühstücken, sonst werden noch deine Eier kalt.“ Bei Ernas Wortwahl „lass uns“ sollte angemerkt sein, dass August seine Erna noch nie etwas essen gesehen hat, sie ist schon seit 20 Jahren auf Diät, aber nachts essen zählt ja nicht, denn Diäten macht man nur Tagsüber, allerdings ohne Erfolg. August zuckt nun kurz zusammen bei ihren Worten und denkt sich, dass seine Frau wirklich gereizt sein muss, sonst würde sie seine Eier nicht so penetrant veräußern. So eine Äußerung hatte er von ihr zudem nicht erwartet und das nach all der Liebe, die sie in den nun bereits 45 Jahren entgegengebracht bekam. Erna lächelt ihm frech entgegen und schlägt nun die Bildzeitung breit auf, sodass August die Rück- und Vorderseite gut sehen kann. Sein Blick fällt automatisch auf die linke Hälfte der Zeitung. Interessiert grinst er die Seite an auf der die liebreizende Anke, ihre runden Bälle zeigte, während Erna sich ihr Horoskop vorliest – von wegen kalte Eier, murmelt er beim Betrachten der Seite leise vor sich hin. Erna: „Oh, hör mal August, hör her.“ – „Sie sind ein Glückskind! Ihnen werden heute alle Wünsche geradezu von den Lippen abgelesen und ihre Lieben überschütten sie mit ihrer ganzen Fürsorge und Wärme. Heute ist der richtige Tag zum Einkaufen, also gehen sie doch einmal vor die Tür, oder spielen sie doch einmal Fußball.“ Kurz herrscht stille hinter der Zeitung. Erna: „Was ist das denn für ein seltsames Horoskop? Das hat bestimmt ein Mann geschrieben. Ihr Männer seid ja so, da dreht sich immer alles nur um Fußball, Fußball und nochmals Fußball! Hauptsache große Bälle.“ Kurz erinnerte Erna sich an die Anzeige, die August ihr vorgelesen hatte, als sie auf ihr Horoskop wartete. Ob das was mit diesem Anke zu tun hatte? Das musste ein sehr berühmter Mann gewesen sein, aber wieso kannte sie ihn nicht und was ist das überhaupt für ein Name, Anke? Oh, vielleicht war er ja ein Tan- transu- tranesueller? Dann würde es auch Sinn machen, dass er seine Bälle abgab. „Hat die, oder der Anke eigentlich noch aktiv Fußball gespielt, oder war der in irgendeiner Behandlung August?“ August grinste leidenschaftlicher als zuvor und bekam noch knapp mit, wie sein Name und der Name der knapp bekleideten und reizenden Person auf der Rückseite der Bildzeitung fiel. „Hehe...Große Bälle...Wie? Was? Was meinst du, wieso fragst du? Wer ist Anke, ich kenn keine Anke?!“ Erna: „Du solltest wirklich auf dein Horoskop hören und mal ein wenig Sport machen und Wasser trinken, damit die grauen Zellen in Schwung kommen. Ich sag’s ja immer wieder, diese Horoskopsache, da sollten viel mehr Menschen drauf hören, ich bin sicher, dass es dann viel weniger Leid auf der Erde geben würde. Mein Wort in Gottes Ohr.“ Nachdem Erna sich von ihren spiritistischen Weißsagungen entledigt hatte und sich ein wohliges Gefühl in ihrem Herzen ausbreitete, ergriff sie erneut das Wort. „Naja, hier, dieser....Anke von dem du gesprochen hattest. Ich wollte wissen, ob der in ärztlicher Behandlung ist?“ August schaute nun auf die rechte Seite der Bildzeitung, die vor seinem Gesicht prangte. August: „Wenn ja, dann war das ein schlechter Arzt, der ist tot.“ Kurz kehrte Stille ein und man hörte nur, wie Erna eine art Schnappatmung entglitt, um danach sichtlich mitleidend wieder das Wort zu ergreifen. Erna: „Meine Güte, das arme kleine Ding. Ich meine Anke.“ Berichtigte sie sich schnellstmöglich. August: „Keine Angst, der geht’s gut.“ Grinste August ihr entgegen. Erna: „Aber August!“ schluchzte Erna gespielt theatralisch, „der Anke geht’s eben nicht gut, nicht mehr, - aber vielleicht geht’s ihr ja jetzt besser!? Wieviel Leid muss ein Mensch auf dieser Hölle von Erde noch ertragen? Alle Menschen gehen immer dann von einem, wenn man es am wenigsten erwartet, dann die ganzen Kinderschänder, Meuchelmörder, Suizidkranke, oder sie vergessen den Geburtstag ihrer Liebsten. Das ist alles so grausam. Ich werde sicher noch mal depressiv, wenn das so weiter geht, ich kann bald nicht mehr.“ August: „Ich hab deinen scheiß Geburtstag nicht vergessen, wie oft noch?“ August stockte der Atem...er hatte „scheiß“ gesagt und es auch noch so gemeint, zudem erinnerte er sich jetzt, dass ihr Geburtstag Heute war und viel schlimmer...um den ging es gar nicht! Jetzt schon. August schluckte einmal stark und schaute ob sich hinter der Zeitung etwas regte aber – nichts. Und August beobachtete. Eine Hand griff hinter der Zeitung hervor und nahm sich ein Messer. Danach kam die gleiche Hand erneut hervor und nahm sich ein kleines Roggenbrötchen. Die andere Hand lies die Zeitung nicht los, um keinen Preis und immer noch - Stille. Bald darauf entschwand die Butter mit der selben Hand hinter der Bildzeitung. August überlegte angestrengt, wie er das wieder gut machen konnte, sie lies es sich nicht anmerken, aber am liebsten würde sie wohl seine nun bereits doch sehr kalten Eier mit dem Messer zerteilen und wie von Sinnen auf ihr Brötchen nieder stochern. Hinter der Zeitung griff die Hand nun nach oben in die Mitte der Zeitung und kurz darauf ertönte ein angestrengtes ächzen und dann ein lautes klirren und Augenblicklich fiel die Zeitung nach vorne. Erna: „Ich kann so nicht schmieren!!!“ Puterrot war ihr Kopf und ihre Stimme klang dreimal so laut, wie die Glocke am Sonntag morgen und ihre Augen waren wässrig. „Warum sagst du solche Sachen August, womit habe ich das verdient? Warum? Warum???“ August entgegnete ihr Geistesgegenwärtig, dass er es ja nicht so gemeint hatte und es eine reine Affekthandlung war, da er gerade in Trauer über den jungen Fußballspieler in völlige Abwesenheit versank und sich kurzum in einem Gebet gestört fühlte, für dessen umherirrende Seele und hoffte, dass sein Schnubbelchen, sein kleines Glückskäferchen doch Verständnis dafür haben müsse, denn schließlich war ja ein Mensch gestorben. Ein junger Mensch in der Blüte seiner Jahre. Erna: „Oh, August, ich wusste ja gar nicht, dass du so zartfühlend sein kannst, ja die Arme junge Frau Anke. Der liebe Gott hab sie selig, in so jungen Jahren.“ August wunderte sich zwar, was dieses Gebrabbel von „junge Frau Anke“ wohl zu bedeuten haben könnte, aber er hatte gerade eine wichtigere Aufgabe, er musste aufstehen. Aufstehen, um seine Aufrichtigkeit zu untermauern. Also tat er, was getan werden musste. Er stand auf und ging zu seiner Frau, die krampfhaft versuchte, sich die vorgestellten Tränen aus dem Gesicht zu wischen und er nutzte seinen jetzigen Vorteil und er redete mit seiner zuckersüßesten Stimme auf sie ein. „Schatzi, wie wärs? Ich wollte eigentlich gleich los und dein Geschenk abholen, dass ich extra für dich bestellt hatte und das angeblich heute kommen soll, ich denke aber, dass wir gemeinsam gehen und dir einfach noch etwas schönes dazu kaufen und du darfst dir aussuchen was du möchtest. Na?“ Er schluckte abermals kurz, bei seiner voreiligen Äußerung, aber wahrscheinlich war es genau das, was sie jetzt noch beruhigen konnte und das einzige Mittel, durch dass er zumindest in Ruhe zuende frühstücken konnte. „So, nun wisch dir die Tränen aus deinem wunderschönen Gesicht mein Engel, sonst muss ich doch alleine gehen, was schade wäre, denn ohne dich macht ein Stadtbummel nur halb so viel spaß.“ Nach Beendigung seiner scheinheiligen Lobhudelei lächelte er sie erneut an und legte sein rechtes Ohr auf Ernas Mittelscheitel und rollte mit den Augen. (Puh... „scheiß“ sagen war leichter.) Erna griff kurz nach seinem anderen Ohr und drehte sich um, damit sie ihm ein Küsschen aufdrücken konnte, was sie auch tat und strahlte ihren Göttergatten nun wieder hell an. Erna: „Lass uns schnell Frühstücken Schatz. Soll ich dir noch schnell ein Ei warm machen? Ich denke eins sollte reichen, nach der Aufregung musst du ja auf deinen Cholesterinspiegel achten, das sagt Dr. Peters auch immer. Obwohl, im Horoskop stand ja was anderes und wir machen ja einen Stadtbummel. Ach was soll’s, ich denke zwei Eier dürften auch kein Problem sein, wir bewegen uns danach ja gleich wieder.“ Gesagt getan und Erna sprang beschwingt auf, um für zwei schnelle 3 Minuten Eier zu sorgen. Da das Wasser im Topf noch auf köchelnder Flamme stand, waren diese auch bald gegessen. In der Zwischenzeit besann sich August, über das Problem, dass er jetzt hatte. Er musste Einkaufen. Er musste Laufen. Er musste viel einkaufen und sicher auch viel laufen, denn er musste seine Frau mitnehmen. Vor „allem“ musste er seine Frau mitnehmen. Eigentlich wollte er ja noch in die Kneipe von Kalle und sich den neuesten Tratsch anhören. Tratsch ist gut, vielleicht kommt seine Frau ja mit? Um Gottes Willen, was dachte er da bloß? Natürlich käme sie nicht mit, er kann sie nicht mitnehmen. Er darf sie nicht mitnehmen. Das wäre so, als würde er sie fragen, ob sie ihn in die nächste Tittenbar begleitet. Zudem könnte sie von einem Glas Rotwein sich so besoffen glauben, dass sie nachher selber tanzen möchte. Erna: „Schatz, hast du fertig gegessen? Sollen wir dann los?“ Erna stand schon in der Haustür. Mit ihrem Nerzmantel von SAGA WINK. August konnte seinen Augen nicht trauen. Sagte sie nicht eben selbst noch, dass wir Juni hätten? „Wieso ziehst du kurz vor Umstellung auf die Sommerzeit einen Nerzmantel an? Das ist brütend warm draußen!“ Erna: „Es ist frisch und nicht warm, ich friere. Lass mich anziehen was ich möchte, den hast du mir schließlich nicht umsonst in unserem Türkeiurlaub gekauft und ich möchte ihn gerne mal ausführen!“ Ausführen? Was redet sie da? Die Viecher sind tot! Wobei ich ja immer noch glaube, dass die Viecher noch nie wirklich lebendig waren. Den hatte ich für umgerechnet 60 Deutsche Mark erstattet. Heute wären das auch schon wieder knapp 90 Euro, demnach könnte ich gewinn machen, wenn ich ihn bei Ebay versteigere. Wäre ich da früher drauf gekommen, hätte sie wahrscheinlich nicht mal mehr gewusst, dass es den überhaupt gibt. Doch, ich denke so was vergisst eine Frau nicht, vor allem nicht die eigene. August: „Ok, aber ich schlepp den nicht durch die gegend, wenn dir darin zu warm werden würde.“ Erna: „Mir wird nicht zu warm.“ Nach 5 Minuten Fußweg und endlich in der Stadt angekommen, gings gleich rauf auf die wunderschöne Hafenpromenade. Die Leute winkten uns zu, knapp 2 davon kannten wir sogar. Obwohl sich Erna nicht mal sicher war, ob es die waren die sie meinte. Erna trug nun eine dünne Leinenjacke in Beige, die sie noch zusätzlich unter ihrem Mantel trug, den sie zwischenzeitlich abgelegt und über die Schulter geworfen hatte, galant, anmutig, wehend in der leichten Brise, aber scheiße warm über meine rechte Schulter. Mit den Worten: „Das ist ja wohl das mindestes was du tun kannst, stell dich nicht so an, du hast schließlich meinen Geburtstag vergessen.“ Demnach war eigentlich alles umsonst und wir könnten umdrehen und nach Hause gehen, aber Ok, man ist ja nachgebend, damit man nicht noch schlimmeres heraufbeschwört. Erna: „Schatz schau mal, die Hildebrandts, das ist ja eine nette Überraschung.“ Sofort und Hackenkehrtwende steuern Gundula Gaukeldei (Ingeborg Hildebrandt) Dagobert Duck (Pierre Jaqué Hildebrandt, keine Ahnung wie er zu dem Namen kam) auf uns zu, im Schlepptau ihr jüngster Sohn, Satanas (Bertram Hildebrandt) ...Sowas sieht man selten und wenn doch, dann bezahlt man ne ganze Menge Geld dafür, oder gleich mit dem Leben. Der Junge ist 14, trägt einen Ring durch die Nase, malt sich die Augen schwarz, stylt sich die Haare quer übers Gesicht und noch mal im Nacken zurück, er trägt einen Schlagring mit Dornen, auf dessen spitzen zusätzlich „BATCH“ gedruckt ist, er trägt ausschließlich schwarz und wahrscheinlich auch nur solange, bis er was dunkleres findet. Im Moment schaut er geradewegs auf den Nerzmantel den ich über der Schulter trage und dieser Blick lässt alle Eier kalt werden, so schnell kann Erna gar kein Wasser kochen wie das wieder zu friert. Während Erna und die Ducktales quatschen und lachen, kommt der Junge auf mich zu und greift mit seinem Schlagring in den Nerz. Satanas/Bertram: (leicht pubertierend heisere Stimme) „Ey...n schönes Tier...“ Weiße Kontaktlinsen schauen mir direkt in die Seele. „Ich hab selba ma son Tier gesehn...das war in ner Doku oder so, oder wo anders, oder, ach weiß auch nich...kann das noch voll sprechen und so?“ Ich hab mit allem gerechnet, aber nicht damit. August: „Hör mal, Bertram.“ Satanas/Bertram: „Ey, nich so förmig alta, nenn mich ruhig Satanas, wie alle meine Freunde...wir sind doch...Freunde?“ August: „Klar sind wir Freunde, zumindest zwangsweise. Ich frage mich gerade, warum du fragst ob das Tier sprechen kann?“ Satanas: „Ey, kennst du Ice Age nich, oder wo? Da is auch son Biber der kann auch sprechen...voll krass.“ August: „Schön.“ Mittendrin unterbricht Erna mein eingängiges Gespräch mit Prinz Valium. Erna: „August, komm doch mal rüber, steh da nicht nur so rum. Wie hieß noch mal diese tote Frau, über die wir heute Morgen gesprochen hatten? Du weißt schon, das Arme Ding, das sich seiner Bälle entledigt hat.“ August: „Enke? Wieso ihrer Bälle entledigt?“ Erna: „Hieß die nicht Anke?“ Satanas: „Yo Änke! Voll der Depp. Is ja jetz voll so der Volksheld und so. Per Anhalter durch die Galaxie, Endstation Bahnhof, Gleis 93/4 und ab ins Traumland...hehe“ Pierre Jaqué: „Anke? Das war doch dieses großbusige Blonde Zuckerstück auf der Rückseite, nicht wahr? August? Ha ha ha“ Erna: „Mein August würde nie auf solche Schmuddelbilder gucken, nicht war August? August?“ August: „Entschuldige, ich war abgelenkt von deinem kleinen...Satansbraten hier. Was weißt du über Enke?“ Satanas: „Ich weiß das, was die Zeitung mir beibringt zu wissen. Angeblich hat der kein Bock mehr auf Socker gehabt und hat sich danach entschlossen, all seine Knete seiner alten zukommen zu lassen, keine Ahnung obs stimmt man...ich weiß nur, dass der 35.000 engste Freunde hat, mit denen er seine Beerdigung gefeiert hat...Ok, er weniger, aber die haben gefeiert, war ja n Star, weißt?“ August: „Ja, aber wieso sagst du das so abfällig?“ Satanas: „Weil er am Ende selber nur Abfall war ey... zumindest hat er wie Abfall gehandelt. Hat sich einfach weggeschmissen. Hat alles weggeschmissen, von jetzt auf gleich man. Man sagt der litt an Depressionen. Voll der Emo ey, aber mir kann man nix.“ August: „Emo?“ Satanas: „Ja...diese kleinen Heulsusen, die sich alles kaputt schnippeln, weil sie keine Liebe bekommen, oder man nich in ihr fettes tonnenschweres Herz gucken kann, maaaaan, die gehen mir alle voll auf den Keks mit ihrem dauernden Rumgeheule und am Ende schmeißen die sich vorn Zug, voll die Egomanen.“ - Kurze Gedenkpause Satanas: „Bisher hat’s nur einer geschafft für Tausende nen Denkmal zu setzen und das war dieser Änke und womit? Er sorgte für ne Zugverspätung und dafür, dass ein Zugführer sich sein Leben lang Schuldgefühle antun muss, denn der hat jetzt 35.000 engste Verwandte zum Feind.“ Satanas: „In der Bild stand ne ganz blöde Frage zum Schluss, da stand einfach nur. Warum? Die Zeitungen sind sich aber keiner Schuld bewusst...aber von irgendwoher müssen die Freunde ja kommen, die Feinde übrigens auch glaub ich.“ August: „Schon seltsam wie viele Freunde man nach dem Leben haben kann. Da fragt man sich, ob nach mir jemand fragen würde und wer dann darunter leiden müsste.“ Satanas: „Kein Problem Kumpel, du hast auch ohne Nerz in vielen Herzen einen Platz....am Ende kommt eh Erde drauf und n Stein auf die Spitze. he he Und nur weil du August heißt, ist dein letzter Herbst noch nich in Reichweite. Alles klar man?“ Wie sehr der Schein doch manchmal trügen kann, dachte August, denn mit dem Kleinen hatte er das wohl ehrlichste Gespräch seiner vergangenen 45 Jahre geführt. Ganz oft muss man nur sprechen, um sich selbst zu helfen. |
03.02.2010, 22:45 | #2 | |
Lyrische Emotion
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Hi pringles,
ich habe mir diesen Mammuttext jetzt durchgelesen. Ich finde allerdings, daß er viel zu weit ausholt, bis er endlich zum Punkt kommt, das hätte deutlich kürzer gehalten werden können. Klar wolltest du den Alltag von Erna und August bildlich darstellen. Zusätzlich zeigst du, wie August versucht, den Kopf bezüglich des vergessenen Geburtstags seiner Erna aus der Schlinge zu ziehen. Da sind auch ganz witzige Stellen dabei, die jedoch keinesfalls die Länge des Textes rechtfertigen. Natürlich versuchst du hier auch das aktuelle Tagesschehen aus der Sicht des Bildzeitungslesers darzustellen. Alles innerhalb einer kleinen spießbürgerlichen Familie, wo sich Erna um die Temperatur der (gekochten) Eier ihres Augusts Sorgen macht. Der Schluss dagegen stimmt wieder etwas versöhnlich, weil hier das Bild einer Randgestalt der Gesellschaft sehr positiv dargestellt wird und August das Gefühl hat, das beste Gespräch seit Jahren geführt zu haben. Der Dialog zwischen August und Satanas gefällt mir sowieso am besten. Ob sich allerdings ein August wirklich auf so ein Gespräch einlassen würde, erscheint mir ziemlich fraglich. Ein Fehler ist mir noch aufgefallen. Die ganze Geschichte ist aus Sicht eines Erzählers geschrieben, nur in der Mitte wechselst du plötzlich zur Ich-Form. Zitat:
Fazit: Durch die eingestreuten Klischees, die Verarbeitung eines (damals) aktuellen Themas und den Erzählstil lässt sich diese Geschichte lesen. Aber, wie schon gesagt, wirkt sie zwischenzeitlich etwas langatmig auf mich. Der Schluss und die Conclusio, daß Reden oftmals hilft, versöhnen wieder etwas. Trotzdem gerne gelesen und kommentiert... Liebe Grüße Bis bald Falderwald
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