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Alt 14.04.2010, 07:18   #1
Pedro
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Dieses Kapitel stelle ich verkürzt ein. Was nicht wichtig ist für den Fortgang der Geschichte, habe ich gestrichen.



10


Ich komme am Haus von Don Marcelo vorbei. Es ist das einzige Haus hier an der Küste, das ein größeres Grundstück hat, Schwimmbad, große Terrasse. Don Marcelo besitzt mehrere Boote, die er an Fischer verleiht. Er fährt einen Mercedes, es scheint ihm finanziell blendend zu gehen.
Ich gehe weiter, komme an die offene Seite der Bucht, laufe am Meer entlang. Hier stehen einige Wochenendhäuser.
Dann steige ich den Hügel auf einem schmalen Pfad empor und komme zur „Jungfrau Maria“. Sie steht da, schaut über das Meer und soll Menschen in Not helfen. Claudia hat sie nicht geholfen.
Ich erinnere mich an die Fotos, die ich bei der Polizei in Tomé gesehen habe. Etwas unterhalb der Maria ist ein fast ebener Platz, so groß wie ein Doppelbett. Hier war Claudia in den letzten Minuten ihres Lebens. Von hier kann man mein Haus auf dem Berg sehen, die Fahnen, die Terrasse. Und wenn es dunkel ist, sieht man das Licht am Hauseingang.
Das Gras hat sich längst wieder aufgerichtet, ist wieder gewachsen, man kann nicht mehr sehen, was da passiert ist.
Direkt hinter dem ebenen Platz beginnt die Steilküste, fällt etwa 20 Meter zum Meer hinab. Über zerklüftete Felsen rollen Wellen. Möwen fliegen vorbei.
Ich habe einmal in einem Krimi gelesen, dass der Tatort genauestens untersucht wird, jeder Zentimeter kann wichtig sein.
Es ist zwar schon fast ein Jahr vergangen, aber ich knie mich auf den Boden, schaue die Erde an und taste den Boden ab. Ich glaube kaum, dass ich nach so langer Zeit etwas finden könnte, was mit der Tat zu tun haben könnte.
Das Einzige, was hier liegt, scheinen Kronkorken von Bierflaschen zu sein, jede Menge.
Es ist heiß, ich ziehe meine Jacke aus. Durst habe ich. Das Ganze hat doch überhaupt keinen Sinn, denke ich.
Ich stehe vom Boden auf, ziehe meine Jacke wieder an. Als ich gerade weggehen will, sehe ich etwas in der Sonne blitzen, sicher wieder ein Kronkorken denke ich. Ich will aber genauer sehen, um was es sich handelt. Da ist das Blitzen schon wieder verschwunden. Als ich wieder durch die Gegend schaue, sehe ich es wieder. Das soll etwas mit dem sogenannten „Blinden Fleck“ zu tun haben, den man im Auge hat, habe ich mal gelesen. Wenn man manchmal etwas genauer fixieren will, verschwindet es.
Dann sehe ich es wieder.
Ich gehe hin, bücke mich und hebe einen Knopf auf. Der Knopf ist aus Metall, rund und dick, etwas verrostet, so etwas habe ich an bayrischen Trachten in Deutschland gesehen und irgendwann, irgendwo bei jemanden auch hier.
Nachdenklich gehe ich langsam zurück, komme auf die Küstenstraße und sehe wieder diesen Mann aus einem Elendsviertel. Die gleiche Kleidung trägt er, wahrscheinlich hat er keine andere. Er schaut mich kurz an und geht an mir vorbei in Richtung Madonna. Jemand, der dort beten will?
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Alt 15.04.2010, 04:02   #2
Pedro
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In den Kapiteln 11 und 12 treffe ich mich mit meinem Freund Edgardo, er ist Arzt, z.Zt. Leiter eines Krankenhauses. Ich erzähle ihm von Claudia, er meint meine Nachforschungen könnten gefährlich werden. Er will aber einen Termin bei dem Pathologen vereinbaren, der Claudia obduziert hat.

13

Der sitzt da noch immer so am Eingang des Elendsviertels. Seine roten, breiten Hosenträger sind etwas verblichen. Er ist 25 Jahre älter geworden.
Die Hosenträger waren schon damals sein ganzer Stolz , einem amerikanischen Touristen hatten sie sie weggenommen, der in dieses Viertel gegangen war, um Fotos zu machen.
Er hatte nicht nur seine Hosenträger dabei verloren, sondern auch seinen Fotoapparat, seine Lederjacke, seinen Hut, seine Sonnenbrille und auch seine Geldbörse hatte er abgeben müssen.
Ich hatte gehört, dass er sich danach auf einer Polizeistation bitter über die Zustände hier in Chile beklagt hatte. Er könne froh sein, dass ihm nur die paar Sachen abhanden gekommen seien, hatte ihm ein Polizist gesagt. In den USA gäbe es schließlich auch Stadtviertel, in die man besser nicht hineingehe.
Dieses Viertel „Aguita de la Perdiz“ betrete nicht einmal die Polizei. Hier wohnten fast nur Kriminelle, als Leute, die weder befehlen noch gehorchen könnten, hatte sie Präsident Pinochet bezeichnet.
Dieses Viertel würde bald verschwinden, man wolle Hochhäuser dahin bauen.
José heißt er, war damals 12 Jahre alt , geistig behindert, er isst überall mit, wo er gerade ist und schläft auch dort.
Alle fremden Neuankömmlinge begrüßt er teils freundlich, teils aggressiv, je nachdem wie er gerade drauf ist.
Er schaut mich an, sein Gesicht verzerrt sich vor Freude und schreit:
„Don Pedro ist wieder da, der Fußballer!“ Springt dann um mich herum und umarmt mich. Ich bin erstaunt, dass er mich erkannt hat.
Solchen Empfang hätte ich nie erwartet.
Dann kommt mir Jaime entgegen, 1,90 m groß, dürr, mit einer riesigen Hakennase im Gesicht. Er war damals 20 Jahre alt. Er umarmt mich, drückt mich an sich und klopft mir auf die Schultern. Er war damals die Stütze der Abwehr, hatte bei seiner Körpergröße jeden Ball erreicht.
„Don Pedro, wie ist es Ihnen in dieser langen Zeit ergangen, gesund sehen sie aus, etwas dicker, heute hätten sie Schwierigkeiten beim Fußballspiel.“
„Ja, älter ist man geworden, die Zeit ist schnell vergangen, ich bin jetzt pensioniert und wollte mal sehen, wen ich noch hier kenne und wer mich noch hier kennt.“
„Sie werden staunen, wer sich noch alles an sie erinnert, oft sprechen wir von diesem wunderbaren Fußballspiel, das wir durch Sie gewonnen haben. Zum ersten Mal konnten wir gegen die Eisenbahner gewinnen, auch zum letzten Mal. Die haben damals immer gesagt, dass es keine Kunst sei, mit einem Deutschen in der Mannschaft zu gewinnen. Die Deutschen könnten eben alle hervorragend Fußball spielen.“
Inzwischen sind noch mehr Leute angekommen, drängen sich um uns herum, schütteln mir die Hand. Ich kann mich nicht an ihre Gesichter erinnern.
Ich werde weiter durch die Straße geschoben, die einstöckigen Holzhäuser stehen noch immer so wie damals, eins an das andere gelehnt, sich gegenseitig abstützend, angemalt mit Farben, die gerade billig waren.
Wir kommen dann zum Laden von Don Rubén, damals war es ein kleiner Laden, in dem man Grundnahrungsmittel und alkoholische Getränke kaufen konnte. Heute ist es ein kleines Restaurant.
Auch Don Rubén erkennt mich sofort, umarmt mich, lädt mich ein. Wir sollten uns alle hier hinsetzen und einmal wieder über alte Zeiten reden, sagt er.
Älter ist er geworden, trägt immer noch seine Schirmmütze nach hinten geschoben. Sein Gesicht ist bronzefarben, sein Haar hat sich gelichtet, an den Schläfen pochen Adern, bis auf den Bauchansatz ist er hager geblieben.
Er bringt auch gleich eine große Karaffe Rotwein an den Tisch, Gläser werden gefüllt, wir trinken einander zu.
„Ja, das waren noch Zeiten damals, es ging uns zwar dreckiger als heute, aber da war Einigkeit und Kameradschaft. Viele von damals wohnen jetzt nicht mehr hier, etliche sind gestorben“, sagt er.
Ich muss von Deutschland erzählen, was ich da gemacht habe, über die Familie, aber immer wieder kommt dann das Gespräch auf das Fußballspiel.
„ Weißt du noch, wie ich dir einen Pass zugespielt habe, und du aus vollem Lauf den Ball in die linke obere Ecke des Tores geknallt hast? Das war ein Bombenschuss, gekonnt, nicht nur Glück, wie du immer gesagt hast“, sagt Jaime.
Ich hatte immer versucht, den Leute zu erklären, dass ich nicht besonders Fußball spiele, hatte zwar mal einige Spiele in der untersten Liga in Deutschland mitgemacht, kann mich aber nicht erinnern, dass unsere Mannschaft jemals ein Spiel gewonnen hätte.
Mit allen Mitteln hatte ich mich gewehrt, an dem Spiel teilzunehmen, wollte mich nicht lächerlich machen. Manuel, ein Sozialarbeiter, hatte mir gesagt, ich solle mitmachen, allein die Tatsache, einen Deutschen in der Mannschaft zu haben, würde alle zu Höchstleistungen anspornen und den Gegner total verunsichern.
Ein Chilene fürchte nichts mehr, als sich lächerlich zu machen. Die Gegner würden annehmen, dass ich als Deutscher ein hervorragender Fußballspieler sei, würden mich nicht direkt angehen, aus Angst sich lächerlich zu machen, erklärte er mir.
Nach reichlich genossenem Alkohol hatte ich mich dann bereit erklärt, mitzumachen.
„Und das zweite Tor erst, eine Flanke mit dem Kopf angenommen und in die Ecke geköpft“, rief Don Rubén. Und das war auch kein Zufall, wie du immer gesagt hast!“
„Und dann das Fest am Strand, mit viel Wein und dem Hammel, den wir gewonnen hatten“, sagt Don Martín, der gerade dazu gekommen ist.
Don Martín war damals die Person im Viertel gewesen, die alles geordnet hatte, so eine Art Friedensrichter oder Mafiaboss. Er hat immer einen Anzug an, trägt ein weißes Hemd mit Krawatte. Er erinnerte mich an den Paten. Mit ihm hatten wir, chilenische Rechtsanwälte, Sozialarbeiter und ich, auch verhindert, dass das Viertel in Bauland für Anleger umgewandelt wurde.
Das wichtigste Ergebnis eigentlich für die Menschen hier, sie sahen aber das Fußballspiel als viel wichtiger an.

„ Erinnert ihr euch noch, dass dann Don Pedro, wir hatten schon viel getrunken, sagte, dass er schon Rodeos gewonnen habe, und wir ihm natürlich das Pferd bei der Rückkehr vom Strand überlassen haben“, ruft El Pato dazwischen, und ein riesiges Gelächter bricht aus, den Leuten laufen die Tränen über das Gesicht.
„Und dann“, El Pato kann kaum weitersprechen, „dann blieb das Pferd mit Don Pedro in einer großen Wasserlache stehen, und wir mussten ihn da herausholen.“
Und andere erzählen von damals, von Ereignissen, an die ich mich nicht erinnern kann.
Die Geschichten werden immer wieder erzählt, ändern sich dabei, die vergangene Zeit lässt sich nicht wiederholen. Das Gleiche passiert wohl mit Geschriebenem, es wird immer wieder neu gelesen, neu interpretiert, verändert sich dabei, aber keiner schreibt die Geschichte neu.

Es wird langsam Zeit, dass ich hier wegkomme, für einen Moment habe ich Claudia vergessen, habe fast geglaubt, dass ich ein Fußballass war, bin gerührt über die Aufnahme hier.
Ich gehe Don Rubén hinterher, als er wieder Wein holen will, sage ihm, dass ich seine Hilfe in einer besonderen Angelegenheit brauche. Wenn möglich würde ich mich gerne mit ihm und El Pato übermorgen, am Samstag, in Concepción im Stadtpark treffen, gegen 12.00 Uhr. Wir könnten zusammen bei der Feuerwehr zu Mittag essen. Er wird mit El Pato reden.
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Alt 16.04.2010, 03:54   #3
Pedro
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14

Viele Menschen, Männer, Frauen, Kinder, Alte, Junge. Campanas Hochzeitsfest hat begonnen. Die Schwester seiner Frau arbeitet bei der Gemeindeverwaltung in Tomé, deshalb kann er seine Feier in der Schule in Coliumo machen. Ein kleines, einstöckiges Gebäude im Grünen.
Ein Klassenzimmer ist mit vielen Blumen geschmückt, alle sitzen auf Stühlen vor langen Tischen. Die Standesbeamtin erledigt die Trauung, professionell und unpersönlich. Alle sind gerührt. Campanas Frau musste auf diesen Tag zwanzig Jahre lang warten, hat sie mir erzählt. Sie ist jetzt glücklich.
Nach der Trauung wünschen alle Glück und überreichen teilweise Geschenke. Ich habe Campana ein Schaf zum Grillen geschenkt, seiner Frau ein Armband und Ohrringe, die sie sich selber wohl nie gekauft hätte. Sie freut sich riesig, zeigt ihren Schmuck überall herum. Niemand würde denken, dass sie eine Frau aus dem Viertel hier ist, etwa vierzig Jahre alt, schlank und hübsch, die dunklen Haare hoch gesteckt, unauffällig geschminkt, ein helles modernes Sommerkleid hat sie an. Sie geht überall herum, nimmt Glückwünsche entgegen und strahlt. Campana ist immer an ihrer Seite, scheint sich etwas unbequem in seinem neuen Anzug und dem gestärkten weißen Hemd mit Krawatte zu fühlen.
Laufend wird Sekt angeboten, eine Unmenge Happen, mit Muscheln und Fisch belegt, gibt es.
Ich gehe in den Hof. Campanas Bruder steht sofort neben mir und reicht mir ein Glas Rotwein, das wievielte ist das heute?
Ich setze mich in den Schatten eines Baumes, etwas abseits, hier ist es ruhiger.
Plötzlich kommt jemand von hinten, hält mir die Augen zu und gibt mir einen Kuss auf den Hals.
Ich drehe mich um und sehe Viviana.
Viviana, eine Freundin von mir, als ich vor vielen Jahren allein in Chile war. Sie studierte damals Kunst und kam immer abends zu mir. Eines Tages fragte sie mich dann, wann wir endlich heiraten würden. Ich fiel fast aus den Socken, erklärte ihr, dass ich noch nicht einmal geschieden wäre. Sie sprach dann von Schwierigkeiten, die sie mit ihren Eltern habe, wenn sie immer nachts bei mir wäre, auch die Nachbarn schauten schon komisch.
Als ich dann fragte, was ihre Eltern den Nachbarn erzählen würden, sagte sie: „ Die sagen, dass ich nachts einen alten, kranken Mann hüten würde!“
Ich lachte und sagte ihr, dass das ja stimme.
Es war eine sehr schöne Zeit mit ihr.
„ Ich lebe jetzt in Santiago, bin verheiratet und habe drei Kinder. Mein Mann ist Lehrer und fürchterlich eifersüchtig. Am besten wir tun, als wenn wir uns nicht kennen würden!“, sagt sie leise.
Sie gibt mir schnell einen Kuss, diesmal auf den Mund und läuft davon.

Im Hof werden zwei Schafe gegrillt, Gemüse und Kartoffeln zubereitet.
Ich treffe Don Juan. Seine feinsten Kleider hat er angezogen, einen dunklen Anzug und ein passende Jacke dazu, ist etwa siebzig Jahre alt, hat schon öfter für mich gearbeitet. Er trinkt keinen Alkohol mehr, war Alkoholiker.
„ Allerhand los hier heute“, sagt Don Juan zu mir, „wie geht’s denn so?“
„ Gut, wie soll es einem hier schlecht gehen, bei dem vielen gutes Essen und Trinken. Wie geht es Ihnen?“
„ Ich hatte in letzter Zeit einige Probleme mit meinem Rücken, aber jetzt geht’s wieder besser. Das ist halt das Alter!“
Campana kommt, die Krawatte ist verschwunden. Er fragt mich, ob ich auch alles hätte, was ich brauche, genug zu essen und zu trinken.
„Viel zu viel“, sage ich, Ihnen zu Ehren habe ich einen Anzug angezogen, bekomme die Hose kaum zu.“
Er lacht.
Dann kommt das Essen, Hammel vom Grill, Salate, Kartoffeln, Gemüse und sehr viel Rotwein.
Ich rede mit meinen Tischnachbarn, sie sind fast alle von hier, aus diesem Viertel, kennen mich inzwischen oder wissen mindestens, dass ich der Deutsche bin, der da oben auf dem Hügel ein Haus hat und jedes Jahr für einige Monate kommt.
„ Ja, in so einem kleinen Kaff weiß jeder fast alles von jedem“, sagt jemand am Tisch zu mir. „Hier ändert sich nichts und passiert nichts, das Leben wird nicht besser, aber auch nicht schlechter. Der Fischfang ist allerdings schlechter geworden“, fügt er dann hinzu. Er ist Fischer wie so viele hier.
Ich frage ihn, ob hier viel gestohlen wird.
„Nur kleinere Dinge, auch mal eine Wasserpumpe wird mitgenommen, aber sonst passiert wenig hier. Fast immer sind es irgendwelche Jugendliche, die zu viel getrunken haben.“
Wir gießen uns gegenseitig Wein ein, er hat schon einiges mehr getrunken als ich, sagt, dass er wohl mal besser an die frische Luft gehen sollte. Ich begleite ihn.
„Sagen sie mal, ist es in Deutschland jetzt wirklich so kalt?“ fragt er mich.
„ Im Winter, haben wir schon tiefe Temperaturen im Vergleich zu hier, öfter unter null Grad. Aber alles wird beheizt, die Häuser und die Busse auch.“
Einer, der zu viel getrunken hat, wird gerade von zwei jungen Männern nach Hause gebracht. Das passiert hier ohne jeden Skandal. Die Leute kennen sich alle, auch die ganz alten Menschen sind dabei, der Urgroßvater gehört dazu, wird mitgenommen und wieder nach Hause gebracht.
„ Der Victor hat mal zu wieder zu viel getrunken, ist das nicht gewöhnt, lebt meistens bei seiner Mutter in Santiago“, sagt jemand nehmen mir. Ich schaue den Victor an, er hat eine bayrische Trachtenjacke an, an der ein Knopf fehlt.
„ Victor?“, frage ich.
„Ja, das ist der Victor Perez, der gerade bei seinem Vater zu Besuch ist.“

Alle setzen sich wieder an die Tische, es gibt Eis und Pisco-Schnaps dazu in großen Mengen. Die Stimmung wird immer ausgelassener.
Ich sitze jetzt neben Don Juan.
„ Bei uns in Deutschland gibt es ein Haufen Probleme mit Jugendlichen, die zu viel Alkohol trinken. Wie ist das hier?“ frage ich ihn.
„ Probleme? Nein, eigentlich gibt es kaum Probleme mit den Jungen, mal ein paar Streiche, aber nicht mehr!“
„ Und Claudia Palma?“, frage ich ihn.
Er schluckt, sagt zunächst nichts und beginnt dann etwas zögernd:
„ Das war etwas anderes, so was war bei uns noch nie vorher passiert.“ Er schüttelt den Kopf. „Darüber spricht auch keiner gerne hier. Die Claudia war schon immer ein besonderer Fall. Sah so toll aus, machte alle dadurch an und hatte nie einen Freund hier. Sie glaubte wohl, sie wäre etwas Besonderes und wartete auf einen Prinzen. Die hier waren ihr wohl nicht gut genug. Im vergangenen Februar ist sie dann vergewaltigt worden, wohl von zwei Männern, der eine soll von auswärts gewesen sein. Dass sie sich danach gleich das Leben genommen hat, versteht auch niemand hier!“
Ich stehe auf, es ist Zeit für mich zu gehen. Die Leute haben angefangen zu tanzen, ich dränge mich hindurch, Campana kommt.
„Warum gehen denn Sie so früh?“ fragt er mich, „ hat es Ihnen nicht gefallen?“
„ Doch, doch, alles war prima, vielen Dank noch einmal für die Einladung. Ich muss noch etwas arbeiten. Sie wissen doch, dass ich ein Buch schreibe.“
Er begleitet mich zur Tür, und ich sehe jemanden gerade verschwinden, den ich kenne: El Pato.
Ich frage Campana, wer das sei.
Er sagt: „ Das ist jemand, der hier nicht wohnt und auch nicht hier hingehört, jemand von auswärts, kein guter Mensch! Er hat einen Onkel hier, dem er ab und zu beim Fischfang hilft.“
Ich gehe langsam aus dem Hof und sehe wieder den Mann aus dem Elendsviertel. Ich spüre, wie er mir nachschaut.
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Alt 17.04.2010, 04:53   #4
Pedro
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15

Rubén und El Pato warten schon vor dem Restaurant. Wie El Pato in Wirklichkeit heißt, weiß ich nicht, er geht wie eine Ente, darum nennen sie ihn Pato. Mittelgroß, besteht nur aus Muskeln. In der Zeit, als ich die beiden kennen lernte, fragte man nicht viel, nicht nach Namen, nicht nach Adressen. In der Zeit der Diktatur war es besser so wenig wie möglich von einander zu wissen.
Wir gehen ins Restaurant, einfache Holztische, ein paar Bilder aus Bayern an der Wand. Früher existierte eine Organisation, die sich Deutsche Feuerwehr nannte, das war ihr Club-Lokal.
Die Preise sind niedrig, einfaches deutsches Essen. Wir bestellen Schweinebraten, Kartoffelbrei und Sauerkraut und trinken Bier dazu.
„Na, wie geht’s denn so“, frage ich.
Rubén sagt:
„Weißt du, wenn man am Rand eines Scheißhauses geboren wurde, dann muss man sich damit abfinden, ab und zu in Scheiße hineinzutreten!“
El Pato nickt: „Manches ist besser geworden, wir haben Arbeit, wenn sie auch beschissen bezahlt wird. Ab und zu müssen wir etwas tun, um unsere finanzielle Situation zu verbessern. Wir schaffen dann einen gerechten Ausgleich. Da hat sich grundlegend nichts geändert gegen früher. Aber wir leben immerhin noch, müssen nicht ständig Angst haben, festgenommen und gefoltert zu werden.“
Das Essen kommt, wir bestellen noch mehr Bier.
„Sag mal, esst ihr in Deutschland wirklich jeden Tag Sauerkraut?“ fragt Rubén.
„Quatsch, ich habe schon ewig kein Sauerkraut mehr gegessen. Das sind Märchen, die man Touristen erzählt.“
„Schmeckt aber nicht schlecht, das Zeug“, sagt El Pato.
„ Da schlich doch immer ein Typ in eurem Viertel herum, ich glaube Felipe hieß er, wurde vom Geheimdienst bezahlt und übermittelte alles, was er so aufschnappte. Was ist denn aus dem geworden?“
El Pato verzieht sein Gesicht, als wenn er gleich in Tränen ausbrechen würde: „Ja, das war eine tragische Geschichte. Ich glaube, es war 1986. Da ist ihm doch tatsächlich ein Dachziegel auf den Kopf gefallen, er war gleich tot.“
„Ja, so war das“, sagt Rubén, „die Gott liebt, ruft er eben schnell zu sich.“
Als Nachtisch gibt es einen Pudding. Ich bezahle, wir gehen raus und setzen uns in den Park.

„ Ihr wisst, dass ich ein Häuschen in Coliumo habe. Vor einem Jahr habe ich da eine junge Frau kennen gelernt.....“
El Pato fängt an zu grinsen, Rubén nickt beifällig.
„Nein, das war nicht so, wie ihr jetzt denkt, das war eine andere Beziehung oder gar keine Beziehung, vielleicht wäre es eine Beziehung geworden.
Als ich in diesem Jahr zurück kam, war die Frau tot. Vergewaltigt, und wahrscheinlich ist sie ermordet worden.“
Die beiden schauen mich an, merken mir an, dass es für mich nicht nur eine Gelegenheit war, mich an eine junge Frau heranzumachen.
„ Und wer waren die Täter?“ fragt Rubén.
„Man hat sie nicht gefunden, die Polizei nimmt an, dass es mehrere waren.“
„ Und wobei sollen wir dir nun helfen? Irgendetwas kann man immer machen. Erinnerst du dich an die Geschichte mit dem Kiosk?“, sagt Rubén.

1983 arbeitete ich in einem Projekt mit, wir wollten behinderten Menschen helfen zu überleben. Einer sollte einen Kiosk erhalten und dort Zeitungen, Süßigkeiten und Zigaretten verkaufen. Ich fand auch einen Mann, der einen Kiosk billig anfertigen wollte. Der forderte dann immer mehr Geld, der Kiosk wurde nicht fertig. Ich besprach dann meine Schwierigkeiten mit Rubén und El Pato.
„Das war gar nicht so schwer“, sagt Rubén, „wir haben mit dem Mann nur einmal vernünftig geredet!“
„Ja,“ sagt el Pato„ „der Mann hat dann seinen Fehler eingesehen, als wir ihn daraufhin gewiesen haben, dass er als Familienvater besser auf seine Gesundheit achten müsste, ich glaube er hat dir sogar Geld zurück gezahlt, weil er sich verrechnet hatte. Der Kiosk war dann auch nach zwei Tagen fertig.“
„Ihr habt mir damals sehr geholfen.“
„Das war doch wohl klar, dass wir dir helfen mussten bei allem, was du für uns getan hast“, sagt Rubén.
„Dieses Mal ist es etwas schwieriger. Ich glaube, ich kenne einen der Täter, der Claudia Palma vergewaltigt hat, einen Jugendlichen, etwa 20 Jahre alt, Victor Perez, heißt er. Sein Vater, Marcelo Perez, ist einer der reichsten Leute in diesem Viertel, hat mehrere Boote und vermietet sie an Fischer. Ich weiß aber nicht, wie ich die Namen der anderen herausfinden kann.“
„ Da ist schon zu viel Zeit vergangen“, sagt El Pato, „da kann man wahrscheinlich nichts machen!“
„Das scheint mir nicht so schwierig zu sein“, sagt Rubén, wir werden den jungen Mann einfach mal fragen! Du hast doch da irgendeinen Onkel, Pato, der Fischer ist. Dem hast du doch letztes Jahr auch geholfen. Wir schauen mal, was da zu machen ist, rufen dich dann auf deinem Handy an, wenn wir mehr wissen.“
„Im Februar war ich nicht in Coliumo, ich war in Viña, ein Onkel hat da eine Eisenwarenhandlung, Fernando Gomez heißt er.
Was willst du dann mit den Männern machen, wenn du sie gefunden hast?“ fragt El Pato.
„Weiß noch nicht genau, vielleicht der Polizei übergeben oder was ganz anderes.“
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Alt 18.04.2010, 15:49   #5
Pedro
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17

Man müsste irgendetwas tun, um den Deutschen zu beruhigen, ich weiß nur noch nicht genau, was man da machen könnte. Ich lasse ihn ständig beobachten, weiß aber nicht immer, was da eigentlich vorgeht, was er eigentlich weiß.
Wenn herauskäme, dass ich da beteiligt war, kann das üble Konsequenzen für mich haben.
Wenn der Deutsche erst einmal misstrauisch wird, müsste ich wohl die Notbremse ziehen. Dabei wäre ich allerdings auf mich alleine gestellt, aus der Aguita wird mir da niemand helfen.
Gut, dass er schon ein alter Mann ist.
18


18

Rubén und El Pato warten schon im Park auf mich. Rubén sagt: „Ja, das war nicht so kompliziert, El Pato hat schon alles allein geregelt.
El Pato klärt mich auf:
„Du hattest Recht, zwei Männer haben die Claudia Palma vergewaltigt. Der eine war der Sohn von Marcelo Perez, Victor heißt er, der andere Jorge Castillo, ein Fischer.
Ich bin gestern nach Coliumo gefahren und habe das Haus von Don Marcelo beobachtet. Am Nachmittag kam Victor Perez raus, hatte sein Angelzeug dabei und ging zur Küste. Er ist dann zur Steilküste gegangen, hat sich auf einen Felsen gesetzt und fing an zu angeln . Ich habe ihm etwa eine Stunde Zeit gelassen, näherte mich ihm dann und habe gefragt, wie es mit dem Fischfang sei. Er hat gesagt, dass Fischen hier werde immer schlechter, länger als eine Stunde hatte er hier schon gewartet, keinen einzigen Biss.
Wir haben dann noch über dies und das gesprochen, dann habe ich das Gespräch auf Claudia Palma gelenkt. Ja, das sei ein Unglück gewesen, die schöne Claudia sei vergewaltigt worden, man wisse nicht von wem.
Ich hab ihn dann gebeten, sein Gehirn etwas anzustrengen, vielleicht kämen ihm dann ja Erinnerungen, die etwas mit der Claudia Palma zu tun hätten. Ich hatte mich inzwischen direkt hinter ihn gestellt, legte ihm die Hände auf die Schultern.
Mit der Claudia Palma habe er nichts zu tun, sagte er dann und wurde ziemlich nervös.
So an der Steilküste zu angeln, sei nicht ungefährlich, habe ich zu ihm gesagt, man könne nämlich leicht herunterfallen, solche Unfälle seien schon öfter passiert.
Der Typ hat mich angeschaut und gemerkt, dass es ernst wird. Er hat versucht, von der Steilküste etwas wegzukommen, aber ich habe ihm mit beiden Händen auf die Schultern gedrückt. Der konnte dann nicht mehr zurück und auch nicht aufstehen.
Seine Angel hat er fallen lassen, die fiel dann auch runter in die Felsen, etwa dreißig Meter runter.
Wer ich sei und was ich eigentlich von ihm will, hat er mich gefragt. Ich hab dann gesagt, dass ich nur ein paar Auskünfte von ihm brauche und mit der Polizei nichts zu tun habe.
Er hat dann wieder gesagt, dass er nichts von der Claudia Palma weiß. Erst als ich ihm einen kleinen Stoß versetzt habe und er über die Felskante gerutscht ist, wurde er zugänglicher. Mit den Füßen konnte er sich noch an einer Felskante abstützen, mit den Händen hielt er sich weiter oben fest.
Er sagte dann, dass er und der Jorge ziemlich betrunken waren, als die Claudia an ihnen vorbei gegangen ist. Die beiden haben gewusst, dass sie öfter zu der Jungfrau auf den Felsen geht.
Sie sind ihr nachgegangen, die Claudia hat erst mal nichts gemerkt. Erst als sie vom Pfad abgebogen ist, um zur Jungfrau zu kommen, hat sie sie gesehen. Sie hat angefangen zu rennen, aber die beiden haben sie gleich eingeholt und zur Madonna hoch geschleppt. Die Claudia hat gesagt, dass sie keinen Blödsinn machen sollen, aber der Victor hat ihr die Bluse aufgerissen und sie auf den Boden geworfen. Der Jorge hat ihr die Hosen runtergezogen. Die Claudia hat sich gewehrt wie eine Verrückte, hat geschrieen, aber niemand hat sie gehört.
Na ja, dann haben die beiden sich abwechselnd über sie her gemacht, die Claudia hat nicht mehr geschrieen und sich auch nicht mehr gewehrt.
Als die beiden mit ihr fertig waren, ist die Claudia aufgestanden, hat sich ihre zerrissenen Sachen wieder angezogen, hat die beiden angeschaut und gesagt, dass sie das bezahlen würden, der Victor und der Jorge, dass sie sie anzeigen würde, dass sie für lange Zeit in den Knast kommen würden. Und der Vater vom Victor auch, der habe sie vergewaltigt, als sie sechzehn war.
Aber dann ist sie plötzlich vom Felsen in die Klippen heruntergesprungen.
Der Victor ist kreidebleich an der Felsenkante gehangen, ich habe ihn dann wieder hoch gezogen.
Der Jorge ist ja schon vor einem halben Jahr im Meer ersoffen.“
El Pato zündet sich eine Zigarette an und stößt den Rauch nervös aus. „Die Sache ist ja nun geregelt“, meint er zu mir, „oder was meinst du?
Du kannst dir nun überlegen, was du mit dem Victor machen willst.“
Ich nicke. Denke aber, irgendetwas stimmt hier nicht, irgendetwas geht mir durch den Kopf, ich kann aber die Idee nicht genauer entwickeln. Das ganze scheint mir zu einfach zu sein. Oft habe ich darüber nachgedacht, was ich denn eigentlich mit den Tätern machen würde.
Rubén schaut mich nicht an, kratzt mit einem Fuß auf den Boden
merkwürdige Muster.
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Alt 19.04.2010, 08:58   #6
Pedro
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Hier hatte ich aus Versehen Kapitel 17 u 18 zum zweiten Mal eingestellt, habe den Text gelöscht.

Pedro

Geändert von Pedro (21.04.2010 um 12:23 Uhr)
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Alt 20.04.2010, 18:12   #7
Pedro
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19
Ich betrete das Büro von Dr. Sierra, er erwartet mich schon und bittet mich, Platz zu nehmen. Er kommt gleich zur Sache.
„Vielen der zum Leichenfund gerufenen Ärzte fehlen die notwendigen rechtsmedizinischen Kenntnisse zur Beurteilung der vielfältigen Leichenerscheinungen;“ sagt er.
„Sie werden häufig als Notdienst tuende Ärzte zu einem Leblosen gerufen, den sie vorher noch nie gesehen haben, von dem sie weder die Lebensumstände noch die Art möglicherweise vorangegangener Erkrankungen wissen, und dann sollen sie, oft unter ungünstigen Umständen, den Tod, dessen Ursachen, das Fehlen möglichen Fremdverschuldens und anderes zweifelfrei feststellen. Dabei mangelt es ihnen oft schon an dem Wissen um die sicheren und unsicheren Todeszeichen.
Bei den Tötungsdelikten ist die Dunkelziffer sehr hoch.
Ich habe in Deutschland studiert. Da wurde zwischen 1993 und 1995 eine Studie an 23 der damals insgesamt 38 rechtsmedizinischen Institute durchgeführt, bei denen bei der Obduktion andere Todesursachen entdeckt wurden als bei der ersten Leichenschau.
Wenn ein Mensch stirbt oder eine unbekannte Leiche gefunden wird, verlangt das Gesetz, dass ein Arzt hinzugerufen wird, der den Eintritt des Todes nicht nur per se feststellt, sondern diesen auch auf einer Todesbescheinigung dokumentiert. Dieser Vorgang wird als ärztliche Leichenschau bescheinigt. Die Leiche ist bei jedem Fall im unbekleideten Zustand zu besichtigen.
Es stellte sich bei der Studie eine enorme Fehlerquote heraus.
Rund 13000 Verstorbene wurden damals obduziert. In 2183 Fällen stellten die Rechtsmediziner eine andere Todesursache als ursprünglich von ihren Berufskollegen vermerkt fest.

Im Fall Claudia Palma lief das anders. Dr. Enrique Mesa wurde zur Fundstelle der Leiche gerufen. Er ist ein ehemaliger Mitarbeiter von uns hier und hat Erfahrungen auf diesem Gebiet. Er veranlasste, dass die Tote in unser Institut nach Concepción gebracht wurde.
Dr. Sierra legt mir ein Protokoll vor.

Äußere Besichtigung:
Leiche einer 24-jährigen Frau, 1,70 m groß, regelmäßiger Körperbau, guter Ernährungszustand.
Totenstarre gelöst, Totenflecke rotviolett, überwiegend an der Körperrückseite, nicht wegdrückbar.
Bekleidung: Blaue Bluse, alle Knöpfe abgerissen, teilweise zerrissen. Kurze weiße Shorts, oberster Knopf abgerissen . Keine Schuhe und Strümpfe.

Innere Besichtigung:
Bruch der knöchernen Schädelbasis in der mittleren Schädelgrube, über das linke Felsenbein verlaufend, mit Eröffnung des linken Mittelohrraumes. Eine weitere Fraktur (spaltenförmiger Bruch) im Bereich der Siebbeinplatte rechts der Nasenscheidewand.

Vorläufiges Gutachten:
1. Sektionsergebnis:
Rundlich – bläuliche Hautverfärbung mit beginnender gelblich – grünlicher Verfärbung des Randsaumes der linken Wange, vom Mundwinkel bis zum Unterkiefer reichend. Rundliche Hautverfärbung unterhalb der Kinnspitze. Rundliche Hautverfärbung und Unterblutung in mittlerer Höhe des Nasenrückens.
Schädelbasisbruch durch die vordere Schädelgrube im Bereich der Siebbeinplatte rechts der Mitte. Schädelbasisbruch der mittleren Schädelgrube links seitlich mit Eröffnung des linken Mittelohrraumes. Hirnrunden- und -markblutungen der linken Großhirnhälfte im Bereich des Schädellappens seitlich und basal. Kirschgroße Blutung und Erweichung im rechten Großhirnhinterlappen.

2. Todesursache:
Hirnprellung, Schädelbasisbrüche

3. Todesart:
Nicht natürlicher Tod

4. Toxikologisch – chemische Untersuchungen:
Zur Zeit des Ablebens lag keine alkoholische Beeinflussung vor.

5. Diskussion:
Zeichen erheblicher stumpfer Gewalteinwirkung auf den Schädel mit Brüchen der vorderen und mittleren Schädelgrube und ausgedehnte Hirnverletzungen.
Die schweren Kopfverletzungen können von einem Sturz nicht herrühren.

Ich lese das Protokoll zweimal durch und frage Dr. Sierra:
„Sie glauben also, dass Claudia Palma vor ihrem Fall vom Felsen bereits tot war?“
„Das nehme ich mit Sicherheit an. Aber die Staatsanwaltschaft kam zu einem anderen Ergebnis. Der genaue Zeitpunkt der Verletzungen sei nicht feststellbar. Als Ursache für den Bruch käme ein Sturz ebenso in Betracht wie Schläge.
Da Täter nicht ermittelt werden konnten, wurde das Verfahren eingestellt!“
„Vielen Dank, dass Sie sich so viel Zeit für mich genommen haben.“
Nachdenklich verlasse ich das Büro von Dr. Sierra.
Auf er Straße sehe ich den Mann aus dem Elendsviertel wieder. Mir wird klar, dass er mich laufend beobachtet.
An dem Bericht von El Pato scheint einiges nicht zu stimmen. Vielleicht hat ihn Victor angelogen?

20

Ich glaube, ich muss was unternehmen, die Sache wird zu gefährlich für mich. Leicht kann man bei dem Verkehr vor einen Bus fallen und überfahren werden. Ich muss mit Ernesto sprechen, der schuldet mir einiges.
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Alt 21.04.2010, 12:21   #8
Pedro
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Wir sitzen uns gegenüber auf der Terrasse, es wird langsam dunkel.
Sie trinkt etwas mehr als sonst, ich merke , dass sie mich etwas fragen will.
Sie, die ich nie rauchen gesehen habe, bittet mich um eine Zigarette.
Sie sitzt eine Weile da, sagt nichts und raucht. Eigentlich raucht sie gar nicht, sie hat nur wenige Züge gemacht und lässt jetzt die Zigarette
zwischen den Fingern verglimmen.
Sie schiebt ihr Glas von einer Seite zu anderen, schaut mich an und sagt: „Willst du mit mir schlafen?“

Alles andere hatte ich erwartet, aber diese Frage nicht. Natürlich würde ich gerne mit ihr schlafen, von Anfang an hätte ich das gerne gewollt, aber ich sage: „Vielleicht ist das keine so gute Idee.“
„Warum nicht? Gefalle ich dir nicht?“ sagt sie leise.
Ich lächle sie an: „ Hast du nie gemerkt, wie sehr du mir gefällst, hast du nie gemerkt, dass ich gerne zärtlich zu dir sein wollte? Aber bei der geringsten körperlichen Berührung hast du immer sofort zurückgezuckt. Ich hatte den Eindruck, dass du weglaufen würdest, wenn ich dir näher käme. Und das wollte ich auf keinen Fall.
Erinnerst du dich noch, dass ich dich gefragt habe, ob du einen Freund hast? Du hast „nein“ gesagt und als ich mich darüber wunderte, „ich will keinen haben“.
Einen Moment dachte ich, dass du vielleicht mit einer Frau zusammen leben würdest, aber du lachtest und sagtest: „So bin ich nicht veranlagt.“
Unsere Beziehung ist mir ein Rätsel, wie du damals einfach mitgegangen bist zu mir nach Hause, wie du wieder gekommen bist. Ich habe dich nie gefragt, warum, was du von mir erwartest, warum du deine Zeit mit einem alten Mann vertrödelst. Ich bin gerne mit dir zusammen, ich freue mich, wenn du bei mir bist, ich sehe dich an und möchte, dass die Zeit stehen bleibt.“
„ Bitte, schlaf mit mir, alter Mann, ich will es!“, sagt sie und schaut mich etwas verlegen an.

„In Deutschland gibt es eine Pflanze, ihr lateinischer Name ist “Noli me tangere“, das heißt „ Rühre mich nicht an“. Sie hat viele weiße Blüten,
die wie Kugeln aussehen. Wenn man sie anfasst, platzen sie und verschwinden.
Ich habe Angst, dich anzufassen, Angst, dass dann alles zu Ende sein wird.“
Ich erwarte jetzt von Claudia ihre typische Bewegung, Schultern anheben, mühsames Lächeln, als wolle sie sagen: „Da kann man eben nichts machen.“
Aber sie steht von ihrem Stuhl auf, kommt zu mir, fasst meine Hand an und streichelt mir über das Gesicht.
„ Komm!“ Sie zieht mich vom Stuhl hoch, zieht mich ins Haus und macht die Tür zu. Sie hält immer noch meine Hand, als hätte sie Angst, dass ich weglaufen könnte.
Sie führt mich ins Schlafzimmer, drängt mich aufs Bett und setzt sich neben mich. Ich lege einen Arm um ihre Schulter, sie legt den Kopf an meine Brust.
„ Zeig mir, alter Mann, wie ein Mann mit einer Frau, die er gern hat, schläft. Ich bin jetzt 24 Jahre alt, ich will wissen, wie das ist, ich habe, das noch nie erlebt. Ich habe nur gehört und gelesen, dass es sehr schön sein soll.“
Ich weiß nicht, ob ich nicht gerade träume, weiß nicht, was wirklich ist, Ich streichle ihr Gesicht und küsse sie auf die Stirn. Sie richtet sich auf, ich ziehe ihr ganz langsam und vorsichtig die Bluse aus und drücke sie aufs Bett. Wir liegen jetzt nebeneinander, mein Hemd habe ich ausgezogen. Ich drücke sie an mich und streichle sie, ihren Rücken, dann ihre Brüste. Sie klammert sich an mich, schaut mich an . Vorsichtig küsse ich sie auf den Mund, dann ihre Brüste.
Sie zieht ihre Shorts aus und ihren Slip, ich habe mich auch ausgezogen.
„ Du bist wunderschön“, sage ich zu ihr und streichle sie.
Ich lege mich auf den Rücken und ziehe sie auf mich, küsse und streichle sie immer wieder überall. Sie küsst mich auf den Mund, streichelt mich, presst ihren Unterleib an meinen, beginnt sich zu winden und stöhnt leise.
Ich drehe mich um, lege mich auf sie, stütze mein Gewicht mit den Ellenbögen ab, sie öffnet ihre Beine, und ich dringe vorsichtig in sie ein.
Sie fängt an, sich immer wilder zu bewegen, stößt sich immer wieder mein Glied hinein, ich hebe und senke mich immer wieder. Wir keuchen beide. Dann schreit sie, stößt einen Schrei aus, der nichts mit Sprache zu tun hat, alles in mir explodiert.

Wir liegen ruhig nebeneinander, sie umarmt mich, küsst mich und sagt lachend:
„Alter Mann, ich bin noch da. Es war wirklich wunderschön.“
Dann zieht sie sich schnell an, „frag mich jetzt bitte nichts, irgendwann werde ich einmal alle deine Fragen beantworten“.
„Morgen reise ich ab!“
„Dann im nächsten Jahr. Ich freue mich, wenn du wieder kommst.“
Sie weiß nicht, dass sie nie die Möglichkeit haben wird, meine Fragen zu beantworten.
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Alt 27.04.2010, 17:19   #9
Pedro
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Ich stehe an der Bushaltestelle in Tomé. Was für ein Verkehr hier herrscht, die Autos rasen vorbei, am Straßenrand ein Gedränge, jeder will zuerst über die Straße. Ich werde von hinten gestoßen, falle fast auf die Straße, kann gerade noch zurück springen, fast hätte mich ein Lastwagen überfahren.

Ich sitze im Bus und fahre nach Viňa. Direkt von Tomé aus, neun Stunden dauert die Fahrt. Hier wohnen Freunde von mir, ein chilenisches Ehepaar, Hardy und Jaqueline. Sie lebten vier Jahre lang im selben Ort in Deutschland wie ich. Er hat da seinen Doktor in Philosophie gemacht. Wir waren sehr befreundet, ich habe viel von ihm gelernt.
Ein Luxus – Bus ist das, Liegesitze, klimatisiert und Fernsehen. Wir kommen nach Chillán, ich steige aus, rauche eine Zigarette. Nach zehn Minuten geht es weiter. Ich schlafe ein.

Ich sehe Claudia im Gras liegen, sie schreit und wehrt sich, zwei Männer fallen über sie her. Ich sehe die Männer nur von hinten, kann sie nicht erkennen, aber eine bayrische Trachtenjacke trägt keiner von ihnen.
Ich will Claudia helfen, kann mich nicht bewegen. Sie hört auf, sich zu wehren, schaut zu meiner Terrasse hinauf.

Mein Busnachbar fragt mich, ob mir übel sei, ob es mir nicht gut gehe, ich hätte furchtbar gestöhnt.
Ich fühle mich völlig kaputt, schwitze, obwohl der Bus klimatisiert ist. Ich sage zu meinem Nachbarn, dass ich schlecht geträumt hätte, ein furchtbarer Alptraum, an den ich mich aber nicht erinnern könne.
Ich denke darüber nach, was El Pato erzählt hat. Der Victor hat ihm also berichtet, wie die Tat abgelaufen ist. Einige Sachverhalte erscheinen mir jetzt merkwürdig. Der Victor hat gesagt, dass die Claudia sich zunächst angezogen hätte, bei der Leiche wurde keine Schuhe gefunden, dass die Claudia seinen Vater beschuldigt hätte, sie vergewaltigt zu haben, dass sie ihn und die beiden anzeigen würde.
Warum hat Victor seinen Vater verraten?
Warum hat die Claudia sich wieder angezogen, ihre Schuhe aber nicht? Sie wollte die Täter anzeigen und ist dann plötzlich von den Felsen gesprungen?
Warum hat Campana gesagt, dass El Pato ein schlechter Mensch sei?
Woher hat Juan gewusst, dass einer der Täter nicht aus dem Viertel war?
Seltsam erscheint mir auch, dass El Pato nicht sofort bereit war, die Sache aufzuklären, gemeint hat, dass das aussichtslos sei.
Rubén hat geglaubt, dass El Pato seinem Onkel in Coliumo beim Fischen geholfen hat, möglicher Weise in der Zeit, als die Sache mit Claudia passiert ist. Er wäre dann in Coliumo gewesen.
El Pato hat abgestritten, dass er in Coliumo war, gesagt, dass er bei einem Onkel in Viña gewesen sei, Eisenwarenhandlung Gomez. Ich werde diese Eisenwarenhandlung suchen und versuchen herauszukriegen, ob El Pato wirklich da war.
Ich lese ein bisschen, schlafe immer wieder ein. Um 19.00 Uhr kommen wir in Viña an, steigen aus, suchen unser Gepäck, und ich sehe den Mann aus dem Elendsviertel wieder. Er saß wohl hinten im Bus.

Hardy holt mich vom Busbahnhof ab, wir essen zusammen, trinken Rotwein und reden über Philosophie und Literatur. Morgen werden wir nach Olmué fahren, da haben die Eltern von Jaqueline ein Landhaus.
Sie ist ein Einzelkind, einzige Tochter. Ihr Vater scheint einen Haufen Geld zu haben. Er besitzt ein Apartment in Miami, kam für eine einzige Nacht nach Deutschland gereist. Er hat ihr ein großes Auto geschenkt.

Am nächsten Vormittag setzt mich Hardy im Zentrum ab, ich habe gesagt, dass ich nach einem Geschenk für meine Frau suchen werde.
Im Telefonbuch suche ich die Adresse der Eisenwarenhandlung Gomez heraus.
Mit einem Taxi fahre hin, finde einen ziemlich kleinen Laden vor.
Ein älterer Mann steht hinter dem Ladentisch, ich frage ihn, ob El Pato da sei.
„ El Pato“, sagt er, der ist nicht da, er war aber im Februar hier und hat mir bei der Arbeit geholfen.“
Über die Antwort bin ich erstaunt, ich erfahre etwas, wonach ich gar nicht gefragt hatte. Es ist fast so, als wenn der Mann auf meine Frage vorbereitet war.
Ich schaue mich um, hier gibt es fast alles. Wasserleitungsrohre liegen in einer Ecke, Werkzeuge hängen an der Wand. Ich überlege, was ich den Mann noch fragen kann.
Das Telefon klingelt irgendwo im Hinterzimmer. Der Mann bittet mich, einen Moment zu warten und verlässt den Laden.
Eine Frau kommt aus dem Hinterzimmer, wahrscheinlich die Frau des Mannes, mit dem ich gerade gesprochen habe. Etwa sechzig Jahre ist sie alt, ihre dunklen Haare hat sie hinter dem Kopf zu einem Dutt gebunden, fast so, wie sie meine Großmutter immer hatte.
„Kennen Sie El Pato“, frage ich sie.
„Ja, natürlich, dass ist der Sohn einer Schwester meines Mannes. Aber den habe ich schon viele Jahre nicht gesehen.“
Ich verlasse schnell den Laden, gehe die Straße hinunter, setzte mich in ein kleines Restaurant und bestelle einen Kaffee.
Hardy holt mich dann ab, ich habe ihn angerufen. Wir fahren aufs Land. Das Haus hat ein Schwimmbad, das Wetter ist großartig, aber ich kann das alles nicht richtig genießen.
Hardy fragt mich, warum ich so viel nachdenke, über einen Krimi sage ich, den ich gerade schreibe.








23

Das hat nicht geklappt, Ernesto hat sich zu blöd angestellt, aber der Deutsche hat nichts gemerkt.
Der ist doch tatsächlich nach Viňa gefahren und hat gefragt, ob ich im Februar da war. Gut, dass ich Ernesto zu meinem Onkel geschickt habe und der auf die Frage vorbereitet war. Ernesto hat ihm erzählt, dass ich verdächtigt werde, eine Bank im Februar mit anderen zusammen überfallen zu haben, hat ihm gesagt, dass da sicherlich irgendein Geheimpolizist bei ihm vorbei kommen wird. Er soll sagen, dass ich im Februar bei ihm war.
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>Die Kritiker nehmen eine Kartoffel, schneiden sie zurecht, bis sie die Form einer Birne hat, dann beißen sie hinein und sagen: „Schmeckt gar nicht wie Birne.“< (Max Frisch)

Geändert von Pedro (28.04.2010 um 04:35 Uhr)
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Alt 29.04.2010, 07:59   #10
Pedro
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Es wird langsam dunkel, als ich nach Coliumo zurück komme. Bei Don Marcelo brennt Licht. Ich klopfe an die Tür, er öffnet. Ich schaue ihn an und sage: „Claudia Palma.“
Er sagt: „Bitte kommen Sie herein.“
Er scheint nicht erstaunt über meinen Besuch zu sein.
„Setzen Sie sich bitte.“
Wir sitzen uns gegenüber, er hat eine Flasche Wein aufgemacht und gießt uns ein. In einer Ecke hängt ein Familienbild, er, seine Frau und sein Sohn Victor, der auf dem Foto etwa zehn Jahre alt ist. Sie umarmen sich gegenseitig, die Frau sieht ihn an, so wie man jemanden ansieht, den man sehr lieb hat.
Er sieht, dass ich das Bild anschaue.
„ Ja, sagt er dann, „das war einmal. Ein Augenblick kann das Leben ändern.
Jetzt lebe ich hier allein, meine Frau habe ich seit damals nie wieder gesehen, meinen Sohn sehe ich kaum. Im Januar war er vierzehn Tage hier, länger hat er es mit mir wohl nicht ausgehalten. Er weiß nicht, warum meine Frau sich von mir getrennt hat, hat mich nie gefragt, lebt bei ihr und kommt sehr selten vorbei.“
Er nimmt einen großen Schluck aus seinem Glas und schüttelt den Kopf. „Wie das alles gekommen ist, kann ich bis heute nicht fassen. Ich habe alles verloren, was für mich einen Wert hatte, mir ist es egal, wenn Sie mich jetzt anzeigen werden.“
Mit einer Hand streichelt er über ein Sofakissen, sehr zärtlich, als wenn es sich um eine Person handeln würde.
„ Wenn man dafür bezahlen kann, was ich getan habe, habe ich bezahlt. Die Claudia war damals sechzehn, hat bei uns geputzt, meine Frau brachte meinen Sohn zu einer Geburtstagsfeier. Und ich saß damals auf dem Sofa, war nicht mehr ganz nüchtern und sah der Claudia zu. Sechzig Jahre alt war ich damals, ein alter Bock, der scharf auf ein junges attraktives Mädchen war, das meine Tochter hätte sein können.
Ich sagte zu ihr, dass sie sich einen Moment neben mich setzen sollte, ich müsse etwas mit ihr besprechen. Die Claudia hat zunächst gar nicht gemerkt, was da in mir ablief, erst als ich sie umarmt habe, hat sie angefangen sich zu wehren, aber da war es schon zu spät für sie. Ich habe sie auf das Sofa gedrückt und mich auf sie geworfen. Und dann ist es passiert und meine Frau kam herein.
Sie hat nichts gesagt, hat die Claudia nach Hause gebracht, ihre Sachen gepackt und ist mit unserem Sohn weggefahren. Was sie zu Claudias Mutter gesagt hat, weiß ich nicht.
Ich war völlig verzweifelt, wusste nicht, was mit mir passiert war.
Ich habe dann versucht, wieder gut zu machen, was nicht wieder gut zu machen war.
Dem Gymnasium, auf das Claudia ging, habe ich eine großzügige Geldspende gemacht und dafür gesorgt, dass die Claudia es kostenlos besuchen konnte, das Gleiche habe ich später für die Universität getan, an der Claudia „Krankenschwester“ studierte, später dafür gesorgt, dass sie in einer Klinik angestellt wurde. Ihrer Mutter habe ich eine Arbeitsstelle bei Bekannten besorgt und ihren Lohn aufgebessert. Weder Claudia noch ihre Mutter haben von alldem gewusst, sie hätten meine Hilfe wohl auch nicht angenommen. Warum Claudias Mutter mich nicht angezeigt hat, weiß ich bis heute noch nicht. Und jetzt ist Claudia tot!“

Inzwischen haben wir beide die Flasche Wein leer getrunken, ich schaue den Mann an. Er ist kaputt.
Er hat mich nicht gefragt, woher ich von der Vergewaltigung weiß. Wahrscheinlich nimmt er an, dass mir Claudia davon erzählt hat.

Ich stehe auf und gehe zur Tür.
„Bitte zeigen Sie mich erst morgen an. Ich müsste noch etwas erledigen“, sagt er zu mir.
„Ich werde Sie nicht anzeigen“, sage ich zu ihm und gehe hinaus.
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>Die Kritiker nehmen eine Kartoffel, schneiden sie zurecht, bis sie die Form einer Birne hat, dann beißen sie hinein und sagen: „Schmeckt gar nicht wie Birne.“< (Max Frisch)
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