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Alt 09.04.2010, 00:59   #1
Feuerlocke
Neuer Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 05.04.2010
Beiträge: 13
Standard Augenblick der Ewigkeit

Er drehte sich zu ihr um, schaute sie an und fand sich in ihren Augen wieder.
Sie hatten ihn eingeladen, dort zu verweilen.
„Wir sind doch beide seltsam’’ sagte er plötzlich und lächelte.

Dieses unglaubliche Lächeln in einem von Jahrzehnten gezeichneten, doch immer noch wunderschönem Gesicht. Manchmal dachte sie, es wäre im Laufe der Zeit noch schöner geworden. Das Leben hat sie beide gezeichnet. Tiefe Lachfältchen, aber auch Sorgen haben sich in ihre Gesichter gegraben.

Die Sonne war schon fast am Horizont verschwunden, der Himmel in ein tiefes Rot gefärbt.
In der Holzbank, auf der sie saßen, hatte sich über all die Jahre hinweg eine kleine Mulde gebildet. Sie war in den gemeinsamen Jahrzehnten ihre Bank geworden, mit endlosem Blick auf den Fjord und die Dünen, über denen die Möwen kreisten.
Hier konnte man sitzen, ohne zu sprechen.

Kleine Blicke genügten, jeder einzelne Erinnerung an ihr unfassbares Glück. Nur manchmal, da durchbrachen die Versuche, ihre Ängste zu besiegen, sie abzulegen und zugleich zu begreifen, dieses Glück. Manchmal... sah sie die Zeit, vom Wind getragen, seine Wangen streicheln und ihr zuflüstern „Wie lange noch?“

Manchmal wünschte sie, es würde niemals enden. Besonders an diesem lauen Sommerabend, an dem der Duft von trockenem Gras zusammen mit der klaren Luft des Meeres nach Geborgenheit und Unendlichkeit roch.

Sie nahm seine Hand. Der friedvolle Ausdruck in ihrem Gesicht spiegelte sich in seinem wider, sie verlor sich in seinen Augen.

„Sehen wir uns irgendwann wieder?“ fragte sie und unterbrach damit die Stille. Er verstand ihre Angst.

Eine Blume lebt für einen Sommer, doch ihre Schönheit und ihr Duft sind unvergesslich, auch wenn der Herbst ihr den Atem nimmt.... Ein Augenblick der Ewigkeit....
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Alt 16.04.2010, 03:35   #2
Falderwald
Lyrische Emotion
 
Benutzerbild von Falderwald
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 9.912
Standard

Hallo Feuerlocke,

wenn ich das richtig verstanden habe, dann beschreibst du hier einen innigen Moment zweier Menschen, die sich nicht jeden Tag sehen können, bzw. die sogar getrennt leben.

Es könnte sich sogar um einen Vater handeln, der seine Tochter besucht, die weit entfernt lebt.

Vielleicht in Norwegen oder noch weiter fort.

Und jeder Besuch könnte der letzte sein, darüber sind sich wohl beide im Klaren, denn der Vater scheint schon etwas älter zu sein.
Und dennoch wird etwas von ihm verbleiben, nämlich seine Liebe, die wie die Schönheit und der Duft einer Blume eben.
Es ist Herbst, aber für den alten Menschen gilt das Gleiche, wie für eine Blume.

Vielleicht liege ich aber auch mit meiner Interpretation ziemlich daneben.

Das kannst du mir sagen.


Gerne gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



Falderwald ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.04.2010, 08:40   #3
Pedro
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Benutzerbild von Pedro
 
Registriert seit: 31.10.2009
Ort: Freiburg
Beiträge: 151
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Morgen Feuerlocke,

Falderwald hat schon eine Interpretation versucht, ich komme zu einem etwas anderen Schluss:

Zwei Menschen, ein Mann und eine Frau sehen sich relativ selten, obwohl sie sehr aneinander hängen. Beide sind schon älter, ich vermute sie haben einmal einander geliebt, haben gemeinsame Erinnerungen.
Nach jedem Treffen vergeht viel Zeit, bis sie sich wieder sehen.


Zitat:
Er drehte sich zu ihr um, schaute sie an und fand sich in ihren Augen wieder.
- Dieser Satz gefällt mir sehr.


Zitat:
Das Leben hat sie beide gezeichnet. Tiefe Lachfältchen, aber auch Sorgen haben sich in ihre Gesichter gegraben.
- Hier wechselst du die Zeit, eigentlich müsste es wohl "hatte" heißen. Ich weiß, dass das nicht so gut klingt.

Zitat:
Sie war in den gemeinsamen Jahrzehnten ihre Bank geworden,
- "Gemeinsame Jahrzehnte" ? Ich nahm an, dass sie sich nur jeweils für kurze Zeit trafen.

Zitat:
Kleine Blicke genügten, jeder einzelne Erinnerung an ihr unfassbares Glück.
- Ihr "unfassbares Glück"? Verstehe ich nicht.

Zitat:
Manchmal... sah sie die Zeit, vom Wind getragen, seine Wangen streicheln und ihr zuflüstern „Wie lange noch?“
- Sehr schön formuliert. (Warum drei Punkte nach manchmal?)

Zitat:
Eine Blume lebt für einen Sommer, doch ihre Schönheit und ihr Duft sind unvergesslich, auch wenn der Herbst ihr den Atem nimmt.... Ein Augenblick der Ewigkeit....
- Gefällt mir sehr.


Dein Text hat mich nachdenklich gemacht, ich verstehe ihn nicht ganz, habe ihn aber sehr gerne gelesen. Die Sprache ist sehr lyrisch, hat mich beeindruckt.

Mich würde interessieren, etwas mehr über die beiden Menschen und ihre Situation zu erfahren.

Gruß

Pedro
Pedro ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.04.2010, 09:44   #4
Chavali
ADäquat
 
Benutzerbild von Chavali
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Mitteldeutschland
Beiträge: 13.004
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Hallo Feuerlocke,

auch ich bin über die poetische Beschreibung eines Augenblicks, der ein ganzes Leben beinhaltet, begeistert.

Ich sehe wieder etwas anderes als meine beiden Vorschreiber.
Ich sehe ein Paar, das lange zusammenlebte, sehr sehr glücklich war und die Frau nun krank ist und vielleicht bald sterben muss.
Dass sie fragt, ob sie sich wiedersehen, ist sicher so gemeint, dass sie an ein Leben dach dem Tod glaubt.

Ich habe deine Geschichte gern und sehr berührt gelesen.

Lieben Gruß,
Chavali
__________________
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© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*
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