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#1 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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© Bilder by ginton Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten. (Erich Kästner, dessen Bücher 1933 der Bücherverbrennung zum Opfer fielen) Alles, was einmal war, ist immer noch, nur in einer anderen Form. (Hopi) nichts bleibt, nichts ist abgeschlossen und nichts ist perfekt... (Wabi-Sabi)
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#2 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Beiträge: 1.836
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![]() Otto Erich Hartleben, (1864–1905) Liebe und Lyrik Der Liebe Lust in Liedern auszuklagen, scheint heutzutag dem Dichter fast verwehrt. Was könnt er Neues auch den Leuten sagen: so mancher hat uns schon sein Glück beschert. Glaubt einer gar der Liebe Leid zu tragen, lässt er uns sicherlich nicht unversehrt: Herz reimt noch stets auf Schmerz, auf Liebe Triebe – ich reimte mit Genuss auf beide – Hiebe! So weiss denn selbst der traurigste Philister: die Liebe sei so eine Himmelsmacht; in illustrierten Wochenblättern liest er, dass man sich oft sogar drum umgebracht. Ein Kenner aller Leidenschaften ist er, wer ihm nichts Neues bringt, wird ausgelacht: kurz, was die Lieb angeht – er ist au fait: es lässt sich nichts mehr machen drin. O weh! Und ist man nun aus purem Pech ein Dichter, dems schlecht behagt, den andern nachzutreten, dems nicht genügt, nur manchmal neue Lichter zu pflanzen vor ein Bild, zu dem sie beten – so wird man fluchen auf das Reimgelichter, das auch den schönsten Brei schon breitgetreten, und wird, obwohl die Sache etwas schwierig, die Liebe gänzlich streichen aus der Lyrik. Wie hass ich jene, die naiv wie Thiere ihr Lieben schmatzend beichten – ekelhaft! Unreinem Ohre bei unechtem Biere! Doch ist nicht schlimmer noch die Leidenschaft, auf unverhülltem, feilem Druckpapiere schamlos zu künden, was uns Freuden schafft? Drum Heil dem Dichter, der mit sich gerungen und als ein Held zum schweigen sich bezwungen! ___________________ (Ich habe eine Schwäche für humorvolle Werke ... ![]() ![]()
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#3 |
Slawische Seele
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Gemartert
Ein gutes Tier Ist das Klavier, Still, friedlich und bescheiden, Und muß dabei Doch vielerlei Erdulden und erleiden. Der Virtuos Stürzt darauf los Mit hochgesträubter Mähne. Er öffnet ihm Voll Ungestüm Den Leib, gleich der Hyäne. Und rasend wild, Das Herz erfüllt Von mörderlicher Freude, Durchwühlt er dann, Soweit er kann, Des Opfers Eingeweide. Wie es da schrie, Das arme Vieh, Und unter Angstgewimmer Bald hoch, bald tief Um Hilfe rief Vergess' ich nie und nimmer. (Wilhelm Busch, 1832 - 1908)
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
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#4 | ||
ADäquat
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![]() Hallo zusammen,
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. © auf alle meine Texte
Geändert von Chavali (05.07.2011 um 09:29 Uhr) |
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#5 |
ADäquat
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![]() Meeresstrand
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. © auf alle meine Texte
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#6 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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![]() Friedrich von Hagedorn (* 23.04.1708 , † 28.10.1754) Aurelius und Beelzebub Es wird Aurel, der nichts, als Armuth, scheut, Zum Mammonsknecht, zum Harpax unsrer Zeit. Ihm ist der Klang von vielen todten Schätzen Ein Saitenspiel, das Zählen ein Ergötzen. Oft schläft der Thor, noch hungrig und mit Pein, Vom Hüten matt, auf vollen Säcken ein; Denn Geld und Geiz nimmt täglich bei ihm zu; Geld ist sein Trost, sein Leben, seine Ruh′, Sein Herr, sein Gott. Stets nagt ein scharfer Neid Sein blutend Herz. Jüngst mehrt′ ein vielfach Leid Des Wuchrers Qual und Unzufriedenheit. Der Wittwen Fluch? Beraubter Waisen Ach? Die Reue? Nein. Dergleichen Kleinigkeit Gibt Reichen jetzt kein großes Ungemach. Was wichtigers: Zu spät erfolgte Renten, Ein drohender Protest, zu wenige Procenten, Ein viel zu mildes Jahr, der zu fürwitz′ge Zoll. Dies alles füllt sein Herz mit Unmuth, Zorn und Groll. Er wird zuletzt verzweiflungsvoll. Als er so großer Noth zu peinlich nachgedacht, Ruft der Unsinnige sogar in einer Nacht Den Satan an, und Satan schickt ihm gleich Den größten Herrn aus seinem Reich, Der jetzt, den Alten zu berücken, In einer neuen Tracht erschien, Wol zehnmal schöner, als wir ihn In den Gemälden oft erblicken, Wo ihm die Augen funkelnd glühn, Und Hörner seine Stirne schmücken. Er hatte weder Schweif noch Klauen, Der Hölle zaubernde Gewalt Gab ihm die menschliche Gestalt, Und keinem durfte vor ihm grauen. Er überkam, nach unsrer Stutzer Art, Ein schönes leeres Haubt, ein wohl gepudert Haar, Wobei zugleich dem Kinnchen ohne Bart Ein Flügelwerk von Band, anstatt des Schattens, war. Er selbst, wie seine Pracht, war ohne Fehl und Tadel, Und Herr und Kleid von gleichem Adel. Nur ließ man ihm (so lautet der Bericht) Den einen Pferdefuß. Warum? Das weiß ich nicht. Er war ja sonst, ohn′ allen Zweifel, Ein hübscher, recht galanter Teufel. Bald fand der karge Greis den längst gesuchten Rath, Als dieser Cavalier zu ihm ins Zimmer trat. Mein Herr, wie heißen Sie? ... Beelzebub ... Willkommen! Der Oberste der Teufel? ... Ja ... Ich hatt′ es nicht in Acht genommen, Weil ich noch nicht auf dero Füße sah. Sie setzen sich ... Wie geht es in der Höllen? ... Wie lebt mein reicher Oheim da? ... Recht wie ein Fürst.. Und wie befindet sich Der Lucifer? ... Ich bitte dich, Die Complimente einzustellen. Dich reich zu machen, komm′ ich hier. Ich bin dein Retter. Folge mir. Sein Führer bringet ihn in einen öden Wald Von heiligen bemoosten alten Eichen, Den Sitz des Czernebocks, der Gnomen Aufenthalt, Die Schlachtbank vieler Opferleichen. Hier herrscht, fast tausend Jahr′, ein schwarzer wilder Schrecken In grauser Finsterniß. Den unwirthbaren Sitz Verklärt, doch selten nur, ein rother schneller Blitz. Hier sollte sich der Trost Aurels entdecken. Hier blieb der Fliegenfürst und sein Gefährte stehn. Er stampft dreimal: dreimal erbebt der Grund: Es öffnet sich ein lichter, tiefer Schlund, Und läßt im Augenblick so große Baarschaft sehn, Als würde fast der Reichthum aller Welt, Hier an Geschmeid′ und Gold, den Augen dargestellt. Sieh′, spricht der Höllengeist, auf diesem Platz Liegt ein Geschenk für dich, der Schatz. Wie wird der Filz durch dieses Wort entzückt! Kein ird′sches Paradies scheint ihm so schön geschmückt, So reich an innerm Werth. Kein Thumherr, kein Prälat, Der seiner Pfründe Zins in Rheinwein vor sich hat, Kein Bischof, der erfreut, an einem Kirchweihfest, Das erste Glas besieht, das er sich reichen läßt, Weiß mit so merklichem, doch wohlbefugtem, Sehnen Sein fromm und fett Gesicht durch Lächeln auszudehnen. Er streckt frohlockend aus die hoffnungsreiche Hand. Wiewol, o harter Zwang! Glück voller Unbestand! Halt, ruft Beelzebub, dies ist dir zwar gegeben, Allein vor morgen nicht zu heben. Der Schatz versinkt auf dieses Donnerwort. Gestrenger Herr! wie kurz ist meine Freude! Betrogener Aurel! wie findest du den Ort? Den Busch? die Kluft? den Schatz? ... Er ist und bleibet dein. Betrogen! Was? Ich ein Betrüger? ... Nein .... Sei klug, und laß ein Zeichen dort, Und nimm dir, wann es tagt, das Gold und das Geschmeide. Gleich setzt er tiefgebückt sich und ein Zeichen hin. Er jauchzt mit neuvergnügtem Sinn, Und sagt aufs zierlichste mit vielen Worten Dank. Beelzebub verschwand, standsmäßig mit Gestank. Es springt Aurel um den bemerkten Platz, Als ob er seinen Fund schon hätte; Doch stößt er sich an einen Baum. Aurel erwacht, (denn alles war ein Traum) Und von dem vorgestellten Schatz Bleibt nur das Zeichen in dem Bette. Es ist der Geiz der Teufel vieler Alten, Und der Beelzebub, der lockend sie bethört. Ihr ungebrauchter Schatz ist aber nicht mehr werth, Als was Aurel allhier erhalten. .
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#7 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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![]() Ich halte die Stellung
![]() Ehekrach »Ja –!« »Nein –!« »Wer ist schuld? Du!« »Himmeldonnerwetter, laß mich in Ruh!« – »Du hast Tante Klara vorgeschlagen! Du läßt dir von keinem Menschen was sagen! Du hast immer solche Rosinen! Du willst bloß, ich soll verdienen, verdienen – Du hörst nie. Ich red dir gut zu ... Wer ist schuld –? Du.« »Ja.« »Nein.« – »Wer hat den Kindern das Rodeln verboten? Wer schimpft den ganzen Tag nach Noten? Wessen Hemden muß ich stopfen und plätten? Wem passen wieder nicht die Betten? Wen muß man vorn und hinten bedienen? Wer dreht sich um nach allen Blondinen? Du –!« »Nein.« »Ja.« »Wem ich das erzähle ... ! Ob mir das einer glaubt –!« »Und überhaupt –!« »Und überhaupt –!« »Und überhaupt –!« Ihr meint kein Wort von dem, was ihr sagt: Ihr wißt nicht, was euch beide plagt. Was ist der Nagel jeder Ehe? Zu langes Zusammensein und zu große Nähe. Menschen sind einsam. Suchen den andern. Prallen zurück, wollen weiter wandern ... Bleiben schließlich ... Diese Resignation: Das ist die Ehe. Wird sie euch monoton? Zankt euch nicht und versöhnt euch nicht: Zeigt euch ein Kameradschaftsgesicht und macht das Gesicht für den bösen Streit lieber, wenn ihr alleine seid. Gebt Ruhe, ihr Guten! Haltet still. Jahre binden, auch wenn man nicht will. Das ist schwer: ein Leben zu zwein. Nur eins ist noch schwerer: einsam sein. .
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#8 |
Neuer Eiland-Dichter
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Beiträge: 15
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Späte Sonnen
Wolf Graf von Kalckreuth (1887–1906) Der Puls des Lebens ist der Nachmittag, Wann sich die Sonnenlichter seltsam färben Und wir betäubt in gelber Glut ersterben Im schweren Gold, dem unser Herz erlag. Ein spätes Flimmern ruht auf Laub und Hag, Die langsam uns verzehren und verderben. Und wie ein edler Wein aus dunklen Scherben Rinnt unser Blut, das nichts mehr hemmen mag. O laß den Schlummer nicht die Lider schließen, Daß nicht der trunknen Klarheit stummes Fließen Dein Herz durchdringt, das fremde Wunder schaut! Die Strahlen brennen und ihr Gift ist tödlich: O harre aus, bis dämmerhaft und rötlich Der Abend auf die blassen Bäume taut. |
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#9 |
TENEBRAE
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Stiller Freund der vielen Fernen, fühle,
wie dein Atem noch den Raum vermehrt. Im Gebälk der finstern Glockenstühle lass dich läuten. Das, was an dir zehrt, wird ein Starkes über dieser Nahrung. Geh in der Verwandlung aus und ein. Was ist deine leidenste Erfahrung? Ist dir Trinken bitter, werde Wein. Sei in dieser Nacht aus Übermaß Zauberkraft am Kreuzweg deiner Sinne, ihrer seltsamen Begegnung Sinn. Und wenn dich das Irdische vergaß, zu der stillen Erde sag: Ich rinne. Zu dem raschen Wasser sprich: Ich bin.
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
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#10 |
Slawische Seele
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Und noch ein Schönes:
![]() Herbsttag Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß. Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren, und auf den Fluren laß die Winde los. Befiehl den letzten Früchten voll zu sein; gieb ihnen noch zwei südlichere Tage, dränge sie zur Vollendung hin und jage die letzte Süße in den schweren Wein. Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben, wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben und wird in den Alleen hin und her unruhig wandern, wenn die Blätter treiben. Rainer Maria Rilke
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
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