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Bei Vollmond Phantastisches und Science Fiction

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Alt 10.12.2011, 13:49   #1
Stimme der Zeit
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Standard Thalassophobia

Thalassophobia

Der Sonnenschein verbrennt mir meine Haut,
bevor der Regen fällt, um sie zu heilen.

Ich habe eine Burg aus Sand gebaut,
sie mir sinnierend angeschaut
und wollte eine Zeitlang dort verweilen,
doch wieder kam die Flut
und zwang mich, zu enteilen,
der Wellengang entzog mir meinen Mut.

Meeresgewalt
nahm mir den Halt.

Mein Bauwerk bestand nur aus Sand,
der Sand hielt den Wellen nicht stand.

Am Horizont erscheint ein kleines Schiff,
es ist zu klein, ich sehe noch nicht klar,
jetzt kommt es näher – Achtung! Dort, ein Riff!
Ich sehe, wie es sinkt. Jetzt ist es klar

und ich sehe Gestalten, die hilflos im Wasser versinken,
die verzweifelt zum Ufer hin winken, doch niemand kann helfen,
denn das Meer ist zu groß und die Wogen zu mächtig,
zu verdächtig.

Hätte ich das Schwimmen nur gelernt!

Dennoch sind diese Gestalten, dort draußen, dort hinten, mir zu weit entfernt,
selbst wenn ich könnte, ich könnte nicht helfen, was würde es helfen
wenn ich gemeinsam mit Ihnen ertrinke, auf der Hälfte der Strecke
selbst in den Tiefen des Meeres versinke?

Nichts.
Nichts kommt ins Lot.
Alle sind tot.

Mensch, du bist ein Narr!
Niemand muss ertrinken,
niemand muss versinken,
niemand Abschied winken,
nicht in meinen Weiten,
nicht zu allen Zeiten,
hör doch einmal her:
Ich bin nur das Meer!
Hör auf meine Stimme,
schwimme!
Steh nicht einfach da, steh nicht stumm und starr!

Du wirst, dort am Ufer, die Klarheit nicht finden,
wirst weder die Weisheit noch Wahrheit ergründen.

Reite auf den Wellen,
lass dich einfach tragen,
tauche an den Stellen,
die es zu dir sagen,
treibe in der Weite,
denn im Auf und Nieder
und auf jeder Seite
findest du dich wieder,
wirst du neu geboren,
in den fernen Tiefen
gehst du nicht verloren!
Wünsche, die nur schliefen,
warten auf Erweckung,
Träume, die vergingen,
warten auf Entdeckung,
Stimmen, die erklingen,
singen dir: Nur Mut,
alles, alles wird jetzt wieder gut!

Denn ich bin in dir
und du bist in mir.

Hast du die Weiten des Meeres erwählt,
lernst du: Es ist nicht der Sand, der hier zählt.


Ich sitze am Ufer und blicke aufs Meer,
es scheint mir so weit und die Weite so leer,
ich sitze am Ufer und bleibe am Strand

und baue mir die nächste Burg aus Sand.
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Dieser Salon entstammt einer Idee von unserem Forenmitglied Thomas, der sich über jeden Beitrag sehr freuen würde.


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Alt 10.12.2011, 14:01   #2
wolo von thurland
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hallo sdz
dieses nie stockende (bis vielleicht auf den schluss, wo es inhaltlich sogar passt) auf und ab der (sich sogar überlagernden) wellen in den metren! diese mischung aus epos und philosophischer betrachtung (?)...
diese gute lehre ohne zeigefinger... ich wische mir den schweiss von der
stirne, so oft habe ich mich beim lesen verbeugt!
ich vermute fast, dass ich auch beim zweiten lesen nichts finden werde, was ich bekritteln könnte.
wow!
wolo
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Alt 10.12.2011, 17:39   #3
Stimme der Zeit
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Hallo, wolo,

es ist mein voller Ernst, wenn ich sage, dass ich selbst nicht weiß, "woher" dieses Gedicht kam. Gestern abend im Chat fand eine Unterhaltung statt, ich ging mit dem Gedanken an das Wort "Weite" und dem Wunsch, darüber ein Gedicht zu schreiben, schlafen.

Das oben Stehende ist das "Resultat". Heute Morgen kamen mir die ersten beiden Verse in den Kopf, und dann - führte ein Vers zum anderen. Vor ca. 5 Gedichten habe ich aufgehört, beim Schreiben zu x-en, d. h. ich "kontrolliere" mich nicht mehr, sondern lasse "fließen", was heraus will. Und ich merke, dass ich, nach dem x-en ungezählter Gedichte (nicht nur meiner eigenen, sondern alle, die ich las) das "Gefühl" für Rhythmus und Versmaß offenbar "verinnerlicht" habe. Jetzt kann ich "frei" schreiben, ohne "Korsett". Das eröffnet mir natürlich ganz andere Möglichkeiten und gibt mir viel mehr Freiheit.

Ich dachte beim Schreiben ans Meer, an die Bewegung der Wellen und folgte dabei dem Rhythmus, den ich empfand. Wenn du es als gelungen empfindest und dem "Wellengang" folgen konntest, dann freut mich das sehr. Ja, den letzten Vers im Gedicht habe ich beim Überarbeiten absichtlich geändert, denn ich wollte das von dir erwähnte "Stocken" bewusst dort haben, es soll gewissermaßen den "kurzen Moment des Zögerns" darstellen, bevor das LI sich erneut dem Bau einer "Sandburg" widmet.

Was das Philosophische betrifft, das hat sich wohl als mein "Stil" herauskristallisiert, denn fast alle meiner Werke enthalten mehr oder weniger davon. Das bin "ich".

Ich möchte dir wirklich ganz herzlich danken, denn du sprichst mir ein Lob aus, das mich beinahe "sprachlos" macht. Aber auch sehr, sehr glücklich!

Lieben Gruß

Stimme
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Alt 10.12.2011, 21:29   #4
Chavali
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Hallo liebe Stimme,

ein Gedicht über Angst vor dem Meer?
Menschen mit dieser Störung fürchten den Ozean, was manchmal auch durch ein Erlebnis mit eben diesem
ausgelöst worden sein kann.
Das ist eine tolle Idee und so habe ich das noch nie verdichtet gesehen.
Natürlich habe ich auch den Kommentar und deine Antwort gelesen und weiß nun, wie der Text entstanden ist.

Ich nehme nun nicht an, dass hier ein realer Hintergrund besteht.
Wie du selber schreibst, hast du dich gedanklich auf die Bewegungen und den Rhythmus des Meeres eingelassen.

Irgendwie imponiert mir deine Dichtung - aber irgendwie finde ich sie auch zu lang.
Das soll von meiner Seite keine Minderung der Qualität bedeuten - im Gegenteil -
aber ich finde den Text ein wenig zu viel ausgeschmückt.
Man kommt - wenn du weißt, was ich meine - lange nicht zur Sache.
Vielleicht macht das ja aber auch für viele Leser erst den Reiz aus

Eine tolle, aufwendige Arbeit mit vielen philosophischen Gedanken.

Folgende Strophe gefällt mir am besten - sie zeigt mir die Unendlichkeit des Meeres und die
Unendlichkeit und Wiederholbarkeit der menschlichen Gedanken:
Zitat:
Ich sitze am Ufer und blicke aufs Meer,
es scheint mir so weit und die Weite so leer,
ich sitze am Ufer und bleibe am Strand

und baue mir die nächste Burg aus Sand.
Lieben Gruß,
Chavi





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© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

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Alt 11.12.2011, 11:14   #5
Thomas
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Hallo Stimme der Zeit,

ich beschreibe mal, was mir beim Lesen passiert ist. Beim ersten Überfliegen hat mir der in kursiver Schrift gedruckte Teil sofort gefallen und die Wellen habe mich mit hinaus auf das herrliche und endliche Meer getragen. Die Schlusszeilen wollte ich schon fast nicht mehr lesen. Dann habe ich gestutzt, was hat das mit Angst vor dem Meer – den Titel – zu tun? Ok, es sind zwei Sichtweisen, oder Personen, die da sprechen, normal und kursiv, damit man es gleich sieht. Dann hat mich der Anfang genervt, ich habe angefangen zu ändern, bis fast kein Buchstabe mehr auf dem andern war, und dann sah ich plötzlich: Das macht die listenreiche Stimme der Zeit absichtlich! Ok, hast mich erwischt. Obwohl, oder gerade weil, ich mich mit dem in normaler Schrift geschrieben Teil nichts identifizieren kann, muss ich sagen: So nicht! und Hinaus auf Meer!

Liebe Grüße
Thomas
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Alt 11.12.2011, 13:13   #6
Stimme der Zeit
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Hallo, liebe Chavi,

Zitat:
Zitat von Chavali:
ein Gedicht über Angst vor dem Meer?
Menschen mit dieser Störung fürchten den Ozean, was manchmal auch durch ein Erlebnis mit eben diesem
ausgelöst worden sein kann.
Das ist eine tolle Idee und so habe ich das noch nie verdichtet gesehen.
Natürlich habe ich auch den Kommentar und deine Antwort gelesen und weiß nun, wie der Text entstanden ist.
Ja, so kann dieser Text gelesen werden. Ich habe beim Titel auch ein wenig "geschwankt", ob ich nicht vielleicht "Agoraphobie" nehmen sollte. Aber mir gefiel der Bezug auf die enthaltene Metaphorik des Meeres besser. Das Gedicht steht im "Vollmond"-Forum, da es eine zweite Ebene aufweist. Auf dieser Ebene, so könnte man sagen, ist eigentlich der ganze Text eine Metapher.

Stell dir vor, das alles findet nur im Inneren eines Menschen statt ...

Zitat:
Zitat von Chavali:
Ich nehme nun nicht an, dass hier ein realer Hintergrund besteht.
Wie du selber schreibst, hast du dich gedanklich auf die Bewegungen und den Rhythmus des Meeres eingelassen.
Nein, hier hat das LI wirklich gar nichts mit mir persönlich zu tun. Obwohl, bei der Betrachtung der "zweiten, metaphorischen Ebene" besteht da durchaus eine "Art" von "realem Hintergrund"; nicht physisch, aber psychisch. Es geht darin um ein LI, das sich gewissermaßen vor einem Teil seines "Selbst" fürchtet. Als Metapher für die "Weite des Geistes" (so nenne ich das mal) wählte ich das Meer - denn das passt sehr gut.

Zitat:
Zitat von Chavali:
Irgendwie imponiert mir deine Dichtung - aber irgendwie finde ich sie auch zu lang.
Das soll von meiner Seite keine Minderung der Qualität bedeuten - im Gegenteil -
aber ich finde den Text ein wenig zu viel ausgeschmückt.
Man kommt - wenn du weißt, was ich meine - lange nicht zur Sache.
Vielleicht macht das ja aber auch für viele Leser erst den Reiz aus
*Lach* Ja, ich weiß. Aber in diesem Fall konnte ich das gar nicht kürzer "abhandeln", denn die Konflikte in unserem Inneren sind ja auch meistens nicht gerade "kurz". Und wenn sich Furcht und Mut, Enge und Weite "gegenüberstehen", dann haben sie sich schon etwas zu "sagen" ...

Zitat:
Zitat von Chavali:
Eine tolle, aufwendige Arbeit mit vielen philosophischen Gedanken.
Vielen, lieben Dank.

Zitat:
Zitat von Chavali:
Folgende Strophe gefällt mir am besten - sie zeigt mir die Unendlichkeit des Meeres und die
Unendlichkeit und Wiederholbarkeit der menschlichen Gedanken:
Zitat:
Zitat von Stimme der Zeit:
Ich sitze am Ufer und blicke aufs Meer,
es scheint mir so weit und die Weite so leer,
ich sitze am Ufer und bleibe am Strand

und baue mir die nächste Burg aus Sand.
Ja, Gedanken "wiederholen" sich. Bis man eine Entscheidung trifft, das kann schon etwas dauern. Und viele treffen dabei vielleicht auch die "falsche Wahl".

Danke, dass du mir, dem Strand und dem Meer ein wenig "Gesellschaft geleistet" hast!

Liebe Grüße

Stimme

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Hallo, Thomas,


Zitat:
ich beschreibe mal, was mir beim Lesen passiert ist. Beim ersten Überfliegen hat mir der in kursiver Schrift gedruckte Teil sofort gefallen und die Wellen habe mich mit hinaus auf das herrliche und endliche Meer getragen.
Glaub mir, das freut mich sehr, denn genau diese Wirkung sollte der kursive Teil auch erzielen. Freiheit, Weite, Kraft, Energie - um den Leser mit "hinaus auf das (ja, durchaus herrliche!) Meer zu tragen".

Zitat:
Die Schlusszeilen wollte ich schon fast nicht mehr lesen. Dann habe ich gestutzt, was hat das mit Angst vor dem Meer – den Titel – zu tun? Ok, es sind zwei Sichtweisen, oder Personen, die da sprechen, normal und kursiv, damit man es gleich sieht.
Es fiel mir auch nicht unbedingt leicht, sie zu schreiben. Es sind zwei "Sichtweisen", ja, da hast du recht. Im Grunde genommen sind es aber nicht zwei "Personen", ich lasse jedoch im Sinne von ein wenig "künstlerischer Freiheit" hier das "Meer" selbst "sprechen". Daher auch die Kursivsetzung.

Zitat:
Dann hat mich der Anfang genervt, ich habe angefangen zu ändern, bis fast kein Buchstabe mehr auf dem andern war, und dann sah ich plötzlich: Das macht die listenreiche Stimme der Zeit absichtlich! Ok, hast mich erwischt. Obwohl, oder gerade weil, ich mich mit dem in normaler Schrift geschrieben Teil nichts identifizieren kann, muss ich sagen: So nicht! und Hinaus auf Meer!
*Schmunzel* Stimmt ganz genau. Es freut mich sehr, wenn ich dich "erwischt" habe. Wer möchte sich schon mit dem "nicht-kursiven Teil" identifizieren? Obwohl sehr, sehr viele genau so denken, nur Wahrhaben oder Erkennen möchte das eher niemand ...

Wunderbar, dass du es so liest, wie es von mir "beabsichtigt" war. Ja, man möchte zum LI sagen: So nicht! Hinaus aufs Meer! Lerne schwimmen, und schwimm dich "frei"!

Herzlichen Dank für deinen verstehenden Kommentar, er hat mich sehr gefreut.

Liebe Grüße

Stimme
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Alt 11.12.2011, 22:31   #7
Dana
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Liebe Stimme,

das Meer macht mir manchmal Angst, besonders die Nordsee. Ich bin dort noch nicht wirklich in Not geraten, aber die Vorstellung, weit draußen zu sein, die kommende Flut zu übersehen ..., hat etwas Ungeheures.

Auch das Mehr an Wogen im Inneren ist mir vertraut und mit Gedanken an diese habe ich mich von deinem Werk mitreißen und mitnehmen lassen - mit der Burg aus und auf Sand angefangen.
Mir wäre es auch dann nicht zu lang erschienen, wenn im Anschluss an die nächste Burg wieder eine zerstörende Flut käme. Unser Inneres ist dafür wie geschaffen - unendlich zu sein und immer wieder neue Gefahren zu sehen und zu fürchten.
Ist es nicht seltsam? Beim Glück sind wir bemüht "fest zu halten", beim Abtauchen in Tiefen, in Abgründe und beim "Sehen" haben wir immer das Gefühl von unendlich im negativen Sinne.

Wie fein "gesponnen" von der Sicherheit nicht zu ertrinken, wenn man nur erkennt bzw. diese Weisheit heilend begreift.

Kann man diesen Geist haben oder weitet er sich erst durch Erfahrung aus?
Ist nur ein fragender Gedanke, den ich jetzt für mich spinne.


Allem, was hier gesagt wurde, schließe ich mich lobend an, von der "Machart" und vom Inhalt.
Und sollten mich wieder Wogen packen, dann lese ich es noch einmal und immer wieder.

Liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 12.12.2011, 08:50   #8
Stimme der Zeit
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Guten Morgen, liebe Dana,

das echte Meer hat tatsächlich auch etwas Bedrohliches, trotz seiner Schönheit. In gewisser Weise trifft das auch auf das "innere Meer" zu. Nehmen wir die Ängste, die uns Menschen in weit höherem Maße "regieren", als wir das gerne wahrhaben möchten. Beispielsweise Agoraphobie und Klaustrophobie.

Ersteres ist die "Platzangst", die Angst vor weiten Räumen und offenen Flächen; Zweiteres ist die Angst vor kleinen, engen Räumen. Angst ist nicht irrational, das ist ein Irrtum. Sie ist sogar lebensnotwendig, und daher (vom Grundprinzip her) sehr sinnvoll. Daher haben wir auch alle unsere "Ängste". (Weiter unten gehe ich darauf noch etwas mehr ein.)

Ich beispielsweise habe eine Akrophobie (Höhenangst), die sich allerdings nicht bei geschlossenen Räumen zeigt (also komme ich zwar nicht auf eine hohe Leiter, aber ich habe keine Probleme mit Flugzeugen oder Ähnlichem). Ich bin da auch am "Üben", und mittlerweile schaffe ich eine kleine Klapptrittleiter. Das werde ich also schon noch "los" - mit Zeit und Übung.

Zitat:
das Meer macht mir manchmal Angst, besonders die Nordsee. Ich bin dort noch nicht wirklich in Not geraten, aber die Vorstellung, weit draußen zu sein, die kommende Flut zu übersehen ..., hat etwas Ungeheures.
Es liegt vielleicht nicht an der Weite allein, sondern eher an dem Eindruck von etwas "Mächtigem, Ursprünglichem". Das Meer ist groß und weit, und der Mensch dagegen sehr, sehr klein - und fühlt sich deshalb ziemlich hilflos ...

Zitat:
Auch das Mehr an Wogen im Inneren ist mir vertraut und mit Gedanken an diese habe ich mich von deinem Werk mitreißen und mitnehmen lassen - mit der Burg aus und auf Sand angefangen.
Mir wäre es auch dann nicht zu lang erschienen, wenn im Anschluss an die nächste Burg wieder eine zerstörende Flut käme.
Unser Inneres ist dafür wie geschaffen - unendlich zu sein und immer wieder neue Gefahren zu sehen und zu fürchten.
Ist es nicht seltsam? Beim Glück sind wir bemüht "fest zu halten", beim Abtauchen in Tiefen, in Abgründe und beim "Sehen" haben wir immer das Gefühl von unendlich im negativen Sinne.
Es freut mich, wenn dich die Länge nicht stört. Ach, na ja, ich weiß, ich bin ein "Anachronismus", jedenfalls, was einen Teil meiner Gedichte betrifft.

Weißt du, in gewisser Weise sind wir Menschen "Gefangene in uns selbst". Angst ist ein wichtiger Bestandteil in unserem "Überlebensmechanismus", ein "Urinstinkt". Wer, damals in der "Vorzeit", keine Angst hatte, der konnte nicht lange überleben. Problematisch ist zum einen, dass diese Angst auch außer Kontrolle geraten kann und wir uns vor Dingen fürchten, die gar nicht zum Fürchten sind, und zum anderen sind wir auch die "Opfer" unserer modernen Zeit. Angst löst einen Fluchtreflex aus - dem wir meist nicht folgen können, aus den unterschiedlichsten Gründen. Irgendwie scheint das zu mentalen "Fehlschaltungen" zu führen - denn die Angst muss ja "irgendwo hin". Meiner Meinung nach wird sie daher "projiziiert" bzw. "verschoben". Dahin, wohin sie eigentlich gar nicht gehört.

Was der Mensch schon immer fürchtete und heute noch fürchtet, das ist das "Unbekannte", das "Fremde". Auch das war früher einmal sehr nützlich, bewirkt heute leider oft das Gegenteil. Stellen wir uns einen Urmenschen vor, der einem unbekannten, großen Tier begegnet. Nun, da hieß es: Besser "abhauen", denn das kenne ich nicht, das kann ein Raubtier und gefährlich sein. Heute können wir mit Hilfe moderner Technologie physisch ungefährdet ein solches Tier beobachten (und auch untersuchen), und so feststellen, ob es ein Raubtier ist oder nicht. Nur unterliegen eben unsere Instinkte nicht dem Verstand. Und der Vernunft schon gar nicht. Fazit: "Fremdenhaß" (nur zur Verdeutlichung) ist negative Projektion - es ist in Wahrheit Angst. Unsere heutige Zeit gibt uns nicht die Möglichkeit "auszuweichen", d. h. "wegzulaufen". Sie zwingt uns, angesichts der (vermeintlichen) Gefahr "stehenzubleiben" - und das löst einen "Kampfreflex" aus. Wir werden "aggressiv". Auch das ist ein "Urinstinkt". Wenn ich nicht fliehen kann, dann muss ich um mein Leben kämpfen. Das Problem ist unsere heutige Gesellschaft - denn unsere früher sinnvollen "Überlebensmechanismen" haben hier keinen "Platz" mehr, sondern funktionieren nicht mehr "richtig", es kommt also ständig zu "Fehlschaltungen". Und es gilt - je mehr Aggressivität, desto größer in Wahrheit die Angst.

Das Glücksempfinden ist eine kurze Sache, bei der, ebenso wie bei Angstempfinden, bestimmte Neurotransmitter produziert werden. Wie sehr das aber auch zusammenhängt, machen "Hobbys" wie Bungeejumping klar. Angst als "Hochgefühl". Diese "Überlappung" und auch manche "Fehlschaltung" wird dadurch verursacht, dass für beide Empfindungen der gleiche Gehirnbereich zuständig ist - die Amygdala. Also kann es passieren, dass Glück Angst macht - und Angst glücklich. (Auch das "Hochgefühl" nach einem "Kampf", bedingt durch den "Sieg" steht im gleichen Kapitel geschrieben - und kann, so wie jedes andere "Glücksgefühl" auch, zu einer "Sucht" werden ...)

Es ist aber tatsächlich so, dass auch Angst kein "Dauergefühl" ist, das gar nicht sein kann. Wenn zu viel und zu oft Angst empfunden wird, erkrankt der Körper. Da kann man sich die Frage stellen - ist das bei Glück dann anders? Nein, eigentlich nicht, da liegt auch ein "Knackpunkt", weshalb Glücksempfinden nicht "festzuhalten" ist. Das würde uns sogar ernsthaft schaden, wenn es so wäre. Wir brauchen also das "Unglück" oder zumindest das "Nicht-Glücklichsein" für unsere geistige und körperliche Gesundheit. Das sollte man wissen, denn das macht vieles leichter. Das, was du als das "Unendliche" bezeichnest, ist etwas "Unbekanntes", denn wir können das nicht "einordnen", daher macht es uns Angst - wir bewerten es erst mal negativ. Der "ganze Mensch" besteht aus Vernunft, Verstand, Gefühlen und Instinkten. Über die ersten drei können wir, in individuell verschiedenem Maße, "Kontrolle" ausüben. Aber Instinkte (ich würde sie, zur Verdeutlichung, hier als eine Art "geistige Reflexe" bezeichnen) entstammen den "alten" Gehirnregionen, und sind daher nur schwer (und oft auch gar nicht) zu kontrollieren bzw. zu "steuern".

Zitat:
Wie fein "gesponnen" von der Sicherheit nicht zu ertrinken, wenn man nur erkennt bzw. diese Weisheit heilend begreift.
In unseren "inneren Weiten" können wir ertrinken - wenn wir nicht "schwimmen" können. Wir müssen auch hier erst das Schwimmen erlernen. Das hat mit "Kontrolle" nur bedingt zu tun. Eher damit, zu lernen - und dadurch zu verstehen. Es ist nicht nur möglich, den Körper, sondern auch den "Geist" zu trainieren. Natürlich funktioniert das nicht im "ad hoc"-Verfahren, das erfordert Zeit - und "geistige Arbeit". Wenn jemand ein einziges Mal ins Fitnessstudio geht, hat er ja auch nicht schon sofort danach Muskeln wie "Mister Universum". Was vor allem wichtig ist, ist der Wechsel der Perspektive. Das erfordert eben regelmäßige Übung, so, wie das körperliche Training auch. (Was bei mir dazu geführt hat, dass ich mich nicht alleine auf die Logik beschränke, sondern ganz gezielt "Denkmuster austeste". Das macht mich geistig "beweglich" und eröffnet mir neue "Horizonte". Ob nun in Sachen Rhetorik oder anderem. Beispielsweise ist auch mein schnelles Lesen etwas, das ich mir im Laufe der Jahre "antrainiert" habe - durch ständige Übung.) Wir können uns wirklich "trainieren", denn beim Gedächtnis oder beim Lernen funktioniert es ja auch - weshalb sollte sich das also nur auf ein, zwei Möglichkeiten beschränken? Dafür gibt es keinen wirklichen Grund.

Zitat:
Kann man diesen Geist haben oder weitet er sich erst durch Erfahrung aus?
Ist nur ein fragender Gedanke, den ich jetzt für mich spinne.
Hier kann ich nur für mich sprechen und meine ganz persönliche Ansicht darlegen. Ich denke, das "Potential" dafür "haben" wir. Aber wir müssen lernen und üben, es zu nutzen. Es wäre ja unsinnig, sich in Meer (also ins "tiefe Wasser") zu "stürzen" - wenn man nicht schwimmen kann, weil man es nicht gelernt hat ...

Zitat:
Allem, was hier gesagt wurde, schließe ich mich lobend an, von der "Machart" und vom Inhalt.
Und sollten mich wieder Wogen packen, dann lese ich es noch einmal und immer wieder.
Vielen, herzlichen Dank. Wellen können wir nicht standhalten, liebe Dana. Aber wir können uns von ihnen "tragen" lassen und "mitschwimmen". Sich "dagegen zu stemmen" ist die falsche Methode. Nicht nur unser "Geist", auch das Leben ist wie ein Meer - die "Wellen" wogen eben immer "auf und ab". Und Geist und Körper sind eine "Einheit". Das ist nicht voneinander zu separieren, denn der "Sitz" unseres Geistes, das Gehirn, ist ein physisches Organ.

Liebe Grüße

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Alt 12.12.2011, 19:48   #9
Carlino
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Liebe Stimme,

eine mögliche Variante Deines großartigen Werkes, das mich stark beschäftigt hat, stelle ich hier ein:


Thalassophobia

Die Sonne scheint und verbrennt mir die Haut
bevor Regen fällt, sie zu heilen.

Ich hab meine Burg bloß aus Sand gebaut,
sie sinnend mir dann angeschaut
wollt’ so eine zeitlang verweilen,
doch wieder kam des Meeres Flut
und zwang mich zu enteilen,
die Wellen brachen jeden Mut.

Des Meeres Gewalt
entzog mir den Halt.

Mein Bauwerk bestand nur aus Sand,
der Sand hielt den Wellen nicht stand.


Am Horizont dort ein kleines Schiff,
viel zu klein, ich seh´s noch nicht klar,
jetzt kommt es näher – Achtung, ein Riff!
Schau hin wie es sinkt, jetzt wird´s klar

ich sehe Gestalten, die hilflos versinken,
doch niemand kann helfen, was hilft da das Winken
der Sog ist zu groß und die Wogen zu mächtig,
das macht mir das Brüllen des Meers so verdächtig.

Ach hätt ich das Schwimmen beizeiten erlernt!

Die Gestalten, dort draußen, so weit noch entfernt
Selbst wenn ich verstünde zu schwimmen, würd´s helfen
Wenn ich mit ihnen im Tiefen ertränke
im Meer selbst auf halber Strecke versänke?

Nichts.
Nichts käme ins Lot.
Alle wär’n tot.


Mensch, du bist ein Narr!
Niemand muss ertrinken,
niemand muss versinken,
niemand Abschied winken,
nicht in meinen Weiten,
nicht zu allen Zeiten,
hör doch einmal her:
Ich bin nur das Meer!
Hör auf meine Stimme,
schwimme!
Steh nicht einfach da, steh nicht stumm und starr!

Du wirst, dort am Ufer, die Klarheit nicht finden,
wirst weder die Weisheit noch Wahrheit ergründen.

Reite auf den Wellen,
lass dich einfach tragen,
tauche an den Stellen,
die es zu dir sagen,
treibe in der Weite,
denn im Auf und Nieder
und auf jeder Seite
findest du dich wieder,
wirst du neu geboren,
in den fernen Tiefen
gehst du nicht verloren!
Wünsche, die nur schliefen,
warten auf Erweckung,
Träume, die vergingen,
warten auf Entdeckung,
Stimmen, die erklingen,
singen dir: Nur Mut,
alles, alles wird jetzt wieder gut!

Denn ich bin in dir
und du bist in mir.

Hast du die Weiten des Meeres erwählt,
erkenne: Es ist nicht der Sand, der hier zählt.

Ich sitze am Ufer und blicke aufs Meer,
es scheint mir so weit und die Weite so leer,
ich sitze am Ufer und bleibe am Strand

und bau mir erneut eine Burg nur aus Sand.

Liebe Grüße von Carlino, der besonders das nächliche Schwappen des ruhigen Sommermeeres mag und sich am liebsten immer am Meer aufhielte
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Alt 13.12.2011, 13:11   #10
Stimme der Zeit
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Hallo, Carlino,

es freut mich wirklich, wenn mein Gedicht dich "stark beschäftigt" hat. Das ist ja auch eines der größten Komplimente, das man als Autor bekommen kann.

Die von dir erstellte Variante finde ich sehr interessant, es zeigt sich immer wieder, wie unterschiedlich wir "Forendichter" alle sind und wie unterschiedlich wir an eine Thematik "herangehen".

Inhaltlich hat sich nicht sehr viel verändert, aber genug, um eine teilweise ganz andere "Wirkung" zu erzielen, auch, was den "Rhythmus" betrifft.

Ich (persönlich) finde, die zwei aussagestärksten Veränderungen sind:

Zitat:
Alle wär’n tot.
Hier verwendest du einen "indirekten" Bezug im Gegensatz zu meiner "direkten Feststellung". Auch die vorhergehenden Zeilen hast du als "Frage" formuliert.

Zitat:
und bau mir erneut eine Burg nur aus Sand.
Auch in diesem Vers fand eine Veränderung statt. Während ich Wert auf das Bauen der "nächsten" Burg legte (im Sinne von ständiger "Wiederholung" im Verhalten), legst du hier den "Schwerpunkt" auf die "Substanz der Burg", denn sie besteht aus "Sand". Damit verändert sich der Inhalt dahingehend, dass jetzt klar wird: Etwas, das nur aus Sand gebaut ist, kann nicht lange bestehen und auch keinen Wellen "standhalten".

Ich mag das Meer auch sehr, sehr gerne, und mir geht es wie du: Wenn ich könnte, würde ich gerne am Meer leben und wohnen.

Vielen Dank, dass du dich so intensiv mit meinem Gedicht beschäftigt hast und vielen Dank für deine "Variation". Wie ich bereits sagte, das ist ein wunderbares Kompliment.

Liebe Grüße

Stimme
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