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Alt 05.10.2012, 08:40   #1
Antigone
Gesperrt
 
Registriert seit: 15.09.2012
Beiträge: 223
Standard Die Unempfindlichen

Wir plagen uns mit Alltagssorgen,
das eigne Leid nimmt uns in Anspruch.
Der Rest der Welt bleibt uns verborgen.
Uns stört nicht mal ein Wolkenbruch.

Wir haben mit uns selbst zu tun.
Die andern sind uns reichlich schnuppe.
Wir sind von Kopf bis Fuß immun,
da spuckt uns keiner in die Suppe.

Und wenn auch trist ein Armutsheer
die Straßen langzieht unsrer Städte –
erschüttern kann uns gar nichts mehr,
wir halten da noch jede Wette.
Antigone ist offline  
Alt 12.10.2012, 21:04   #2
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 9.912
Standard

Hallo Antigone,

da die Welt aus Relationen besteht, muss es, wenn es die Unempfindlichen gibt, auch die Empfindlichen geben.

Die Frage ist nur, ob die Letzteren es schließlich besser machen könnten, ob sie Mittel und Wege kennen, um das Dilemma abzustellen.

Anscheinend will es die hiesige Gesellschaftsformation so, weil sie nicht in der Lage ist, sich umzugestalten.

Und da haben wir wieder das beste Beispiel dafür, daß solche Gesellschaftsformationen ein rein künstliches Produkt sind.

Denn egal, wer in der Überzahl ist und das Sagen hat, immer werden die jeweiligen Werte und Moralvorstellungen, nach denen es in der Gesellschaft zu (über)leben gilt, auch allen anderen vorgegeben.

Wie sich das entwickeln wird, was sich zur Zeit z.B. in den Südstaaten der EU abzeichnet, ist schwer zu sagen. Die Bilder und Nachrichten, die es von dort gibt, gefallen wohl niemandem, egal, welcher Motivation dieses Missfallen nun zugrunde liegt.

Letzlich aber entscheidet die Zeit, wann ein System überholt ist, da bin ich mir ganz sicher.

Ob das, was danach kommt, dann aber besser sein wird, bleibt eine offene Frage, die nur die Zukunft beantworten kann.

Meistens wird ein perverses System durch das nächste ersetzt.

So war es zu allen Zeiten und zufriedenstellen, wird es niemals alle.

Dafür sind die Menschen zu verschieden.


Gerne gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



Falderwald ist offline  
Alt 13.10.2012, 15:42   #3
Antigone
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Registriert seit: 15.09.2012
Beiträge: 223
Standard Die Unempfindlichen

Lieber Falderwald,

danke fürs Feedback. Das Aufmerken, das Bereitsein ist der erste Schritt zum Bessermachen. Ob es dann tatsächlich besser wird, das steht auf einem anderen Blatt. Aber solange wir uns Augen und Ohren zuhalten, so lange ist noch nicht mal der erste Schritt getan.

Lieben Gruß
Antigone
Antigone ist offline  
Alt 13.10.2012, 18:02   #4
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 9.912
Standard

Hallo Antigone,

prinzipiell stimme ich dem zu.

Zitat:
Aber solange wir uns Augen und Ohren zuhalten, so lange ist noch nicht mal der erste Schritt getan.
Hier allerdings bleibt bei mir ein fader Nachgeschmack hängen.
Pauschalisierungen sollten uns fern liegen.
Wer ist wir?
Es gibt sehr viele engagierte Menschen in unserem Lande, die einfach nur machen, ohne es an die große Glocke zu hängen und alles kaputt zu diskutieren.
Ohne jene sähe es hier nämlich noch viel schlimmer aus.

Ich empfinde es als Unrecht, diese Menschen kollektiv mit negativer Gesellschaftskritik zu überziehen.
Auch sie sind feste Bestandteile, welche aus unserer Gesellschaft hervorgegangen sind, die wir nämlich alle, ohne jede Ausnahme, individuell mitprägen, auch wenn die meisten nur kleine Nummern in diesem Spielchen darstellen, in welchem sie gezwungen sind zu (re)agieren.

Es mag durchaus sein, daß viele dieser kleinen Nummern hier und da einfach wegschauen und vielleicht sogar dazu schweigen.

Aber was sollen sie auch machen?
Ein Mann hat seinen Job. Den muss er unbedingt versuchen zu halten, weil er zuhause die Mama und die zwei kleinen Jungvögel zu versorgen hat.
Dazu ist er aber noch z.B. ein freiwilliger Feuerwehrmann, und opfert damit einen guten Teil seiner Freizeit, um im Notfall helfen zu können.

Damit ist er spezialisiert und vollkommen ausgelastet, der kann nicht auch noch an der Tafel ehrenamtlich Essen austeilen und an der Umstrukturierung der bestehenden gesellschaftlichen Systeme aktiv mitwirken, um die Welt zu verändern.

Aber ohne diese Leute würde hier gar nichts mehr richtig funktionieren.

Und das ist auch meine eigentliche Kritik an dem vorliegenden Text.

Zitat:
Wir plagen uns mit Alltagssorgen,
Ich schon.

Zitat:
das eigne Leid nimmt uns in Anspruch.
Oh ja, denn es ist ja mein eigenes Leid.

Zitat:
Der Rest der Welt bleibt uns verborgen.
Das ist eine Unterstellung. Aber alles kann ich leider gar nicht wahrnehmen, dafür ist mein Geist nicht groß genug.

Zitat:
Uns stört nicht mal ein Wolkenbruch.
Das kommt aber ganz darauf an, was ich geplant habe.

Zitat:
Wir haben mit uns selbst zu tun.
Ja, s.o.

Zitat:
Die andern sind uns reichlich schnuppe.
Das ist eine Unterstellung. Aber was soll ich an der Situation ändern? Welche Möglichkeiten habe ich? Es fehlt mir an Zeit, an den finanziellen Mitteln und an Macht.

Zitat:
Wir sind von Kopf bis Fuß immun,
da spuckt uns keiner in die Suppe.
Immun? Wogegen?
Daß irgendwo einem kranken Kind aus nicht näher definierten Gründen nicht geholfen werden kann oder will?
Vielleicht habe ich ja ein eigenes krankes Kind zu versorgen? (s.o.)

Zitat:
Und wenn auch trist ein Armutsheer
die Straßen langzieht unsrer Städte –
Das ist eine rein hypothetische Annahme, denn solche Verhältnisse bestehen hier noch nicht und ob das so weit kommt, kann keiner wissen.

Zitat:
erschüttern kann uns gar nichts mehr,
Dann hat jeder wohl das Problem, auf welcher Seite er sich befindet.
Entweder als Teil des Heeres oder als Beobachter desselben.
Und was würde dann jeder wohl auf seine Weise machen?

Zitat:
wir halten da noch jede Wette.
Die gehe ich ein. Handschlag drauf!


Was können wir denn schon von der Gesellschaft kennen?
In welchen Kreisen verkehren wir?
Waren wir bei den schlimmsten Begebenheiten vor Ort oder lassen wir uns nur durch die Medien davon unterrichten?
Wieviele Menschen kennen wir denn?
Und von denen, wieviele davon kennen wir wirklich?

Diese Fragen könnte ich jetzt endlos weiter führen, aber das bringt uns nichts.

Ein Bild, ein richtiges Bild, von der Gesellschaft kann sich niemand machen, höchstens einen klitzekleinen Teilausschnitt aus diesem gewaltigen, künstlichen Menschengebilde aus Einzelindividuen mit all ihren Macken und Fehlern und Ideen und Gedanken und Gefühlen und Wünschen und Hoffnungen und Sehnsüchten und Träumen.

Und niemand, niemand hat das Recht, ihnen das abzusprechen.

Das ist nämlich das einzige Recht, was die kleine Nummer 3.649.378.013 unter all den 7.000.000.000 anderen Nummern besitzt.

Ich bin der Meinung, Gesellschaftskritik sollte im Speziellen und gezielt angreifen, denn mit Pauschalisierungen werden auch die getroffen, die es nicht verdient haben.


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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