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Alt 14.01.2013, 17:34   #1
Thomas
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Hallo Dana,

du hast völlig recht, "Hobbydichten und große Dichtung werden nicht aussterben". Vermutlich wird die Dichtung gerade durch die Computerisierung bei immer mehr Menschen einen noch höheren Stellenwert bekommen. Genau wie die Industrialisierung eine Sehnsucht nach Natur bewirkt hat, die es früher in dieser Form gar gab (Typisch der Wald, der im Märchen immer der bedrohlich Urwald ist und in der Romantik zum erstrebenswerten Zufluchtsort wurde). Je mehr künstliche Intelligenz (was immer es auch sei) den Menschen umgibt, desto mehr wird er sich danach sehnen, sich als besonderes Individuum auszudrücken. Und dafür ist die Poesie sehr gut geeignet- denke ich. Deswegen versuche ich auch möglichst genau zu verstehen, was das überhaupt ist.

Wenn ich jetzt den Text, den ich eigentlich nur als Notiz für mich selbst aufgeschrieben hatte und zu voreilig eingestellt habe, nochmals lese, merke ich, dass ich ihn gründlich überarbeiten muss. Wenn ich etwas Zeit finde, werde ich das auch tun. Aber als erste Annäherung taugt er vielleicht vorläufig.

Liebe Grüße
Thomas
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Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller
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Alt 14.01.2013, 19:37   #2
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Thema nach Rücksprache mit dem Autor verschoben.

i. A. der Moderation

Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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Alt 27.01.2013, 17:10   #3
Thomas
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Danke für das Verschieben.

Ich habe mir zu dem Text, der eigenentlich nur eine Notiz war, noch einige Gedanken gemacht und ihn in einer neuen Version eingestellt, damit die Kommentare, die sich auf die alte Version beziehen, verständlich bleiben. Mir ist klar, dass auch jetzt noch einiges recht unschaft ist, z.B. was singbarer Charakter bedeutet, oder komponiert. Vielleicht gibt es ja weitere Ergänzungen und positive Kritik.

Viele Grüße
Thomas
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Alt 31.01.2013, 20:39   #4
Cebrail
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Hallo Thomas,
deine Herangehensweise an Themen begeistert mich ja immer wieder und du hast mich
durch diese, ich nenne es mal These, dazu veranlasst mal ein wenig über Lyrik nachzudenken.

Zitat:
Lyrisch ist ein Text, wenn es ein komponierter Text ist, der sich durch Auswahl und Wiederholung von Sprachelementen von Prosa unterscheidet und singbaren Charakter hat.
Also, ich bin erst mal vom Grundwort her an die Geschichte ran gegangen und das Wort Lyrik
als solches angeschaut. Meine Freundin Wiki sagt dazu;

Zitat Wiki
„Als Lyrik (griechisch*λυρική (ποίησις) – die zum Spiel der Lyra gehörende Dichtung) bezeichnet man die Dichtung in Versform, welche die dritte literarische Gattung neben der Epik und der Dramatik darstellt. „

Hmm … ich denke beim Lesen, dass der Begriff doch ein wenig zu grob umrissen dargestellt wird und ich überlege auch gerade ob ich denn schon mal einen Lyrikvortrag gehört habe zu dem dann die Lyra gespielt wurde und ob denn die Lyrik immer in Versform dargestellt sein muss (… und eigentlich weiß ich gar nicht wie eine Lyra klingt nur mal am Rande, aber das werde ich nachholen).

Nee, habe ich nicht, das einzige was in meiner Erinnerung ist, stammt glaube ich aus dem Film „Quo Vadis“ in der ein brillanter Herr Ustinov diese Lyrik eben in einer sehr eigenen Art und Weise interpretiert.
So ist die Frage nach einer neuen Definition nicht ungerechtfertigt, vielleicht bedarf es einer Anpassung an diese unsere schnelle Zeit.

Interessant finde ich das Ausgrenzen von dem, was deiner Meinung nach keine Lyrik ist, um das zu erfassen was sie deiner Auffassung nach ist.
Irgendwo muss man ja anfangen und den Ansatz finde ich schon mal gut.


Hier gehst du auf das Komponieren ein und verweist darauf, dass es etwas Individuelles ist, etwas Spezielles das von einer Maschine nicht rekonstruiert werden kann, weil diese nicht die Gefühlswelten erfassen kann die unser Menschsein eben für sich in Anspruch nimmt.
So habe ich es zumindest aufgefasst.

Hier wurden ja auch schon die Versuche mit maschinengeschriebenen Texten angeführt.
Ich schließe es nun mal nicht aus, dass es in einiger Zeit Programme geben wird, die wie Falderwad ja schon anmerkte, so komplex aufgebaut sind, dass sie in der Lage sein werden Lyrik zu „produzieren“, aber auch hier darf man nicht vergessen, dass in der Grundidee der menschliche Gedanke steckt und sich alles einfach weiter entwickelt, vielleicht sogar in so umfassende Dimensionen, dass wir es gar nicht mehr definieren können und vielleicht ein „die Dinge in Schubladen stecken Denken“ nicht mehr ausreicht, weil das Feld Lyrik ein zu breites Spektrum abdeckt und immer Neues dazu kommt.
Vielleicht wird es ja in Zukunft Computerdichter geben.


Ich sehe das eher wie in der Musik, da mischen sich auch die verschiedenen Musikrichtungen und
es kommen neue dazu, so dass man einiges an Lyrik gar nicht mehr einordnen kann, weil
sie so viele Seitenarme bekommen hat und ihre Betrachtung auch immer eine Sache der Perspektive des Lesers ist.
Ein anderes Beispiel., die Kunst, so war Graffiti in ihren Anfängen verpönt und wurde (wird immer noch) als Sachbeschädigung geahndet, mittlerweile habe sich aber auch in diese Richtung
auch eine neue Kunstform entwickelt.
Soweit erst mal meine Gedanken dazu, aber mit Sicherheit noch nicht zu Ende gedacht.
*Grübel*


Lieben Gruß
C.
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© auf alle meine Texte

„Mir gefiel der Geschmack von Bier, sein lebendiger, weißer Schaum, seine kupferhellen Tiefen, die plötzlichen Welten, die sich durch die nassen braunen Glaswände hindurch auftaten, das schräge Anfluten an die Lippen und das langsame Schlucken hinunter zum verlangenden Bauch, das Salz auf der Zunge, der Schaum im Mundwinkel.“
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Alt 02.02.2013, 09:51   #5
Thomas
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Hallo Cebrail,

es freut mich sehr, dass dich meine These (genau als das empfinde ich es auch) "dazu veranlasst mal ein wenig über Lyrik nachzudenken." Deine Gedanken regen wiederum mich und andere an.

Mit dem Wiki-Zitat bis du zu Recht nicht zufrieden. Ich gehe darauf ein, weil ich glaube, dass ein allgemeineres Problem deutlich wird. Wiki sagt: "Als Lyrik (griechisch*λυρική (ποίησις) – die zum Spiel der Lyra gehörende Dichtung) bezeichnet man die Dichtung in Versform, welche die dritte literarische Gattung neben der Epik und der Dramatik darstellt."

Das ist (obwohl es genauso lang ist wie meine These) so ungenau, dass es eigentlich falsch ist.

1) Es stimmt, dass der Begriff Lyrik auf zur Leider gesprochenen Text zurückgeht, und meiner Meinung nach ist das bis heute ein ganz wesentliches "Erbe" der Lyrik, welches ich versuche durch die Vorstellung des "singbaren Charakters" in den Griff zu bekommen. Die Tatsache allein, dass Lyrik ursprünglich zur Lyra gesprochen wurde, sagt in unserer heutigen Augenwelt wenig aus.

2) Lyrik als Dichtung in Versform ist zu formal und so einschränkend, dass es falsch ist. Ich versuche die besondere Verwendung von Sprachelementen (die sich von der Verwendung im Epos und Drama unterscheiden lässt) als wesentliches Kriterium zu verwenden.

3) Die Dreiteilung der Poesie in Epik, Dramatik, und Lyrik ist relativ neuen Datums (Sehr schön erkennbar durch Goethes Definition der Ballade als Ur-Ei der Poesie) und meiner Meinung nach gut. Durch diese Definition ist jedoch die Lyrik, die zuvor eine spezielle Art der Dichtung war (Neben hymnischer, epigrammatischer Dichtung etc.), zu einem Oberbegriff für alle diese ursprünglich gleichberechtig neben ihr stehenden Dichtungen geworden. Für Goethe und die damalige Zeit (Dramen wurden in fünfhebigen Jamben geschrieben!) war unproblematisch, zumal Goethes Definition eigentlich von den verschiedenen Relationen des Dichters und des Publikums ausgeht (mehr dazu in meinem "LyrikChat"), aber mit der Romantik und er immer "introvertierteren" und "experimentierfreudigen" Dichtung, wurde der Begriff sehr weit ausgedehnt.

Deshalb ist es meiner Meinung nach wichtig, sich darüber Gedanken zu machen, nicht um Schubladen auszumessen, sondern um den eigenen Blick zu schärfen und das Wesentliche zu treffen, damit wirklich Neues erkannt werden kann. Ganz wesentlich scheint mir das, was ich mit dem Begriff "komponieren" zu erfassen suche. Achtung! Implizit behaupte ich damit, dass es so etwas wie kohärente Gesamtheit des Denkens und Fühlens, dass es einen (zumindest internen) Kosmos gibt, und dass das Schöpferische daraus entspringt.

Der Prozess, wie sich Neues dann umsetzt ist noch komplexer, wie dein Graffiti-Beispiel zeigt. Das ist meiner Meinung nach ein gutes Beispiel, aber ich möchte darauf jetzt nicht eingehen, weil es mich zu weiteren Pfade verleitet, die von der Lyrik wegführen.

Vielen Dank für deine Gedanken und die Anregung

Liebe Grüße
Thomas
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Alt 02.02.2013, 20:45   #6
Dana
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Mit meinem alten Onkel, der inzwischen verstorben ist, habe ich oft über die Definition Lyrik gesprochen.
Ich erinnere noch seine Begeisterung über die Wortableitung von Dichtung; das Verdichten der Sprache. Das kann man aber nicht in jeder Sprache ableiten. Mit "Poesie" kommt man schon weiter - "Erschaffen".
Gesprochene Worte zur Lyra ist eine annähernde Definition - es ist kein Lied.
Mit Liedern geht man eindeutiger um.

Lyrik könnte ein ganz eigenes Gefühl sein und so unterschiedlich verstanden werden, wie sich eben Menschen verstehen und nicht verstehen. Gerade darum ist Lyrik etwas ganz Besonderes. Sie wird vom Einzelnen "erschaffen" und sucht die Berührung.
Die großen und berühmten Dichter haben den "Nerv" getroffen, sie haben mit Aussage und Sprachschaffung berührt, angesprochen. An ihnen orientiert, hat man sich um eine Defintion bemüht. Sie blieb aber an Werke gebunden.

Unsere Sprache verändert sich auch, also wird auch die Definition für Lyrik wahrscheinlich immer "dehnbar" bleiben.
Letztendlich, von "Erbsenzählerei" abgesehen (Silben, Metrik, Kadenzen usw.), kommen einem klangvolle Verse doch wie ein Gedicht (Lied) an. Ist Lyrik Melodie, Lied, Musik? Man spielt mit Worten.

Ich weiß es nicht, aber ein paar Gedanken zum interessanten Thema wollte ich doch lassen.

Liebe Grüße
Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 03.02.2013, 07:51   #7
marzipania
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Guten Morgen,
die vorgetragenen Kommentare sind persönliche Meinungen und haben so eine zureichende Berechtigung. Der Literaturwissenschaft halten sie nicht stand.
Der Begriff Lyrik ist - wie jede andere Richtung auch - einer steten Veränderung unterworfen; sie ist ein Teil der Kultur und des Zeitgeistes.
Betrachten wir sie im historischen Kontext, enden die bisherigen Einschätzungen in der klassischen bzw. romantischen Phase, der nun das Computerzeitalter gegenüber gestellt wird. Ähnlich wird ja auch mit moderner bildender Kunst verfahren. Solche Vergleiche greifen jedoch zu kurz.
Ich möchte folgende Thesen in den Raum stellen:
Was ist eigentlich Lyrik?

Jeder glaubt es zu wissen, fast niemand weiß es wirklich.

Handelt es sich um eine "gefürchtete Textsorte" (Enzensberger)?
Ist sie deshalb gefürchtet, weil sie so schwierig ist?
Was unterscheidet eigentlich ein Gedicht von einem Prosatext?

Es gibt zahlreiche unterschiedliche Definitionen, die in Sachbüchern der Literaturwissenschaft oder in Handbüchern für werdende Schriftsteller zu finden sind. Vielleicht können wir uns auf drei allgemeingültige Antworten einigen:
- Das Gedicht ist ein Verstext
- Es ist ein lyrisches Gebilde
- und es zeigt poetische Sprache
In diesen Punkten liegen gleichzeitig die Unterscheidungsmerkmale gegenüber der Prosa. Sie umfassen die traditionelle gereimte Dichtung bis hin zu Schrägsten des Schrägen.

Denn es gibt nun einmal zeitgenössische Dichtung. Und es gibt Bemerkenswertes darunter. Auch jenseits des Reims und jenseits tradierter Formen. Wir alle sollten uns dem gegenüber mehr öffnen, denn sonst haben wir von dem, was Lyrik ist und sein könnte, zu wenig verstanden.
Im Sinne der Wissenschaft lassen sich literarische Strömungen ziemlich genau umreißen; in echt - spätestens seit Anfang des 19. Jahrhunderts - greifen sie ineinander, verwandeln sie sich in ein konkurrierendes Miteinander. Zum Teil hat das mit den technischen Veränderungen im Vertrieb von Büchern zu tun.
Es gibt ein Leben nach Goethe! Es gibt:
- Impressionismus
- Symbolismus,
- Jugendstil
- Neuromantik
- Futurismus
- Dadaismus
um nur einige zu nennen.
Neben die traditionellen formalen Koventionen treten solche, dies aus anderen Kunstrichtungen übernommen werden. Die Sprache selber tritt in den Vordergrund, freie Verse verdrängen die metrisch regulierten. Der Bezugsrahmen der Lyrik wird international.
Experimentelle Lyrikartisten stehlen exentrischen Rappern die Show, gelehrte Poeten werfen ihre Philosophie in die Manege, Computerfetischisten ihren Kram und gemäßigte Traditionalisten machen weiter wie bisher.
Das alles ist Lyrik.
Und d e s h a l b liebe ich sie.
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Alt 03.02.2013, 13:23   #8
Thomas
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Hallo Dana,

ich kenne dich ja nur durch deine Gedichte (was heißt "nur") und Kommentare, aber ich glaube du bist einer der glücklichen Menschen, die sich bei der Beurteilung von Lyrik ganz auf ihr Gefühl verlassen können, und dann schärfer urteilen können, als andere mithilfe eines wissenschaftlichen Apparates. Deine Behauptung: "Lyrik wird vom Einzelnen 'erschaffen' und sucht die Berührung." (des Andern) unterstreiche ich voll und ganz. Das ist wichtig und muss bei allem Suchen nach begrifflicher Klärung Grundlagen sein.

Liebe Grüße
Thomas



Hallo marzipania,

natürlich gibt es "ein Leben nach Goethe", warum ich mich in dieser Frage auf Goethe beziehe, werde ich dir später noch genauer erklären, ich dachte halt es sei klar.

Auch wenn ich die These etwas leichtfertig als Ergänzung zu einem anderen Kommentar eingestellt habe, so ist der Text schon Resultat einigen Nachdenkens. Und diese bräuchte ich nicht zu tun, wenn es mir darum ging Neues auszugrenzen. Aber leider ist Neues, nur weil es Neues ist, nicht automatisch gut und richtig.

Vor allem lässt sich wirklich Neue und Gutes ohne klare Begriffe und Definitionen gar nicht als solches erkennen.

Es lohnt sich also schon, Gedanken zu machen, wenn man Neuem offen gegenübertreten will, oder sogar etwas beitragen will.

Deinen Glauben an die Literaturwissenschaft möchte ich dir nicht rauben, aber ich bin sicher, dass ich einen Großteil der vielen Definitionen, von denen du sprichst kenne, nicht nur kenne, sondern auch darüber nachgedacht haben. Leider ist da (für die Beurteilung von Neuem) kaum etwas brauchbares dabei. Die letzte in sich kohärente und brauchbare Definition, die einen positiven Begriff von Lyrik liefert stammt (meines Wissens) die von Bernhard Asmuth. Viele der gängigen Definitionen sind von der Art, auf die ich im Kommentar an Falderwald mit der Bemerkung anspielte: "Gesundheit wird als Abwesenheit von Krankheit definiert", d.h. sie sind nicht in der Lage einen Begriff von Lyrik zu geben. Aber das sind noch die besseren, viele der literaturwissenschaftlich veröffentlichten Definitionen von Lyrik sind inkohärent und in sich widersprüchlich. Nur deshalb sah ich mich als denkender Mensch seit einiger Zeit überhaupt veranlasst, selbst eine Definition zu versuchen. Die Diskussion darüber, ob die brauchbar ist, und wie sie verbessert werden kann, ist für mich sehr interessant.

Leider gehst du darauf gar nicht ein. Dafür lieferst du selbst einen Vorschlag, auf den ich gerne eingehe, auch, weil ich hoffen, dass du dich dann ein wenig mehr mit meinen Gedanken auseinandersetzt.

Deine drei Aussagen sind:

"- Das Gedicht ist ein Verstext"
"- Es ist ein lyrisches Gebilde"
"- und es zeigt poetische Sprache"

Du hast Recht, darauf können wir uns einigen. Und was dann?

Die erste Aussage hängt davon ab, was du unter den Begriff "Vers" verstehst. Meinst du es wirklich im ursprünglichen Sinne des Wortes als Kehre? Dann wären nur sehr wenige der neueren Text Lyrik. Meinst du es im übertragen Sinn, dass man z.B. auch Aufgesang und Abgesang darunter verstehen kann? Oder was müsste man unter Vers verstehen, damit z.B. Goethes (schon wieder der) Prometheus unter Lyrik fällt (was er wohl sollte)? Oder entstehen Verse einfach dadurch, dass jemand Text umbrochen schreibt? Da würde ich widersprechen, das hieße "Lyrik ist, wenn einer sagt: Das ist Lyrik!" So etwas ist eine Null-Definition.

Um derartige Probleme zu vermeiden, habe ich es in meinem Definitionsversuch vermieden Begriffe wie Vers, Reim, Metrum etc. zu verwenden, sondern die besondere Verwendung von Sprachelementen hervorgehoben, Sprachelemente, die es auch in der Prosa gibt, deren besondere Verwendung sich aber unterschiedet. Auf dieser Basis kann man dann Vers, Reim, Metrum etc. genauer definieren und immer wieder kontrollieren, ob die Begriffe stimmig und passend bleiben.

Die zweite Aussage ist eine Tautologie: Lyrik ist eine lyrisches Gebilde. Kein Widerspruch ist möglich, aber als Aussage ist leider nutzlos.

Die dritte Aussage ist garantiert auch wahr, da Poesie der zu Lyrik gehörende Oberbegriff ist, ist alles lyrische poetisch. Kein Widerspruch ist möglich, aber als Aussage ist leider nutzlos.

Nochmals zu Goethe. Warum beziehe ich mich auf seine Definition? Nicht weil ich in die alte Zeit zurück möchte, sondern weil er, soweit ich erkennen kann, die letzte kohärente Definition gegeben hat (das habe ich hier und im LyrikChat versucht, nach bestem Wissen und Gewissen darzustellen). Ich habe ja erwähnt, dass sich der Begriff Lyrik in der Geschichte verändert hat. Die jeweiligen Definitionen waren eingebrette in ein in der jeweiligen Zeit stimmiges Konzept der Poesie. Mir ist es egal, ob man die Poesie in 3 Hauptgruppen unterteilt oder zufällig, wie den Regenbogen, in sieben, aber die Begriffe müssen eine zusammenstimmende Gesamtheit ergeben. Wenn du mir so etwas nach Goethe zeigts, bin ich der erste, der es übernimmt. Mir selbst ist bisher übrigens auch noch nichts Besseres eingefallen.

Deine Schlussbemerkung, warum du Lyrik liebst, finde ich nett und erfreulich. Vielleicht würde ich sagen, ich liebe gute Lyrik in ihrer Vielseitigkeit. Vielleicht verrate ich dir auch noch, dass ich einige Schlagertexte, wie z.B. "Spidersweb" für sehr gut Lyrik halte (um mich nicht ganz unmöglich zu machen, erwähne ich jetzt keinen Titel von Bläckföös, aber da sind auch sehr gute darunter). Jedenfalls würde es mich freuen, wenn du versuchen würdest etwas genauer herauszufinden, was den Spinner Thomas da so umtreibt.

Liebe Grüße
Thomas
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Geändert von Thomas (03.02.2013 um 14:34 Uhr)
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Alt 03.02.2013, 16:37   #9
marzipania
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Hallo Thomas,
warum sollte ich dich für einen Spinner halten?
Weil du dich mit Fragen beschäftigst, die mich selber umtreiben?
Wohl kaum. - Ich begrüße deinen Faden, behalte mir aber eine eigene Meinung vor.
Bezogen auf die Liebe zur guten Lyrik sind wir uns eh einig.
Wenn du von Literaturwissenschaft auch nicht allzuviel zu halten scheinst, möchte ich dir doch das Arbeitsbuch Lyrik ans Herz legen, Akademie Verlag, 2012, mit dem sich - wie der Name sagt - sehr gut arbeiten lässt.
Hier wird auf vorbildliche Weise das Wesentliche der Lyrik aufgezeigt, mit Querverweisen, historischem Kontext etc. und dient als Unterrichtsmaterial an Hochschulen.
Ich selber werde ab SS 2013 dieses Fach belegen; Zeit genug habe ich jetzt.
LG, marzipania

P.S. Weiter vorn wünscht du dir ein Rechtschreibprogramm mit Lektoratsfunktion. Das gibt es bereits, musst halt mal nachgoogeln - billig wird das aber wahrscheinlich nicht sein ...
Nachtrag:
Am leichtsten findest du zu den Programmen Zugang, wenn du
lektorat software googelst.

Geändert von marzipania (03.02.2013 um 16:49 Uhr)
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Alt 03.02.2013, 20:15   #10
Thomas
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Hallo marzipania,

so ein bisschen tust du es schon, auch wenn du es nicht merkst. Mir ging es, als ich in deinem Alter war, auch so, das ist normal. Deinen Buchvorschlag habe ich mir als Vorschau angesehen. Da ich schon einiges in sehr ähnlicher Form besitze, werde ich es wahrscheinlich nicht kaufen, aber dir wünsche ich viel Freude damit und viel Erfolg beim Studium. Vielleicht regt es dich ja an, bald auch inhaltlich mehr zu der Frage zu sagen. Das würde mich freuen.

Liebe Grüße
Thomas

P.S.: Ich befürchte, bei mir hilft da auch kein Lektorats-Programm mehr.
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