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22.10.2015, 20:56 | #21 | |
Lyrische Emotion
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 9.912
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Zitat:
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine) Für alle meine Texte gilt: © Falderwald --> --> --> --> --> Wichtig: Tipps zur Software |
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22.10.2015, 21:37 | #22 |
/ Bil-ly /
Registriert seit: 02.10.2015
Beiträge: 435
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Das war für mich sehr interessant. Letztlich darf man also alles? Es gibt die Metrik, als eine Art Leinwand, aber die Genies können auch auf zerknitterte Leinwände (die dann ein Stilmittel sind) große Gemälde malen, während ich kleines Forendichterinchen in aller Bescheidenheit erst einmal das Malen nach Zahlen erlernen muss. Echt frustrierend irgendwie.
Thomas hat mE, ganz gleich, ob man nun für Strenge oder mehr Freiheit ist, ein treffendes Resumee aus der Diskussion gezogen: Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdet's nicht erjagen, Wenn es nicht aus der Seele dringt Und mit urkräftigem Behagen Die Herzen aller Hörer zwingt. Sitzt ihr nur immer! leimt zusammen, Braut ein Ragout von andrer Schmaus Und blast die kümmerlichen Flammen Aus eurem Aschenhäuschen 'raus! Bewundrung von Kindern und Affen, Wenn euch darnach der Gaumen steht- Doch werdet ihr nie Herz zu Herzen schaffen, Wenn es euch nicht von Herzen geht. (rein metrisch kaum einzuordnen oder irre ich mich da? Ich meine vier Hebungen zu erkennen, stimmt das? Darf man denn das?) Liebe Gruß charis |
23.10.2015, 17:14 | #23 |
TENEBRAE
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
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Hi, charis!
Thomas zitiert hier den Faust von Goethe. Es ist wie in der Malerei: Die großen Namen haben es von der Pike auf gelernt, nur um sich - zumindest in der Moderne - wieder davon zu lösen. "Kunst" kommt von "können". Wenige sind intuitive Genies, die gute Kunst fertigbringen, ohne je über Metrik oder Perspektive, Reim- oder Farblehre gelernt zu haben, aber gerade jene machen sich selbst schlau - zB. Van Gogh in der Malerei! Es sind die Faulen, die glauben, ein paar Maulvoll Farbe über die Leinwand zu husten wäre schon eine große Idee oder ein neuer avantgardistischer Stil, der ihnen Unsterblichkeit garantiert! Es sind die Faulen, die "moderne" Lyrik schreiben, weil sie klassische nicht fertigbringen und sich dabei als große Poeten in die Brust werfen, weil ja jeder behaupten darf, was er möchte! Das heißt natürlich nicht im Umkehrschluss, es gäbe keine "gute" moderne Lyrik - es ist hier nur leichter, so zu tun als ob. Ich habe das kleine Handwerkszeug hier in den Foren gelernt - eben soviel, wie ich brauche, um nicht sofort als lyrischer Idiot aufzufallen. Zu mehr fehlt mir allerdings das diesbezügliche Interesse, ganz ehrlich gesprochen. Ich bin nur hier, weil ich gern dichte und gern gute Gedichte lese, nicht um mit Wissen zu glänzen, das ich nie brauche. Fachleute sind nicht der Weisheit letzter Schluss! Michael Jackson hat den kundigsten Schönheitschirurgen vertraut, und was ist dabei herausgekommen? Auch in der Kunst sind es nicht die Pharisäer und Koryphäen, die man noch nach hundert Jahren liest oder in Museen ausstellt, sondern jene, die es und sich "erfühlten" und sich nie beirren ließen! Wie oft hat man mir gesagt, ich solle "moderner" schreiben, mein Stil wäre altbacken, verstaubt, geschraubt, unnatürlich usw. blablabla ... Ich habe weiterhin so geschrieben, wie es mir Freude macht, und heute habe ich wohl einen gewissen Namen in manchen Foren, auch wenn mir das ziemlich egal ist. Es geht letztlich immer nur um die Freude daran! LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. Geändert von Erich Kykal (24.10.2015 um 16:41 Uhr) |
24.10.2015, 11:19 | #24 | |
Gast
Beiträge: n/a
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Zitat:
Wer aber Lyrik mehr liebt als Forengedichte jemals hergeben können, kommt m. E. gar nicht umhin, sich mit deren theoretischen Grundlagen, ihrer Analyse und Geschichte eine Zeitlang zu befassen. Schon Homer beschäftigte sich mit derlei, und der große Aristoteles schrieb die erste mir bekannte Poetik, abgelöst von seinen begabtesten Nachfolgern. - Augenblicklich existiert keine allgemein gültige Poetik. Allerdings gibt es an den Universitäten (Literaturwissenschaft) von zeitgenössichen Autoren zureichend Veranstaltungen zu diesem Thema, um ihr Schattendasein zu beenden. Dort käme man mit Bemerkungen wie: "Ich schreibe halt aus dem Bauch heraus ...", "im mündlichen Vortrag kann ich das ein bisschen ziehen" etc. nicht weit. Ein paar Grundlagenwerke zu den Gattungen und zur Rede im lyrischen Text sind m. E. unabdingbar. Allein schon, um eine gemeinsame Sprache zu benutzen, wenn es um lyrische Kategorien geht, also zu wissen, was chavali beispielsweise meint, wenn sie vom Versmaß spricht. Dies alles schließt ja experimentelle Dichtung nicht aus, sondern ein (wie ich bereits oben anführte). Die Ansprüche der User sind sicherlich sehr verschieden. Rechtschreibung, Metrik, Takt - und Stilaspekte sind jedoch erlernbar. Wir alle könnten von den Ergebnissen dieser Bemühungen profitieren. Schöne Grüße M. |
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24.10.2015, 16:53 | #25 |
TENEBRAE
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
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Hi, M!
Das Problem mit solchen Allgemeingültigkeiten ist, dass sie die Freiheit auch immer ein Stückweit einengen. Mit der Zeit kommen immer mehr Regeln hinzu, weil die versierten Poeten neue Herausforderungen brauchen. Ein schönes Beispiel dafür sind die Sonettregeln: Am Beginn stand wahrscheinlich nur die Form von Quartetten und Terzetten im Verein. Bald kamen weitere Regeln hinzu: die umarmenden Reime, die Struktur von These, Antithese, Synthese, die unbetonten Auftakte, die weiblichen Kadenzen, die Vermeidung des Paarreims in den beiden Schlusszeilen, die Gesetze des Kranzes und sicher noch ein paar Einschränkungen mehr, die ich nie gehört oder schon wieder vergessen habe. All das schnürt ein enges artifizielles Korsett, in dem zwar durchaus dichterische Höchstleistungen möglich sind, das aber zugleich auch vieles ausschließt und außenvor hält, was das Sonett als Kunstform durchaus bereichern könnte! Auch viele sprachliche Möglichkeiten werden so verunmöglicht! Wird ein Korsett zu enggeschnürt, bleibt dem Träger irgendwann die Luft weg! Nur der Pharisäer, der starre Geist beharrt um jeden Preis auf solchen Grenzen, als wären sie in Erz gegossen und absolut unverrückbar. Nur wer Grenzen braucht, schafft sich welche - und immer neue! Ich bin der klassischen Sonettform durchaus nicht abgeneigt und versuche sie meist zu befolgen - aber wenn es mal nicht passt oder meine Kreativität andere Wege geht, nehme ich auch dies als wertige Leistung an und schere mich nicht um die stringente Befolgung dessen, was meine Vision kastrieren würde. Demgemäß erachte ich gesunden Menschenverstand und individuelle Bewertung der Lage auch in der Gesellschaft als wichtiger als eine robotische Befolgung von Gesetzen und Vorschriften. Leider können viele Geister diesen Schritt nicht tun, ja nicht einmal innerlich nachvollziehen! Bedauerlich.
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. Geändert von Erich Kykal (24.10.2015 um 16:57 Uhr) |
24.10.2015, 18:34 | #26 |
Gast
Beiträge: n/a
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Hallo, Erich,
Sonette werden ja heutzutage vergleichsweise selten geschrieben und falls doch einmal, eher mit (zeitgenössischen) Variationen versehen. Hinzu kommt, dass metrische Schemata nicht für alle Gedichte gleichmäßig genau angegeben werden können. Sapphische Oden lassen sich bis in kleinste Kleinigkeit der metrischen Einheiten nachempfinden, in der Analyse auch erkennen: Strophenlänge, Zeilenlänge, Hebungen und Senkungen sind gleichsam "schicksalhaft" vorherbestimmt. Anders sieht es in der Tat bei Sonetten aus, die - wie von dir angeführt - bereits von Rilke u.a. bzgl. der Verslängen variert worden sind. Allgemein lässt sich sagen, dass die Lyrik germanischer Herkunft metrisch viel fixierter daherkommt als die romanische. Und Sonette gehören bekanntlich der romanischen Gattung an. Ein Bauplan besteht ja zunächst einmal unabhängig von seiner Erfüllung: Das Schema kann gleich bleiben, aber dennoch ganz verschieden klingen (Lautung im einzelnen). Innerhalb der Hebungen existiert zudem eine ganze Skala an Möglichkeiten - von klangvoll bist kaum spürbar, anderes klingt wiederum straffer, artikulatorisch deutlicher. Diese Verschiedenheiten sind bei guten Dichtern aber keineswegs zufällig, sondern Manifestationen eines viel umfassenderen Phänomens, des Rhythmus. Aus meiner Forenerfahrung haben Musiker deshalb viel weniger Schwierigkeiten, ein gut klingendes Gedicht zu schreiben als unmusikalische Menschen. - Auch unverbildeten Kindern kann man die Chose durch Händeklatschen relativ leicht beibringen. Das soll erstmal reichen M. |
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