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Alt 20.12.2014, 02:10   #1
Hans Beislschmidt
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Standard Die Rothaarige in der Jurte

Die Rothaarige in der Jurte


„Und was machst du im Winter?, fragte ich, und wärmte mir die Hände an dem Becher Glühwein.

„Na, da wohne ich auch da, ich bin nur ganz selten im Haus“, sagte Isa und bot mir ein paar Zimtwaffeln an.

„Aber es ist doch schweinekalt, da kann man doch nicht draußen im Zelt schlafen“. Ich griff in die Tüte.

„Noch mal, es ist kein Zelt! Es ist eine original mongolische Jurte, die hab ich aus der Mongolei und selbst von Ulaanbaatar nach Deutschland verfrachtet. Und da ist es überhaupt nicht kalt“.

Sie machte ein kurze Pause und sagte, „wenn du mir nicht glaubst, komm doch mal vorbei“.

Ich überlegte kurz. „Gut, ich komme heute Abend, soll ich ne Flasche Wein mitbringen?“

„Nein, wir machen es mongolisch. Da gibt’s Suutei Tsai Tee mit Milch und Salz.“

Ich schenkte mir schnell noch einen Glühwein ein. „Schön hast du gespielt heute auf dieser Beerdigung“.

„Ich fand deine Trauerrede auch nicht schlecht, sehr einfühlsam. Sogar die Rocker hatten feuchte Augen“.

OK, ich muss noch ein paar Sachen erledigen. Ich wäre so gegen acht bei dir“.

„Gut“, sagte sie und steckte ihre Zimtwaffeln in den Mantel. „Dann bis acht“.

Das kleine Häuschen lag geduckt hinter ein paar Bäumen und tatsächlich stand im Garten eine echte Jurte. Sie hatte rundum ein Stangengerüst und war aus einem hellen, dicken Stoff. Sogar eine Holztür gab es.
Ich klopfte vorsichtig. Die Tür tat sich einen Spalt weit auf und ich trat ein. Isa hatte sich in bunte Tücher gewickelt und hatte seltsame Fellschuhe an.

„Scharfes Outfit, sicher auch aus der Mongolei“ sagte ich mit leichtem Grinsen.

„Natürlich, das tragen dort alle Hirtenfrauen“. Sie störte sich nicht im geringsten an meiner ironischen Bemerkung und führte mich an die gegenüberliegende Zeltwand.

„Sieh dir das mal an“, sagte sie und drückte mir einen Bogen in die Hand. „Das ist ein original mongolischer Reiterbogen“.

„Wow, und auf wen schießt du so im Allgemeinen?“

„Ich gebe Unterricht und fahre drei mal im Jahr auf Bogenturniere. Nun setz dich doch mal und mach’s dir bequem“.

Ich setzte mich auf etwas, das aussah wie ein Felllager. „Irre bequem, die Dinger, sind die aus dem Ikea oder auch aus Ulaandingsda?“

„Ulaanbaatar“ verbesserte sie mich. „Nicht ganz, die hab ich den Hirten abgekauft, als ich vor zwei Jahren dort war“.

Sie ging rüber zu dem Kanonenofen und kam mit einer Kanne Tee wieder.

„Hier, trink einen Schluck von dem Tee, doch Vorsicht, er schmeckt etwas ungewöhnlich“.

Ich nahm einen kleinen Schluck und obwohl er etwas ranzig schmeckte, trank ich die Tasse fast ganz aus.

Der Ofen knisterte laut und verströmte eine angenehme Wärme. Ich zog meine Jacke aus und warf sie neben das Felllager.

Isa begann sich langsam aus ihren Tüchern zu schälen. Sie war nicht gerade schlank aber sehr gut proportioniert. Ich sah die Kraft in ihren Bewegungen, als sie zu den beiden großen Trommeln trat und begann einen gleichmäßigen Takt zu schlagen. Nach einer Weile nahm sie ihre Flöte und kam rüber zu mir.

„Ich kann nicht so lange auf den Trommeln, weißt du. Der nächste Nachbar ist zwar über 100m weit weg aber die tiefen Bässe gehen selbst durch dicke Mauern. Aber ich hab was anderes für dich“.

Sie zog mir die Hose aus und setzte sich auf mich. Ihr dickes, rotes Haar bedeckte fast ihre beachtlichen Brüste und sie begann sich langsam hin und her zu bewegen. Sie setzte die Flöte an die Lippen und sagte „Vivaldi“, dabei kicherte sie leise und ich spürte, wie sie mich genüsslich aufnahm. Es war ein sehr ruhiges Stück. Ich hatte immer geglaubt, dass Vivaldi so ein hektischer Rokoko Geiger war aber dieses Stück war sehr betulich und einfühlsam. Genau so stimmte sie ihre Bewegungen ab. Mit dem Druck ihrer Schenkel und ihrem Becken spielte sie einen passenden Rhythmus zu dem Stück.

Irgendwann, nach Stunden, sind wir eingeschlafen. Benebelt von Duftkerzen und dem ranzigem Tee meiner mongolischen Trommelfrau, bin ich im Traum durch Steppen geritten, habe mit dem Bogen geschossen und habe die Geister von Tieren beschworen.

Nie wieder, weder davor, noch danach, habe ich etwas Vergleichbares erlebt.
__________________
chorch chorch

Geändert von Hans Beislschmidt (24.12.2014 um 14:14 Uhr)
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Alt 22.12.2014, 12:58   #2
Falderwald
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Moin Hans,

die Frage "Gibt es guten Sex?" kann doch nur jemand stellen, der das noch nicht erlebt hat.

Ich weiß nämlich, dass es ihn gibt.

Was will der Autor mit dieser Geschichte eigentlich sagen?

Dass nur irgendeine Durchgeknallte, die in einer original mongolischen Jurte aus Ulaanbaatar in bunte Tücher und seltsame Fellschuhe gekleidet nach ein paar Glühwein mit Trommeln und Flöte in der Lage ist, anschließend bei Vivaldi guten Sex zu bieten?

Die ganze Geschichte bleibt trotz der Ausschmückungen wie dem ranzigen Tee und der Bogenschützin äußerst flach, es geht ihr jede Dramaturgie ab.

Eine kleine, wilde Versöhnungsorgie zu den Klängen des Boleros, ein wilder Wutritt, um Aggressionen abzubauen oder ein paar eingebaute Hindernisse, das wäre eine Erzählung wert gewesen.

Nicht aber so ein seichtes, wie von selbst laufendes, langweilig verspieltes Nümmerchen auf einem bequemen Feldlager, das auch von Ikea hätte sein können.

Für mich ist das eine 08/15-Erzählung mit gezwungener exotischer Ausstattung.
Wen interessiert es, ob irgendjemand sich in einem mongolischen Nomadenzelt von einer Rothaarigen mit verspielten Beckenbewegungen bumsen lässt?
Da kann genauso gut ein Sack Reis in China umfallen und sich der betroffene Besitzer darüber beschweren.

Das reicht noch nicht mal zu der üblichen Provokation...

Tut mir leid, aber das war nix...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald


__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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Alt 22.12.2014, 13:57   #3
wolo von thurland
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guten tag

wo fehlt hier die dramaturgie? wäre das geschichtlein nur ein kinderfreier softporno (was es ja eigentlich ist), würde ich behaupten, es sei nach vielen regeln der kunst geschrieben.
es gibt auch ernsthaftere romane, in welchen der sex für die beteiligten "gut" ist.
nur ist das dann eingebettet in einen handlungsfaden. und hier wirkt es ohne einbettung und in der ich-erzählung, als wolle der autor nichts anderes, als mich neidisch auf sein erlebnis machen, was ihm auch durchaus gelingt!
womit ich nicht sagen würde: das war nichts, sondern: da war entschieden was, nur ist sein erzählt werden in dieser form wirklich peinlich. der seltsame titel setzt der peinlichkeit die krone auf.
in diesem sinne: doch, es fehlt dramaturgie, aber nicht in der geschichte, sondern drum herum.

gruss
wolo
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Alt 24.12.2014, 14:12   #4
Hans Beislschmidt
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Hallo Ralf, Wolo.

vielen Dank für Kommentare und Gedanken.

Ich möchte den Titel der Kurzgeschichte wandeln in "Die Rothaarige in der Jurte". Ansonsten kann ich nur anmerken, dass dem LyIch genau dieses passiert ist.

Gruß vom Hans
__________________
chorch chorch

Geändert von Hans Beislschmidt (24.12.2014 um 14:17 Uhr)
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Alt 24.12.2014, 14:30   #5
wolo von thurland
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prima. diese kleine anmerkung hat gerade noch gefehlt. denn beislschmitt ist ein ehrenwerter autor, dem man es nicht verziehe, würde er diese szene erfinden oder auch nur ausschmücken.

der titel ist immer noch sehr bieder.

aber mach ein band drum und schenk es der rothaarigen zu weihnachten.

dir ein schönes fest
wolo
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Alt 25.12.2014, 13:15   #6
Hans Beislschmidt
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„bieder“ ist ein relativer Begriff, der sich fast stündlich anpassen muss, um überhaupt noch wahrgenommen zu werden. Gefühl und Sexualität scheinen sich mehr und mehr voneinander zu entfernen. Der „thrill a minute“ beim Sex hat sich im Kopf wie auch über der Bettdecke breitgemacht und saugt alles ab, was früher einmal mit Gefühl zu tun hatte, um einer neonfarbenen Kopulationshysterie Platz machen, die mit LED Spots alles ausleuchtet, bis in die hintersten Vaginalfältchen. Es muss (wie alles heute) bombastisch sein, grell, laut, aufdringlich-platt. Es herrscht die Zeit des Sexual-Proletariats. In dieser Zeit hat ein leises Hautprickeln keine Bedeutung mehr und ist so unwichtig, wie Falderwald sagte, „wenn in China ein Sack Reis umfällt“.

Wenn Sexualität Ausdruck von Zeitgeist ist und Autobahnraststätten in einem Kondom-Tsunami absaufen, was hat dann eine Flöte spielende Rothaarige noch beim Softsex zu suchen?

Der Sex Flash Mob wurde ja hier von Falderwald schon angemahnt oder beispielhaft eingefordert. Was braucht es überhaupt, um in einer lichtverschmutzten Reklamewelt herauszustechen?
Der Versöhnungfick? Das legt doch nahe, dass ein Streit nur deshalb angezettelt wird, um die Erektionsfähigkeit beim "Hinterher" zu verstärken. Da ginge es doch weniger um den Streit, viel mehr um ein bdsm Ritual, welches den Willkürstreit als Vehikel braucht.

Der Wutfick? Der sich die Agressionen aus dem Leib treibt oder rammelt, die sich aber nach kurzer Entladung sofort wieder neu aufbauen, weil sie ein Synonym für ein fehlgeschlagenes Lebensprojekt sind.

Der Hindernisfick? Der sich möglicherweise in frivoler Öffentlichkeit, auf Toiletten oder mit Halsband und Kette äußert? Wo Subbiemaus an der roten Ampel im Latexrock gespankt wird.
Es war eine Kurzgeschichte, die mit ein paar bescheidenen Stilmitteln auskommen musste, die aber falsch oder gar nicht verstanden wurde.

Gruß vom Hans
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Alt 25.12.2014, 15:19   #7
Bodo Neumann
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Hallo Hans Beislschmidt,

Zitat:
Es war eine Kurzgeschichte, die mit ein paar bescheidenen Stilmitteln auskommen musste, die aber falsch oder gar nicht verstanden wurde.
ich verstehe nicht ganz, warum die Geschichte mit ein paar bescheidenen Stilmitteln auskommen musste. Und ob die Geschichte falsch verstanden wurde oder nicht, weiß ich auch nicht - ich denke aber, du hast die Kritik falsch verstanden.

Natürlich wird die Story nicht besser, wenn der Sex noch expliziter herausgearbeitet wird oder Isa während des Flötespielens auch noch Rilke rezitiert und sich dabei wie ein Kreisel auf dem Penis des Protagonisten dreht.

Fragen wir uns doch mal, wo der Mehrwert für den Leser liegt. Was erzeugt Spannung, was erregt Interesse in einer Erzählung? Das kann ein Konflikt sein, eine unerwartete Wendung - beides funktioniert aber nur, wenn sich der Leser irgendwo darin wiederfindet (und sei es nur ein kleines Detail, ein Situation oder ein Gefühl, das ihm bekannt vorkommt). Gibt es keinen Berührungspunkt zwischen Story und Leser, dann ist sie nur eines: langweilig.

"Jürgen beschloss, sein früheres Leben zu verlassen. Seinen Job, seine Freunde, die Stadt, in der er lebte. In A. angekommen, zog es ihn magisch ins Casino. Ob es die attraktive Blonde war, die gerade vor ihm hineinging, oder der Drang, etwas verrücktes zu tun - Jürgen weiß es nicht. Aber er gewinnt. Er gewinnt das erste Spiel, das zweite und alle anderen auch. Als er am Morgen das Casino verlässt, begleiten ihn neben der Blonden auch eine Brünette und eine Rothaarige ins Hotel. Jürgens neues Leben fühlte sich fantastisch an."

Das ist natürlich sprachlich platter als dein Text, Hans, aber inhaltlich ganz ähnlich gestaltet, nämlich langweilig. Was soll das beim Leser hervorrufen? Manche würden den Protagonisten beglückwünschen (und sich freuen, dass die Geschichte so schön kurz geblieben ist), bei anderen riefe sie vielleicht Neid hervor (ein Gefühl, dass wahrscheinlich keine weitere Empfehlung nach sich zieht). Die meisten würden aber sagen, das es so einen Quatsch gar nicht gäbe und dass es deshalb langweilig sei.

Eine Geschichte muss natürlich nicht wahr sein, um gut zu sein - sie muss beim Leser für möglicherweise wahr gehalten werden. Und das hängt von der Dramaturgie ab, von der Einbindung der Gefühlswelt des Lesers in die Story. Deshalb kann die abstruseste Sci-fi-Weltraumsage "wahr" empfunden werden und funktionieren und die "wahreste" tatsächliche Begebenheit langweilig und an den Haaren herbeigezogen wirken (und wenn der Autor die Tatsächlichkeit noch so beteuert, wird es immer schlimmer)

In diesem Sinne wünsche ich dir, Hans, dich der Kritik nicht ganz so zu verschließen wie im letzten Kommentar und diese Gedanken vielleicht beim Kreieren der nächsten Story zu berücksichtigen. Ich bin sicher, dass dein LI noch eine ganze Menge anderer spannender Sachen erlebt hat.

Freundlichst
Bodo
Bodo Neumann ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.10.2015, 21:10   #8
Hans Beislschmidt
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Hey Bodo,
erst jetzt lese ich deinen ausführlichen Komm. Entschuldige, dass ich so spät darauf antworte.
Also ... Vielen Dank für die Gedanken und Anmerkungen ... wirklich sehr nett und zuvorkommend ... bemüht und inspiriert - alles wunderbar, nur eben nicht in meinem Sinne. Die Duftkerzen waren wohl schon verbraucht.
Gruß vom Hans
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