15.09.2016, 12:46 | #1 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Shakespeare Sonett 100 - Übertragung
Shakespeare Sonett 100 - Übertragung
Wieso hast, Muse, du dich abgewendet von dem zu reden, was dir Macht verleiht? Hast deine Kraft verdunkelt und verschwendet und dem Gemeinen deine Zeit geweiht? Du pflichtvergessne Muse kehre wieder, um schnell zu heilen die verlorne Zeit, und singe denen, die dich schätzen, Lieder, damit der Feder Kunstgeschick gedeiht. Das Antlitz meiner Liebe nun betrachte, und siehst du prüfend auch nur eine Falte, bewirke, dass ich den Verfall verachte, verspotte das Vergehen und das Alte. ___Lass Liebe selbst im Schwinden neu beginnen ___und so dem Sichelkreis der Zeit entrinnen. Shakespeare Sonett 100 - Original Where art thou, Muse, that thou forget'st so long To speak of that which gives thee all thy might? Spend'st thou thy fury on some worthless song, Darkening thy power to lend base subjects light? Return, forgetful Muse, and straight redeem In gentle numbers time so idly spent; Sing to the ear that doth thy lays esteem And gives thy pen both skill and argument. Rise, restive Muse, my love's sweet face survey, If Time have any wrinkle graven there; If any, be a satire to decay, And make Time's spoils despised every where. ___Give my love fame faster than Time wastes life; ___So thou prevent'st his scythe and crooked knife. P.S.: Es handelt sich hier nur um die isolierte Übertragung eines der 154 Sonette, deshalb habe ich die neunte Zeile als "Das Antlitz meiner Liebe nun betrachte," übersetzt. Handelte es sich um eine Übertragung des gesamten Sonettzyklus, müsste aus dem Zusammenhang heraus "Das Antlitz meines Lieben nun betrachte," stehen, da "my love" in den ersten 126 Sonetten männlich und in den folgenden weiblich ist. Da beide "Personen" im Zyklus meiner Meinung nach ohnehin metaphorisch für die universelle Liebe aufzufassen sind, habe ich mich hier für diese Form der neunten Zeile entschieden.
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© Ralf Schauerhammer Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller Geändert von Thomas (15.09.2016 um 22:49 Uhr) |
15.09.2016, 18:24 | #2 |
TENEBRAE
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Hi Thomas!
Erneut ein toller Wurf! Ich schwelge! Z7 - Sollte "die dich schätzen" nicht zwischen Kommas stehen? Ich bin nicht ganz sicher ... Du solltest vielleicht daran denken, ALLE Schakespearsonette ins Deutsche zu übertragen - du machst das nämlich wirklich ausnehmend gut! Wenn's die als Buch gäbe, würde ich das sofort kaufen! Erneut allergernst gelesen! LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
15.09.2016, 20:00 | #3 |
Slawische Seele
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Lieber Thomas,
ich bin hingerissen . (die dich schätzen sollte wirklich zwischen Kommas stehen ) Ich kenne viele polnische Gedichte und Lieder. Beim Versuch zu übersetzen meinte ich immer, es ginge nicht, weil das Sprachgefühl oft ein "anderes" ist. (z.B. gibt es ein traumhaft schönes Volkslied von einem Vogel, der ein "Lindenwäldchen" ??? überfliegt und von einem Mädchen beobachtet wird. Gibt es Lindenwälder?) Dir gelingt es wunderschön. Liebe Grüße Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
15.09.2016, 20:11 | #4 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Liebe Dana, lieber Erich,
vielen Dank für das Komma und das Lob. Alle werde ich wahrscheinlich nicht übersetzten können, denn es erfordert viel Geduld. Es werde aber bestimmt noch einige folgen, denn es macht sehr viel Freude. Ich sehe es auch so ähnlich, wie das Lernen durch Nachmalen großer Künstler in der Malerei, bei dem man dem Künstler viel näher kommt, als wenn man nur betrachtet. Mit Shakespeare geht es mir so, dass ich ihn mit der Zeit immer genialer und besser finde. Wenn das so weiter geht, stimme ich noch, genau wie Lessing, Goethe und Schiller, Lobeshymnen auf ihn an. Liebe Grüße Thomas P.S.: An dem was Dana sagt, ist natürlich etwas dran, ganz gelingt eine Übertragung nie - Sprache ist eben nicht so universell wie Musik.
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15.09.2016, 21:19 | #5 |
TENEBRAE
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Hi Thomas!
DIE KommaS - nach "schätzen" gehört auch noch einer hin! LG, eKy
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15.09.2016, 21:39 | #6 |
Slawische Seele
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Und Musik ist so universell und eigen, dass man sich nur außerhalb, losgelöst von Worten, bewegen kann.
Dort, wo wir nach Worten suchen, benötigen wir die Lyrik.
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15.09.2016, 21:45 | #7 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Wissen das auch die heutigen Lyriker, liebe Dana? Manchmal (ver)zweifele ich daran.
Liebe Grüße Thomas
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15.09.2016, 22:39 | #8 |
TENEBRAE
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Nochmal, weil wohl übersehen.
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15.09.2016, 22:50 | #9 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Lieber Erich,
wenn ich dich nicht hätte. Herzlichen Dank. Es ist nun da. Liebe Grüße Thoams
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