15.05.2011, 00:03 | #21 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Gotthold Ephraim Lessing
Die Küsse Der Neid, o Kind, Zählt unsre Küsse: Drum küss' geschwind Ein Tausend Küsse; Geschwind du mich, Geschwind ich dich! Geschwind, geschwind, O Laura, küsse Manch Tausend Küsse: Damit er sich Verzählen müsse. Mir gefällt die fröhliche Unbeschwertheit dieses kleinen Werkes.
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27.05.2011, 18:46 | #22 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Das kannte ich noch gar nicht, aber ich finde es großartig, ironisch-bissig und tiefsinnig, der "feinsinnige" Humor Morgensterns gefällt mir einfach.
Christian Morgenstern: Ballade Auf der Teichwies' waren heut' sonderbare Brüder, sangen, sprangen um die Wett' zu 'nes Alten Fiedel: Goldfuchs, rund und blank, juchhe! Schürze, zart und weiß wie Schnee, Flasche grau wie Asche. Sang der Goldfuchs: Alles dreht sich um mich früh und spät! Rum-didl-dum, rum-didl-dautz, bum bum bum bautz. Sang die Schürze: Alles dreht sich um mich früh und spät! Rum-didl-dum, rum-didl-dautz, bum bum bum bautz. Sang die Flasche: Alles dreht sich um mich früh und spät! Rum-didl-dum, rum-didl-dautz, bum bum bum bautz. Warf der Alt' die Fiedel weg, kriegt den Fuchs zu fassen, schickt' ihn wie 'nen Schlitterstein weit hinaus aufs Wasser, griff die Schürze, steckt sie ein zwischen Ripp' und Gürtel, warf die leere Flasch' zu Boden, dass sie gell zerklirrte; wandte sich, das Buschwerk schlug hinter ihm zusammen: aber lang noch hört man ihn fernher brummen: Alles dreht sich um mich früh und spät! Rum-didl-dum, rum-didl-dautz, bum bum bum bautz. Der Mensch: Geld, Sex und Alkohol ...
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27.05.2011, 19:16 | #23 |
ADäquat
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Theodor Storm Die Nachtigall Das macht, es hat die Nachtigall
Die ganze Nacht gesungen; Da sind von ihrem süßen Schall, Da sind in Hall und Widerhall Die Rosen aufgesprungen. Sie war doch sonst ein wildes Blut; Nun geht sie tief in Sinnen, Trägt in der Hand den Sommerhut Und duldet still der Sonne Glut Und weiß nicht, was beginnen. Das macht, es hat die Nachtigall Die ganze Nacht gesungen; Da sind von ihrem süßen Schall, Da sind in Hall und Widerhall Die Rosen aufgesprungen. DAS hätte ich gern schreiben wollen
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01.06.2011, 07:40 | #24 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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hallo chavali,
ein feines gedicht! doch ich wette, wenn storm das heutzutage so in ein lyrik-forum eingestellt hätte, dann gäbe es bestimmt auch harsche kritik: du fängst mehrere zeilen mit "und" an.... die fängst mehrmals mit "da" und "die" an - wie eintönig! an manchen stellen ist die syntax ist verwirrend.... was ich damit sagen will? wir heutigen dichter haben es ungleich schwerer, irgendwelchen ansprüchen zu genügen - weil wir beständig auf dem podium der ganzen welt auftreten und uns rechtfertigen müssen. in manche dingen war "die gute alte zeit" wirklich besser. unserer digitale welt ermöglicht einen viel rascheren gedankenaustausch - das ist einerseits nützlich und geradezu phänomenal, andererseits aber auch verheerend, weil sich unausgegorenes dadurch genau so rasch verbreitet. die "klimaerwärmung" schreitet also auch mental voran - allein schon durch das tempo , das wir allesamt drauf haben. vielleicht ist es ja das, was wir in diesen altengedichten (noch) finden : they are cooled down! ihre innere ruhe fasziniert uns. aber anders sind "hall und widerhall" eben auch nicht wahrnehmbar. liebe grüße, larin |
02.06.2011, 00:39 | #25 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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© Bilder by ginton Ich fühle, also bin ich! Alles, was einmal war, ist immer noch, nur in einer anderen Form. (Hopi) nichts bleibt, nichts ist abgeschlossen und nichts ist perfekt... (Wabi-Sabi)
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23.06.2011, 21:25 | #26 |
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Otto Erich Hartleben, (1864–1905) Liebe und Lyrik Der Liebe Lust in Liedern auszuklagen, scheint heutzutag dem Dichter fast verwehrt. Was könnt er Neues auch den Leuten sagen: so mancher hat uns schon sein Glück beschert. Glaubt einer gar der Liebe Leid zu tragen, lässt er uns sicherlich nicht unversehrt: Herz reimt noch stets auf Schmerz, auf Liebe Triebe – ich reimte mit Genuss auf beide – Hiebe! So weiss denn selbst der traurigste Philister: die Liebe sei so eine Himmelsmacht; in illustrierten Wochenblättern liest er, dass man sich oft sogar drum umgebracht. Ein Kenner aller Leidenschaften ist er, wer ihm nichts Neues bringt, wird ausgelacht: kurz, was die Lieb angeht – er ist au fait: es lässt sich nichts mehr machen drin. O weh! Und ist man nun aus purem Pech ein Dichter, dems schlecht behagt, den andern nachzutreten, dems nicht genügt, nur manchmal neue Lichter zu pflanzen vor ein Bild, zu dem sie beten – so wird man fluchen auf das Reimgelichter, das auch den schönsten Brei schon breitgetreten, und wird, obwohl die Sache etwas schwierig, die Liebe gänzlich streichen aus der Lyrik. Wie hass ich jene, die naiv wie Thiere ihr Lieben schmatzend beichten – ekelhaft! Unreinem Ohre bei unechtem Biere! Doch ist nicht schlimmer noch die Leidenschaft, auf unverhülltem, feilem Druckpapiere schamlos zu künden, was uns Freuden schafft? Drum Heil dem Dichter, der mit sich gerungen und als ein Held zum schweigen sich bezwungen! ___________________ (Ich habe eine Schwäche für humorvolle Werke ...)
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24.06.2011, 22:50 | #27 |
Slawische Seele
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Gemartert
Ein gutes Tier Ist das Klavier, Still, friedlich und bescheiden, Und muß dabei Doch vielerlei Erdulden und erleiden. Der Virtuos Stürzt darauf los Mit hochgesträubter Mähne. Er öffnet ihm Voll Ungestüm Den Leib, gleich der Hyäne. Und rasend wild, Das Herz erfüllt Von mörderlicher Freude, Durchwühlt er dann, Soweit er kann, Des Opfers Eingeweide. Wie es da schrie, Das arme Vieh, Und unter Angstgewimmer Bald hoch, bald tief Um Hilfe rief Vergess' ich nie und nimmer. (Wilhelm Busch, 1832 - 1908)
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
05.07.2011, 10:26 | #28 | ||
ADäquat
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Hallo zusammen,
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Geändert von Chavali (05.07.2011 um 10:29 Uhr) |
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05.07.2011, 10:28 | #29 |
ADäquat
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Meeresstrand
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26.07.2011, 08:09 | #30 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Friedrich von Hagedorn (* 23.04.1708 , † 28.10.1754) Aurelius und Beelzebub Es wird Aurel, der nichts, als Armuth, scheut, Zum Mammonsknecht, zum Harpax unsrer Zeit. Ihm ist der Klang von vielen todten Schätzen Ein Saitenspiel, das Zählen ein Ergötzen. Oft schläft der Thor, noch hungrig und mit Pein, Vom Hüten matt, auf vollen Säcken ein; Denn Geld und Geiz nimmt täglich bei ihm zu; Geld ist sein Trost, sein Leben, seine Ruh′, Sein Herr, sein Gott. Stets nagt ein scharfer Neid Sein blutend Herz. Jüngst mehrt′ ein vielfach Leid Des Wuchrers Qual und Unzufriedenheit. Der Wittwen Fluch? Beraubter Waisen Ach? Die Reue? Nein. Dergleichen Kleinigkeit Gibt Reichen jetzt kein großes Ungemach. Was wichtigers: Zu spät erfolgte Renten, Ein drohender Protest, zu wenige Procenten, Ein viel zu mildes Jahr, der zu fürwitz′ge Zoll. Dies alles füllt sein Herz mit Unmuth, Zorn und Groll. Er wird zuletzt verzweiflungsvoll. Als er so großer Noth zu peinlich nachgedacht, Ruft der Unsinnige sogar in einer Nacht Den Satan an, und Satan schickt ihm gleich Den größten Herrn aus seinem Reich, Der jetzt, den Alten zu berücken, In einer neuen Tracht erschien, Wol zehnmal schöner, als wir ihn In den Gemälden oft erblicken, Wo ihm die Augen funkelnd glühn, Und Hörner seine Stirne schmücken. Er hatte weder Schweif noch Klauen, Der Hölle zaubernde Gewalt Gab ihm die menschliche Gestalt, Und keinem durfte vor ihm grauen. Er überkam, nach unsrer Stutzer Art, Ein schönes leeres Haubt, ein wohl gepudert Haar, Wobei zugleich dem Kinnchen ohne Bart Ein Flügelwerk von Band, anstatt des Schattens, war. Er selbst, wie seine Pracht, war ohne Fehl und Tadel, Und Herr und Kleid von gleichem Adel. Nur ließ man ihm (so lautet der Bericht) Den einen Pferdefuß. Warum? Das weiß ich nicht. Er war ja sonst, ohn′ allen Zweifel, Ein hübscher, recht galanter Teufel. Bald fand der karge Greis den längst gesuchten Rath, Als dieser Cavalier zu ihm ins Zimmer trat. Mein Herr, wie heißen Sie? ... Beelzebub ... Willkommen! Der Oberste der Teufel? ... Ja ... Ich hatt′ es nicht in Acht genommen, Weil ich noch nicht auf dero Füße sah. Sie setzen sich ... Wie geht es in der Höllen? ... Wie lebt mein reicher Oheim da? ... Recht wie ein Fürst.. Und wie befindet sich Der Lucifer? ... Ich bitte dich, Die Complimente einzustellen. Dich reich zu machen, komm′ ich hier. Ich bin dein Retter. Folge mir. Sein Führer bringet ihn in einen öden Wald Von heiligen bemoosten alten Eichen, Den Sitz des Czernebocks, der Gnomen Aufenthalt, Die Schlachtbank vieler Opferleichen. Hier herrscht, fast tausend Jahr′, ein schwarzer wilder Schrecken In grauser Finsterniß. Den unwirthbaren Sitz Verklärt, doch selten nur, ein rother schneller Blitz. Hier sollte sich der Trost Aurels entdecken. Hier blieb der Fliegenfürst und sein Gefährte stehn. Er stampft dreimal: dreimal erbebt der Grund: Es öffnet sich ein lichter, tiefer Schlund, Und läßt im Augenblick so große Baarschaft sehn, Als würde fast der Reichthum aller Welt, Hier an Geschmeid′ und Gold, den Augen dargestellt. Sieh′, spricht der Höllengeist, auf diesem Platz Liegt ein Geschenk für dich, der Schatz. Wie wird der Filz durch dieses Wort entzückt! Kein ird′sches Paradies scheint ihm so schön geschmückt, So reich an innerm Werth. Kein Thumherr, kein Prälat, Der seiner Pfründe Zins in Rheinwein vor sich hat, Kein Bischof, der erfreut, an einem Kirchweihfest, Das erste Glas besieht, das er sich reichen läßt, Weiß mit so merklichem, doch wohlbefugtem, Sehnen Sein fromm und fett Gesicht durch Lächeln auszudehnen. Er streckt frohlockend aus die hoffnungsreiche Hand. Wiewol, o harter Zwang! Glück voller Unbestand! Halt, ruft Beelzebub, dies ist dir zwar gegeben, Allein vor morgen nicht zu heben. Der Schatz versinkt auf dieses Donnerwort. Gestrenger Herr! wie kurz ist meine Freude! Betrogener Aurel! wie findest du den Ort? Den Busch? die Kluft? den Schatz? ... Er ist und bleibet dein. Betrogen! Was? Ich ein Betrüger? ... Nein .... Sei klug, und laß ein Zeichen dort, Und nimm dir, wann es tagt, das Gold und das Geschmeide. Gleich setzt er tiefgebückt sich und ein Zeichen hin. Er jauchzt mit neuvergnügtem Sinn, Und sagt aufs zierlichste mit vielen Worten Dank. Beelzebub verschwand, standsmäßig mit Gestank. Es springt Aurel um den bemerkten Platz, Als ob er seinen Fund schon hätte; Doch stößt er sich an einen Baum. Aurel erwacht, (denn alles war ein Traum) Und von dem vorgestellten Schatz Bleibt nur das Zeichen in dem Bette. Es ist der Geiz der Teufel vieler Alten, Und der Beelzebub, der lockend sie bethört. Ihr ungebrauchter Schatz ist aber nicht mehr werth, Als was Aurel allhier erhalten. .
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