07.09.2011, 15:06 | #31 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Ich halte die Stellung, diesmal mit Kurt Tucholsky (1928):
Ehekrach »Ja –!« »Nein –!« »Wer ist schuld? Du!« »Himmeldonnerwetter, laß mich in Ruh!« – »Du hast Tante Klara vorgeschlagen! Du läßt dir von keinem Menschen was sagen! Du hast immer solche Rosinen! Du willst bloß, ich soll verdienen, verdienen – Du hörst nie. Ich red dir gut zu ... Wer ist schuld –? Du.« »Ja.« »Nein.« – »Wer hat den Kindern das Rodeln verboten? Wer schimpft den ganzen Tag nach Noten? Wessen Hemden muß ich stopfen und plätten? Wem passen wieder nicht die Betten? Wen muß man vorn und hinten bedienen? Wer dreht sich um nach allen Blondinen? Du –!« »Nein.« »Ja.« »Wem ich das erzähle ... ! Ob mir das einer glaubt –!« »Und überhaupt –!« »Und überhaupt –!« »Und überhaupt –!« Ihr meint kein Wort von dem, was ihr sagt: Ihr wißt nicht, was euch beide plagt. Was ist der Nagel jeder Ehe? Zu langes Zusammensein und zu große Nähe. Menschen sind einsam. Suchen den andern. Prallen zurück, wollen weiter wandern ... Bleiben schließlich ... Diese Resignation: Das ist die Ehe. Wird sie euch monoton? Zankt euch nicht und versöhnt euch nicht: Zeigt euch ein Kameradschaftsgesicht und macht das Gesicht für den bösen Streit lieber, wenn ihr alleine seid. Gebt Ruhe, ihr Guten! Haltet still. Jahre binden, auch wenn man nicht will. Das ist schwer: ein Leben zu zwein. Nur eins ist noch schwerer: einsam sein. .
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09.09.2011, 11:40 | #32 |
Neuer Eiland-Dichter
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Späte Sonnen
Wolf Graf von Kalckreuth (1887–1906) Der Puls des Lebens ist der Nachmittag, Wann sich die Sonnenlichter seltsam färben Und wir betäubt in gelber Glut ersterben Im schweren Gold, dem unser Herz erlag. Ein spätes Flimmern ruht auf Laub und Hag, Die langsam uns verzehren und verderben. Und wie ein edler Wein aus dunklen Scherben Rinnt unser Blut, das nichts mehr hemmen mag. O laß den Schlummer nicht die Lider schließen, Daß nicht der trunknen Klarheit stummes Fließen Dein Herz durchdringt, das fremde Wunder schaut! Die Strahlen brennen und ihr Gift ist tödlich: O harre aus, bis dämmerhaft und rötlich Der Abend auf die blassen Bäume taut. |
09.09.2011, 12:30 | #33 |
TENEBRAE
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XXIX. Sonett an Orpheus (zweiter Teil) von RAINER MARIA RILKE
Stiller Freund der vielen Fernen, fühle,
wie dein Atem noch den Raum vermehrt. Im Gebälk der finstern Glockenstühle lass dich läuten. Das, was an dir zehrt, wird ein Starkes über dieser Nahrung. Geh in der Verwandlung aus und ein. Was ist deine leidenste Erfahrung? Ist dir Trinken bitter, werde Wein. Sei in dieser Nacht aus Übermaß Zauberkraft am Kreuzweg deiner Sinne, ihrer seltsamen Begegnung Sinn. Und wenn dich das Irdische vergaß, zu der stillen Erde sag: Ich rinne. Zu dem raschen Wasser sprich: Ich bin.
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
10.09.2011, 23:00 | #34 |
Slawische Seele
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Und noch ein Schönes:
Herbsttag Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß. Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren, und auf den Fluren laß die Winde los. Befiehl den letzten Früchten voll zu sein; gieb ihnen noch zwei südlichere Tage, dränge sie zur Vollendung hin und jage die letzte Süße in den schweren Wein. Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben, wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben und wird in den Alleen hin und her unruhig wandern, wenn die Blätter treiben. Rainer Maria Rilke
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
11.09.2011, 18:43 | #35 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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07.10.2011, 23:07 | #36 |
TENEBRAE
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DER FREMDE - Rainer Maria Rilke
Ohne Sorgfalt, was die Nächsten dächten,
die er müde nichtmehr fragen hieß, ging er wieder fort, verlor, verließ -. Denn er hing an solchen Reisenächten anders als an jeder Liebesnacht. Wunderbare hatte er durchwacht, die mit starken Sternen überzogen enge Fernen auseinanderbogen und sich wandelten wie eine Schlacht; andre, die mit in den Mond gestreuten Dörfern, wie mit hingehaltnen Beuten, sich ergaben, oder durch geschonte Parke graue Edelsitze zeigten, die er gerne in dem hingeneigten Haupte einen Augenblick bewohnte, tiefer wissend, daß man nirgends bleibt; und schon sah er bei dem nächsten Biegen wieder Wege, Brücken, Länder liegen bis an Städte, die man übertreibt. Und dies alles immer unbegehrend hinzulassen, schien ihm mehr als seines Lebens Lust, Besitz und Ruhm. Doch auf fremden Plätzen war ihm eines täglich ausgetretnen Brunnensteines Mulde manchmal wie ein Eigentum.
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
08.10.2011, 22:57 | #37 |
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J. W. Goethe, Sonette, II:
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09.10.2011, 15:15 | #38 |
ADäquat
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Oktoberlied
THEODOR STORM
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Geändert von Chavali (09.10.2011 um 15:24 Uhr) |
09.10.2011, 16:28 | #39 |
TENEBRAE
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ABSCHIED - Rainer Maria Rilke
Wie hab ich das gefühlt, was Abschied heißt.
Wie weiß ich's noch: ein dunkles unverwundnes grausames Etwas, das ein Schönverbundnes noch einmal zeigt und hinhält und zerreißt. Wie war ich ohne Wehr, dem zuzuschauen, das, da es mich, mich rufend, gehen ließ, zurückblieb, so als wären's alle Frauen und dennoch klein und weiß und nichts als dies: Ein Winken, schon nicht mehr auf mich bezogen, ein leise Weiterwinkendes - , schon kaum erklärbar mehr: vielleicht ein Pflaumenbaum, von dem ein Kuckuck hastig abgeflogen.
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10.10.2011, 11:33 | #40 |
ADäquat
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In der Fremde
Heinrich Heine
In der Fremde Es treibt dich fort von Ort zu Ort, Du weißt nicht mal warum; Im Winde klingt ein sanftes Wort, Schaust dich verwundert um. Die Liebe, die dahinten blieb, Sie ruft dich sanft zurück: O komm zurück, ich hab dich lieb, Du bist mein einz'ges Glück! Doch weiter, weiter, sonder Rast, Du darfst nicht stillestehn; Was du so sehr geliebet hast, Sollst du nicht wiedersehn. 2 Du bist ja heut so grambefangen, Wie ich dich lange nicht geschaut! Es perlet still von deinen Wangen, Und deine Seufzer werden laue. Denkst du der Heimat, die so ferne, So nebelferne dir verschwand? Gestehe mir's, du wärest gerne Manchmal im teuren Vaterland. Denkst du der Dame, die so niedlich Mit kleinem Zürnen dich ergötzt? Oft zürntest du, dann ward sie friedlich, Und immer lachtet ihr zuletzt. Denkst du der Freunde, die da sanken An deine Brust, in großer Stund'? Im Herzen stürmten die Gedanken, Jedoch verschwiegen blieb der Mund. Denkst du der Mutter und der Schwester? Mit beiden standest du ja gut. Ich glaube gar, es schmilzt, mein Bester, In deiner Brust der wilde Mut! Denkst du der Vögel und der Bäume Des schönen Gartens, wo du oft Geträumt der Liebe junge Träume, Wo du gezagt, wo du gehofft? Es ist schon spät. Die Nacht ist helle, Trübhell gefärbt vom feuchten Schnee. Ankleiden muß ich mich nun schnelle Und in Gesellschaft gehn. O weh! 3 Ich hatte einst ein schönes Vaterland. Der Eichenbaum Wuchs dort so hoch, die Veilchen nickten sanft. Es war ein Traum. Das küßte mich auf deutsch, und sprach auf deutsch (Man glaubt es kaum, Wie gut es klang) das Wort: »Ich liebe dich!« Es war ein Traum.
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