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Alt 25.11.2015, 15:57   #1
wolo von thurland
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Altes Schwanen

Vergangnes Schwanen schwingt noch in den Köpfen,
Erinnerung an erste Ernstbarkeiten,
die Ring an Ring zu langen Reihen reihten,
woraus wir heut und hier noch Hoffnung schöpfen.

Lebendges Hoffen lässt den Leib sich strecken,
macht muntren Morgengruß zum Maß des Glücks,
bringt kampflos in Besitz des besten Stücks,
mutiert aus müden Kämpfern mächtge Recken.

Wir stoßen ständig nun an unsre Grenzen,
die wir nicht fühlten früher, frei von Tränen,
gleich stolzen, muskulös beschwingten Schwänen.

Nach all den lauten, angenehmen Lenzen
will uns das Greise in die Grube schlenzen.
Wir aber wollen uns als Schwäne wähnen.

Geändert von wolo von thurland (27.11.2015 um 16:49 Uhr)
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Alt 19.12.2015, 02:28   #2
Lailany
Kiwifrüchtchen
 
Benutzerbild von Lailany
 
Registriert seit: 23.05.2009
Ort: nördlich von Auckland/Neuseeland
Beiträge: 945
Standard

Kia ora Wolo

Zitat:
Zitat von wolo von thurland Beitrag anzeigen
Vergangnes Schwanen schwingt noch in den Köpfen,
Erinnerung an erste Ernstbarkeiten,
die Ring an Ring zu langen Reihen reihten,
woraus wir heut und hier noch Hoffnung schöpfen.

Lebendges Hoffen lässt den Leib sich strecken,
macht muntren Morgengruß zum Maß des Glücks,
bringt kampflos in Besitz des besten Stücks,
mutiert aus müden Kämpfern mächtge Recken.

Wir stoßen ständig nun an unsre Grenzen,
die wir nicht fühlten früher, frei von Tränen,
gleich stolzen, muskulös beschwingten Schwänen.

Nach all den lauten, angenehmen Lenzen
will uns das Greise in die Grube schlenzen.
Wir aber wollen uns als Schwäne wähnen.
Ein fein gelungenes Stück Lyrik mit trefflicher Wortfindung und schöner melodischer Sprachführung.
Besonders gefällt mir die gemächlich, dennoch kraftvoll und klar gezogene Linie, mit der du die Stationen des Lebenswegs zeichnest.
Das Bild des Schwanes als Gleichnis auszuwählen, war eine prima Idee. Gefällt mir. Sehr sogar.
Das Wortspiel Schwan - schwanen ebenso. Das ist ein Sahnehäubchen.
Wortspiele wie diese passen selten in solch ernsthafte Texte.

"erste Ernstbarkeiten" sähe ich auch als ein Sahnehäubchen an, da es aber dieses Wort nicht gibt, muss man schon ein Häppchen Toleranz und ein paar mehr Häppchen Zeit aufbringen, um sich damit anfreunden zu können.
"schlenzen" kannte ich nicht, nachdem ichs mir ergoogelt hatte, macht es genau an der Stelle in Verbindung mit "das Greise" perfekt Sinn. Zuvor erschien es mir flapsig, cool und nur der Reimpartner des Lenzen zu sein, zumal es dazu nur wenige gibt.
Da ich aber weiß, dass ein Wolo sich nicht mit solch unbeholfenen Notlösungen über Hindernisse hievt, musste ich nachgucken und hab wieder was
dazugelernt.

Ein paar Kritikpunkte hab ich auch.

Das dg in "lebendges" knödelt gewaltig im Mund. Wie wenn man beim Essen in eine Knorpel beisst und sie im Stück runterwürgt, zu höflich, sie auszuspucken.
(Manche mögen Knorpeln und zerkauen sie sogar genüsslich. Mir grausts davor.)
So wie beim dg. Das will ich mir nicht reinwürgen lassen, nicht ohne aufzuschreien.

Zumal du mit "mächtgen" versuchst, mir noch eine zweite Ungenießbarkeit reinzuwürgen.
Ob nun mit oder ohne Knorpel, "mächtige Recken" gefällt mir gar nicht. Diese Combo wäre in einem Märchenbuch besser aufgehoben als in diesem Text. Nicht der Recke, "mächtige" ist der Störenfried. Das solltest du ehestmöglich loswerden. Ist ja nicht so, dass es dir an Einfällen gebricht.

Bei "muntren" verziehe ich zwar das Gesicht und schlucke es. Aber nicht, ohne mit dem Finger draufgezeigt zu haben.

"Mutiert aus"... ich glaub nicht, dass das so geht.
Mir ist nur "mutieren zum", sowie "mutieren zu" bekannt und geläufig.

Wir stoßen ständig nun an unsre Grenzen...
Wir stoßen immer öfter an die Grenzen....
Zu viele und zu offensichtliche Füllsel, was nach der ansonsten gediegenen Wortfindung besonders auffällt. Ein spontaner Vorschlag:
So stoßen ständig wir an unsre Grenzen, die wir nicht fühlten früher...
Vllt noch nicht das Gelbe vom Ei, aber zumindest als Gedankenanstoß.
Anstatt unsre würde ich "diese" Grenzen schreiben. Wäre mM einen Tick passender zu dem, was folgt und obendrein würde das "unsre" wegfallen.
Auch wenn letzteres nur eine Peanut ist, soll sie doch nicht unerwähnt bleiben.

Deine Texte sind gut durchdacht, die Worte sorgsam gewählt, Schludrigkeit kann man bei ihnen auch keine finden.
Bei solcherart Texten fallen dem aufmerksamen Leser eben auch Peanuts auf.

Last but not least: Gerne gelesen und mich damit beschäftigt. Und gerne meinen Senf hiergelassen.
Ist eine Weile her, dass ich einen so ausführlichen Kommi schrieb, aber es hat Freude gemacht.

Es grüßt Lai

PS: bringt kampflos in Besitz des besten Stücks
Sollte es nicht anstatt "in" nicht dort ein "den" hin?
So, wie die Zeile formuliert ist, erscheint sie mir unrichtig.
__________________
.................................................. ...........................................
"Manchmal ist es so demütigend, ein Mensch sein zu müssen..." Erich Kykal

Geändert von Lailany (19.12.2015 um 02:56 Uhr)
Lailany ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.12.2015, 22:06   #3
wolo von thurland
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Hallo Lailany
Über das "mutieren" habe ich mir ein wenig den Kopf zerbrochen, schon als ich den Text einstellte. "und macht aus" wäre, so fand ich, der im übrigen durchwegs angestrebten "lyrischen" Übertreibung nicht angemessen gewesen. Aber es ist kein gebräuchliches, bzw. ein auf einen engen Anwendungsbereich beschränktes Wort, so dass man erst zusammenzuckt, wenn es plötzlich in dieser Weise gebraucht wird. Also hast du da den Finger direkt in eine tatsächliche Wunde gebohrt.
Die andern Dinge, welche du mit Recht mit Rotstift hervorhebst, sind nun allerdings meinem Anliegen in diesem Text geschuldet und nach meinem Verständnis deshalb nicht fehl am Platz.
Vielen Dank, dass du mir deine Sicht auf dieses Stück gezeigt hast. Das war spannend und lehrreich.
Schönen Sonntag!
wolo
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Alt 08.02.2016, 19:18   #4
Dana
Slawische Seele
 
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Beiträge: 5.637
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Hallo Wolo,

die Tiefgründigkeit ist fast zu schade für die Stammtischrubrik. Ich würde das Gedicht gar in Nachdenkliches und Philosophisches reihen.
In den Köpfen schwingt nicht ausschließlich eine gelebte Geschichte. Sie reiht und mutiert Kämpfer, die einst an Grenzen gestoßen sind und es nicht wahr haben wollten und wollen, immer wieder.
Das alte Schwanen bezwingt trotz sichtbarer Greisengrube. Als ob die Angst (oder Nachdenken) ein neues Wagnis verhindern würde.

Hier steht es:

Zitat:
Zitat von wolo von thurland
Wir stoßen ständig nun an unsre Grenzen,
die wir nicht fühlten früher, frei von Tränen,
gleich stolzen, muskulös beschwingten Schwänen.
Zitat:
Zitat von wolo von thurland
Nach all den lauten, angenehmen Lenzen
will uns das Greise in die Grube schlenzen.
Wir aber wollen uns als Schwäne wähnen.
Wir wollen, aber wir tun es nicht.
Ich fühle darin eine Verzagtheit, eine Traurigkeit. Vielleicht erscheint mir darum die Rubrik relativ unpassend für ein ernstes Gedankengut.
(Wobei ich wohl bedenke, dass hier ein "Greis" schrieb und eine "Greisin" kommentiert. Dennoch, es geht um Heut und Hier.)

Gefällt mir als Lyrik in Wort und Bild.

Liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
Dana ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09.02.2016, 08:48   #5
wolo von thurland
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Hallo Dana

Danke für deine netten Worte.
Eigentlich war dieses Ding nicht gemacht, um (formal) zu gefallen, weswegen ich auch Lailanys wertvolle Verbesserungsvorschläge nicht umgesetzt habe.
Aber du beziehst dich ja doch ausschliesslich auf den Inhalt, und es freut mich, dass inhaltlich eine zusammenhängende Aussage zu erkennen ist. Welche allerdings ohne die Vorlage bestimmt ein wenig lustiger geraten wäre.

Schönen Tag
wolo

Geändert von wolo von thurland (09.02.2016 um 08:52 Uhr)
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