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Ein neuer Morgen Fröhliches und Hoffnungen

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Alt 29.10.2011, 11:12   #1
wolo von thurland
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Beiträge: n/a
Standard Wochenend

Der Freitagabend wird den Tag schon retten.
Fast käm die Woche mit sich selbst ins Reine.
Die Leselampen glühn wie Heilgenscheine
und schmelzen lange Reihn von Etiketten.

Der Hammer sinkt jetzt auf den Grund der Zeiten,
der Stein erholt sich vom Gehauen werden.
Die Schafe blöken, scharen sich in Herden.
Die Spinnen schlüpfen weiss aus ihren Häuten.
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Alt 03.11.2011, 17:10   #2
Stimme der Zeit
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Standard

Hallo, wolo,

ob ich richtig oder völlig daneben liege, wird mir ja deine Antwort zeigen – ich „wage“ mich mal an eine Interpretation. Ja, die „Oberfläche“ dieses Werks sagt: Schön, Wochenende, Erholung. Da ich aber weiß, dass ein Teil deiner Gedichte politischen Inhalts sind, lese ich hier noch etwas ganz anderes heraus.

Hier sind Metaphern eingebaut, die (leicht „modifiziert“), Redewendungen entstammen. „Das wird mir den Tag retten“, „Mit sich selbst ins Reine kommen“, „Das glüht (leuchtet) wie ein Heiligenschein“, „Lange Reihen von Etiketten“ und „Jemandem ein Etikett anheften“, „Der Hammer fällt“ / „Das ist der Hammer“, „Der/die blökt wie ein Schaf“, „Schafe suchen den Schutz der Herde“, „Schwarze Schafe“, (den gesamten „Schafbestand“ der Bibel zähle ich jetzt aber nicht auf. ), „Den Dingen auf den Grund gehen“, „Etwas in Stein meißeln (hauen)“, „Aus der Haut fahren" / "In eine andere/neue Haut schlüpfen“. Im Grunde genommen besteht das ganze Gedicht daraus. Das ist interessant – und gekonnt! Mein Kompliment. (Ich bin da „außer Konkurrenz“, denn ich „sammle“ sozusagen Sprichworte und Redewendungen, eine Kollegin nannte mich mal im Spaß ein „wandelndes Sprichwortlexikon“. )

Freitagabend beginnt der Sabbat, bzw. die Sabbatruhe. Die Woche „käme fast“ mit sich ins Reine – fast ist bekanntlich nicht ganz ...

„Leselampen“ können verschieden betrachtet werden. Handelt es sich um Wissen/Bildung? Stehen die „Heiligenscheine“ in negativem oder positivem Kontext?
Das „Schmelzen der Etiketten“ könnte bedeuten, dass Vorurteile abgebaut und „Anderen“ keine Etiketten mehr aufgeklebt werden.

Bei der „Hammer-Metapher“ habe ich unwillkürlich das Bild des Meeres vor mir, in das der „Hammer“ (Waffe) geworfen wird, um dort auf den „Grund zu sinken“. „Ändern“ sich die „Zeiten“?

Was zuvor „in Stein gehauen“ als „felsenfeste Überzeugung“ dastand, kann so vielleicht endlich „zur Ruhe kommen“, indem der „Stein“ nicht länger „behauen“ wird.

„Blöken“ und „sammeln“ sich die „Schafe“, weil der „Leithammel“ fehlt / endlich fort ist? Erheben sich Stimmen, die zuvor schwiegen und es nicht wagten „zu blöken“?
Zitat:
Die Spinnen schlüpfen weiss aus ihren Häuten.
„Weiß“ assoziiere ich mit „rein bzw. neu“, aber auch mit „Unschuld“. Allerdings stelle ich mir hier auch die Frage, ob sich diese nicht „färben“, wenn sie älter werden. Junge Spinnen kommen nicht nur weiß, sondern sogar „durchsichtig“ auf die Welt, selbst die Organe sind noch nicht voll ausgereift, daher verbleiben die Jungspinnen bei einigen Arten noch bis zur ersten Häutung im Kokon. (Die Wolfsspinne "beschützt" ihre Jungen besonders und trägt sie auf ihrem Rücken.) Daher bin ich mir nicht sicher, ob das nun für „gut“ oder „schlecht“ steht.

Und Weiß ist außerdem eine „heilige“ Farbe ...

So „nebenbei“, der „Vollständigkeit halber“: Ich bin mir nicht sicher, ob du daran gedacht bzw. es mit „hineingelegt“ hast, aber bei den alten nordischen Volksstämmen war der „Kriegshammer“ eine tatsächliche Waffe im Kampf. Dabei braucht man nur an Mjölnir zu denken, Thors Hammer. Sowohl vom sogenannten „Neuheidentum“ als auch vom Nationalsozialismus wird dieses Symbol verwendet. Allerdings besitzt es bei Letzterem keine stark ausgeprägte Bedeutung, es konnte sich nicht „durchsetzen“, da es sogar als Modeschmuck getragen wird.

Sehr ausgetüftelt, dieses Gedicht. Das gefällt mir ausgezeichnet, daher lasse ich ein Lob da.

Formal gesehen ist es ein fünfhebiger Jambus mit durchgehend weiblichen Kadenzen. Von daher ist es gut, dass es nur zwei Strophen sind, ein längeres Werk würde „leiern“, da es (wie gerne von dir praktiziert) im Charakter einer „Aufzählung“ verfasst ist. Dir gefällt wirklich eine (mehr oder weniger) „lapidare“ Darstellung. Ich habe nur eine kleine Kritik: Die Elisionen in der ersten Strophe, es sind a) zu viele und b) zu ersichtlich dem Metrum „geschuldet“. „Käm“ ist in Ordnung, das ist „üblicher Sprachgebrauch“ (wie z. B. auch „bleib“, „mach“, „lang“, „bring“ etc.), das stört mich daher überhaupt nicht, solche Elisionen verwende ich, wenn auch sparsam, ebenfalls. Aber die drei anderen – na ja. Beim umarmenden Reimschema "schwanke" ich, im Sinne der Hoffnung passt es, aber mir (persönlich) ist die Hoffnung eigentlich für eine "Umarmung" nicht "stark" genug. (Nichts für ungut!)

Gerne gelesen und kommentiert.

Liebe Grüße

Stimme
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Alt 03.11.2011, 21:37   #3
wolo von thurland
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard

hallo stimme der zeit
danke für deine vielen gedanken zu meinen wenigen zeilen. sie bringe mich auf ideen, was ich eigentlich damit gemeint haben könnte (das ist jetzt, bitte, keine ironie, sondern das eingeständnis meiner unbedarftheit).
die meisten der assoziationen, die du aufzählst, spielten beim schreiben hinein.
ich kann vielleicht anfügen: der nordische hammer ist mir fremd, weil in der zeit nach 1945 nordisches bei uns eher "out" war.
klar, solche verse möchte ich auch nicht in längerer ausführung lesen. aber das leiern geschieht schon auch ein bisschen aus innerer überzeugung.
die umarmung hat für mich weniger mit hoffnung zu tun, mehr mit alltag: "Wo sind denn die Putzlappen hingekommen?" - "Bei der nächsten Haltestelle steigen Sie bitte in Fahrtrichtung rechts aus."- "Ich habe gerade mit XY gesprochen."
dennoch: ich lese die zwei strophen selber am ehesten als ausdruck der hoffnung, dass das "am (sechsten und) siebten tage sollst du ruhn" mir und anderen spinnen etwas ruhe vor dem neuerlichen schlagen und geschlagen werden gebe.
im übrigen halte ich's wie stets: gefiele jemandem die musik eines stückleins von mir, so scherte ich mich nicht um den inhalt. (was sagt eine kloschüssel von deschamps dem betrachter? entschuldige den unbescheidenen vergleich!)
nochmals danke für die grosse arbeit
ach ja, noch die elisionen... da hast du recht. da verschiebt sich das gewicht von ruh zu stress...
lg wolo

Geändert von wolo von thurland (03.11.2011 um 21:49 Uhr) Grund: was vergessen
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