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Alt 22.12.2016, 05:41   #1
Angelika
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 07.11.2016
Ort: Berlin-Lichtenberg
Beiträge: 180
Standard Die Mutter

Ich kam aus ihr, ungelegen,
die geerbten Gesten verraten mich,
was ich meinen Verstand nenne,
das halbe Glück im Unglück.
Woher der Gedanke an sie,
so anlasslos, fern vom Grab.

Ich höre ihre Stimme noch,
sehe sie sitzen, breit, mich musternd
mit schwachen Augen, als käme ich
fremd in ihre Welt, als stelle
sie mir ungern die Frage
nach dem Woher.

Ohne Zutun die Zeit vergangen,
versteint die Lust an Welt, an Leben,
ich sah die tauben alten Hände.
Wortlos ging sie, so selbstverständlich,
es gehörte sich so. Ein Seufzer.
Da war nichts mehr offen.
Angelika ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.12.2016, 10:17   #2
Kokochanel
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard

Guten Morgen, Angelika,

eigentlich wollte ich deine Werke nicht mehr kommentieren, weil du in Kommentaren immer so negativ schreibst und ich mit der Vielzahl deiner Werke nichts anfangen kann.
Dieses aber hat Tiefgang und ein schweres Thema, das mich menschlich und beruflich interessiert. Zudem erfordert es Mut, so etwas zu schreiben.

Es ist dir gelungen, die starre Fremde und Kälte zwischen den beiden Protagnisten so gut ins Bild zu setzen, dass es einen förmlich anspringt. Gerade jetzt, wo zu Weihnachten viele auf "heile Familie" machen.

Ein Kind, dem lebenslang klar gemacht wurde, dass es nicht gewollt war, hat psychische Gewalt zu ertragen. Es wird unglaublich leiden und sich selbst charakterlich negativ ausbilden.

Ich kenne einige Frauen, bei denen ich dachte im Leben: Besser, wenn die keine Kinder haben.
Das Kind tut mir unendlich leid, aber auch die Mutter wird ihres Lebens nie mehr froh geworden sein. besser, sie hätte das Kind abgegeben. Ein lebenslanges Wehtun auf beiden Seiten- furchtbar , erschreckend und aufwühlend.
Es ist so authentisch geschrieben, so seelenlos und hart, dass es mir, die Kinder immer als Geschenk empfand und die selbst auch als Kind geliebt wurde, unerträglich erscheint.

Ich wünsche dem Kind, das nun erwachsen ist, dass es sich davon lösen kann, das Leben neu beginnen und die Liebe findet in einer eigenen Familie, die es so lange vermisst hat.

Ein Gedicht, das meinen Respekt hat, Angelika.

Grüße von Koko
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Alt 22.12.2016, 11:36   #3
juli
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard

Liebe Angelika,

Du hast dieses Gedicht bei „ Beschreibungen“ gepostet. Die Art und Weise ist klar, knapp und sehr aussagekräftig. Es beschreibt eine Mutter, die es nie schätzen gelernt hat, ein Kind zu haben. Da bleibt ein Kloß im Hals, wenn man diese Zeilen liest.

Ich wünsche allen Müttern, dass sie wieder mit ihren Kindern Kind werden können.
Es ist leicht gesagt, das es besser gewesen wäre nicht so eine Mutter gehabt zu haben, aber Mutter ist Mutter, das kann man sich nicht aus den Genen schneiden. Aber als Kind kann man trotz Eiseskälte eigene Wege ausprobieren und Mut zum Gefühl zeigen.

Das ist kein romantisches Gedicht, ich lese sowas auch sehr gerne, die Welt besteht nicht nur aus
„ Friede Freude Eierkuchen“

Ich wünsche dir Gesundheit!

Liebe Grüße sy

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Alt 22.12.2016, 16:06   #4
Angelika
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 07.11.2016
Ort: Berlin-Lichtenberg
Beiträge: 180
Standard

Liebe Kokochanel, wenn ein Kind nicht gewollt ist, ist es vor allem für die Mutter sehr schwer, zu diesem Kind überhaupt eine Beziehung zu bekommen. Und wie viele Kinder kommen eigentlich ungewollt auf die Welt. Es ist keinesfalls so, dass alle Kinder gewollt sind. Insofern ist die Mutter in diesem Gedicht die tragische Figur. Zwischen dem Kind und der Mutter herrscht eine ambivalente, etwas unterkühlte, auf jeden Fall keine herzliche Mutter-Kind-Beziehung. Es muss sich gar nicht um physische Vernachlässigung handeln, die Beziehung krankt eher am Psychischen. Eine Vertrauensperson ist diese Mutter nicht, wenn es ihr nicht gelingt, das Kind vor allem als ihr Kind anzusehen. Das trifft man oft bei Mutter und Tochter an, bei Söhnen verhält es sich noch ein bisschen anders.

Das Kind hilft sich weiter, es sucht sich andere Beziehungspersonen, die es auch meistens findet. Aber es bleibt ein Stachel zurück, der meist auch im Alter vom Kind nicht verwunden wird. Und das kann bis über den Tod der Mutter hinausgehen. Wobei das Kind ein schlechtes Gewissen hat, denn man soll ja seine Eltern lieben, das ist Allgemeingut. Wobei ungewollte Kinder sehr früh selbstständig werden, was ja eigentlich nicht das Schlechteste ist.

Danke, Kokochanel, das hast du gut erfasst. Dass du mit meinen sonstigen Gedichten nichts anzufangen weißt, ist wohl mein Schicksal, gegen das ich nicht ankomme. Ich kann auch nicht mit allen Gedichten von dir etwas anfangen. Ist doch ganz normal.

Angelika

Geändert von Angelika (22.12.2016 um 16:27 Uhr)
Angelika ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.12.2016, 16:40   #5
Angelika
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 07.11.2016
Ort: Berlin-Lichtenberg
Beiträge: 180
Standard

Liebe Syranie, nein, romantisch ist das Gedicht nicht. Ich schreibe eigentlich überhaupt keine romantischen Gedichte, weil ich der Ansicht bin, erst der Konflikt gibt einem Gedicht die lesenswerte Aussage. Sonst schreibt man heile Welt, und so heil ist die Welt ja nicht.

Ich habe mal dieses Thema aufgegriffen, es war im Freundeskreis ein Thema, über das wir lange und von verschiedenen Standpunkten aus gesprochen hatten, und irgendwie drängte es mich, es als Gedicht zu gestalten. Ich habe es auch nicht gereimt, dann hätte ich ihm die beobachtende Kühle und auch ein Stück Wahrheit genommen. Nicht jedes Thema eignet sich fürs Reimen.

Danke, Syranie, fürs Lesen und Kommentieren.

Angelika
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