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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 15.10.2019, 23:13   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard Das wilde Tier namens Zeit

Es jagt uns, beißt uns, hängt uns an den Hacken
und zerrt das liebe Leben uns heraus,
macht kalt die Räume, tut die Lichter aus
und lässt die alten Knochen hörbar knacken.

In jedem Sterben zeigt es seine Krallen,
erinnert uns daran: Wir sind die Beute,
entkriechen einem Gestern durch ein Heute
dem Morgen zu, danach wir alternd fallen.

Und doch, es schenkt uns leuchtende Geschichten,
getragen durch sein Haar von tausend Stimmen
an warmen Feuern, die aus Höhlen glimmen,
von großen Abenteuern zu berichten,

seit wir erzählen können, seit wir Worte kennen,
die raunend unser Innerstes berühren,
durch große Taten und an Orte führen,
wo aller Heiligtümer Kerzen brennen.

Wir kommen, sind, und müssen wieder gehen,
sind nichts als Augenblicke in Geschichten,
erzählt von jenen, die von uns berichten,
wenn sie uns träumerisch vor Augen sehen.

Das wilde Tier – das lodernde Vermächtnis,
die Brücken, die uns zu den Ahnen tragen,
der schwarze Abgrund, den sie überragen:
Vergessen oder ewiges Gedächtnis.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.10.2019, 09:27   #2
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi TD!

Es geht im weitesten Sinne um Vermächtnis - abgesehen von den (recht unpersönlichen) Genen die einzige Art "kleiner" Unsterblichkeit, die uns gegeben ist: Im Gedächtnis unserer Nachfahren präsent zu bleiben, zumindest eine Zeit lang.
Wir leben weiter in den Geschichten, die über uns erzählt werden. Manche gar nicht, manche nur wenige Jahre - andere über Jahrhunderte oder gar Jahrtausende lang.

Jetzt habe ich gehört, dass Goethe aus dem deutschen Unterricht gestrichen wurde (so wie Rilke schon vor Jahrzehnten aus dem österreichischen Schullesebuch). Klassische Lyrik kommt also in der Bildung nicht mehr vor, und moderne Lyrik sollte es nicht tun, soweit es mich betrifft.

Wer wird also die Namen der großen Dichter künftig noch kennen? Wenige, und immer weniger mit den Jahren. Wie gesagt, es ist nur eine "kleine" Unsterblichkeit ...

Vielen Dank für deine Gedanken!

LG, eKy
__________________
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Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
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Alt 18.10.2019, 09:29   #3
Hans Beislschmidt
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Beiträge: 973
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Hey Erich,
Gefällt mir ausgesprochen gut. Bei den AHNEN musste ich zwar an Odin denken aber sei's drum. In V4 Z1 hast du 6 Hebungen. Wenn du das zweite SEIT WIR streichen würdest, stimmt es mit den anderen überein. Sprachlich gefällt mir die zwei mal seit wir als Repetitio aber besser. Gruß vom Hans
__________________
chorch chorch
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Alt 18.10.2019, 16:34   #4
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
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Hi Hans!

die Wiederholung des "seit wir" ist hier durchaus aufzählend gewollt.

Vielen Dank für dein Vorbeischauen und das Lob!

LG, eKy
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