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Beschreibungen von Personen, Dingen, Zuständen, Stimmungen, Gefühlen, Situationen |
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30.03.2018, 15:01 | #1 |
Erfahrener Eiland-Dichter
Registriert seit: 17.11.2015
Ort: Oberpfalz
Beiträge: 539
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Mann mit Tasche
Der Trinker
Er atmet schwer und wirkt, als ob er döse. Doch ab und an - wer weiß woher - durchzieht ein Sprung den ganzen Körper und nervöse Grimassen füllen seine Miene. Sieht man hin, eröffnen sich die innren Kämpfe. Dann führt er seine Tasche langsam an den Mund und trinkt versteckt und hofft, dies dämpfe, was in ihm wühlt und er nicht halten kann. Und plötzlich löst sich jeder Zwang in seinen erst strengen Zügen, beinah wundersam. Doch drängt es ihn bereits in ein Verneinen und taucht das sinkende Gesicht in Scham.
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Schreiben, wie Monet malte. Geändert von Laie (30.03.2018 um 20:31 Uhr) |
30.03.2018, 23:52 | #2 |
TENEBRAE
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
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Hi Laie!
Zum Vergleich: Aus meiner Sonettsammlung "Lieblingsbilder(zyklus)" (http://gedichte-eiland.de/showthread...blingsbilder): 36 - DER ABSINTHTRINKER (Edouard Manet, 1859) ---> zum Bild: http://www.museumsyndicate.com/item.php?item=3832 Verwaschen scheint sein leeres Angesicht, in dem die Wirrnis seiner Welt sich spiegelt. Ein letztes Glas, das seinen Schatten siegelt, noch voller unverzehrtem, grünem Licht. Die schwere Decke scheint ihn zu verhindern, als schlösse sie sein stumpfes Leben ein, und nur darunter weiß er noch zu sein, und nur das Gift kann diese Schwere lindern. Fast zärtlich wagt er einen Schritt zu setzen, wie sich erhebend aus dem Zwang der Nacht, und scheu, als könne ihn das Licht verletzen, scheint er in einen Augenblick erwacht, um den sich fremde Bilder fahrig hetzen zu einem Wirbeln, das ihn taumeln macht. Hatten wir womöglich das gleiche Bild vor Augen? Zumindest ein ähnliches, denn obiger Link zeigt nur einen Ausschnitt eines größeren Bildes von Manet, in welchem dieser Trinker eher eine Randfigur darstellt. Mich fazinierte die gelungene Darstellung des unsicheren Schritts. Sehr gern gelesen und bewundert! LG, eKy PS: Wenn du in deinen Fäden zum Gedicht auch mal Bilder verlinken willst - solltest du nicht wissen, wie's geht, ich erkläre es gern. Der Übertitel "Mann mit Tasche" lässt mich nämlich vermuten, du hattest beim Schreiben ein ganz bestimmtes Bild vor Augen. Falls ja, wäre es schön, wenn der Leser es auch betrachten könnte, vor oder nach der Lektüre.
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. Geändert von Erich Kykal (31.03.2018 um 00:01 Uhr) |
31.03.2018, 00:00 | #3 |
Erfahrener Eiland-Dichter
Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
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Lieber Laie,
wie wäre es mit "angestrengten" statt "erst strengen" (Metrum) Liebe Grüße Thomas
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© Ralf Schauerhammer Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller |
31.03.2018, 00:12 | #4 |
TENEBRAE
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
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Hi Thomas!
Sorry - die Zeile ist schon korrekt so: 5 Heber. Dein Vorschlag würde sie sechshebig machen - einen zuviel! LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
31.03.2018, 11:55 | #5 |
Erfahrener Eiland-Dichter
Registriert seit: 17.11.2015
Ort: Oberpfalz
Beiträge: 539
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Hi zusammen!
@eKy: Dein Sonett ist spitze! Ich glaube nicht, dass ich so einen Eindruck aus einem Gemälde ziehen könnte. Daraus lässt sich auch schon erkennen, dass mein Gedicht kein Bild als Vorlage hat. Es beschreibt eine Szene, die ich letzte Woche im Zug (wiede rmal ) beobachtet hatte. Zunächst dachte ich, der Mann, der mir schräg gegenübersaß, hätte einfach plötzlich seinen Durst bemerkt. Aber der Flaschenhals kam mir schon seltsam und natürlich, dass er die Flasche in der Tasche ließ. Und kurz nachdem er ein paar Schlücke genommen hatte, stieg mir schon der Schnapsgeruch in die Nase. Es freut mich, dass dir mein Gedicht gefällt @Thomas: Wie eKy schon geschrieben hat, würde dann das Metrum nicht mehr passen. Dennoch vielen Dank für den Vorschlag Gruß, Laie
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Schreiben, wie Monet malte. |
31.03.2018, 12:33 | #6 |
TENEBRAE
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
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Hi Laie!
Ein Erlebnis also - aber man könnte es sich auch als Bild vorstellen. Du sagst, du glaubst nicht, Bilder so beschreiben/vertiefen zu können - ich wage zu widersprechen. Bei mir sind es vornehmlich optische Eindrücke, die mich zum Schreiben animieren, und ich denke, bei dir ist es ähnlich, wenn ich an deine Texte denke. Mir gefallen Trinkergedichte, zB auch die von Rilke, vielleicht, weil ich selbst SEHR wahrscheinlich einer geworden wäre, hätte ich nicht das Glück gehabt, dass mir Alkohol nicht schmeckt. Dennoch habe ich zeitweise wie ein Loch gesoffen, weil ich mich so aus der Welt wünschte, die mir unerträglich schien! In den dunkelsten Phasen meiner Studienzeit waren vier Vollräusche pro Woche keine Seltenheit, und ich trank NUR wegen der Wirkung! Später, in den 15 Jahren als Biker, gab es zwischen April und September praktisch kein Wochenende ohne hemmungsloses Besäufnis auf Bikerfesten und -treffen! Auch hier hat mir das Gesöff nie geschmeckt. Wie wäre es wohl gekommen, hätte ich mich nicht derart vor Geruch und Geschmack gekelt!? Deshalb verurteile ich keinen Alkoholiker - es hätte ich selbst sein können! Hier noch eins von mir - von ganz früher: Der Rausch Ein Hinbegehren treibt mich wieder - ich stürze in den Becher nieder und trinke meinen nächsten Tod. Die Stube schwillt und schwingt in Tönen, die nährend an das Flammen dröhnen, das in mir loht! Jetzt bin ich künftig, bin lebendig, im Wollen stark, im Geiste wendig - ach, wie das Lügen leichter wird! Die Fenster winken laut mit Nächten! Ob sie dem Herzen Frieden brächten, das in mir schwirrt? Die Augenblicke sind gekostet - des Willens Eisen fällt und rostet dem unersehnten Morgen zu. Nun bin ich still und ebenerdig, und stricke scheu und kleingebärdig an meiner Seelenruh. LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
01.04.2018, 12:49 | #7 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Ort: Oberpfalz
Beiträge: 539
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Hi eKy,
das könnte man wohl. Wahrscheinlich aus dem Grund, dass Erlebnisse auch die Vorlage für Bilder sind. War das bei Manet der Fall? Mir schmeckt Alkohol auch nicht. Ich habe auch einen sehr kritischen Blick darauf. Für viele gehört ein zünftiger Rausch dazugehört und ohne keine Feier und kein Spaß möglich ist. Das will mir nicht in den Kopf. Dass man Bier als Kulturgut sehen kann, verstehe ich noch. Vielleicht auch noch Wein. Aber all die Schnäpse haben damit wenig zu tun. Verbietet man "Naturdrogen" wie Cannabis, so sollte man auch Alkohol verbieten. Der macht viele Leute aggressiv und ist schädlicher für die Gesundheit. Alkoholiker zu verurteilen, ohne ihr Schicksal zu kennen, liegt mir aber sehr fern. Dein Gedicht ist sehr stark! Ich denke, ich hatte es auch schon mal gelesen. Gruß, Laie
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Schreiben, wie Monet malte. |
01.04.2018, 19:49 | #8 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Beiträge: 134
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Hallo Laie
ich finde es schön, wie würdigend und vorsichtig Du Dich hier mit Worten dem Menschen näherst, der von Sucht getrieben wird. Die Gründe dieses unbedingten Müssens wirken wie ein Geheimnis, das wir nicht erkennen können. In sich ist dieser Mensch stimmig gezeichnet. Beste Grüße volleer |
02.04.2018, 15:10 | #9 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Hallo volleer,
schön, dass du das so siehst. Ich freue mich darüber Hab vielen Dank für deinen Kommentar! Gruß, Laie
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