22.03.2018, 22:33 | #1 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Das Kalckreuth-Kapitel [Napoleon]
Der Text ist von der 1921er Ausgabe übernommen. Der ein oder andere Übertragungsfehler dürfte sich aber eingeschlichen haben. Gerne Berichtige ich bei hinweisen.
Gedichte aus einem Zyklus „Napoleon“ 1905 und 1906 Hymnus auf Napoleon Ich, dem der Gottheit gütig Walten im uferlosen Nichts zerrann, Ich, der in Sterben und Erkalten verliebt ist und nicht sterben kann - tief fühl ich in des Dunkels Falten die Last vergangener Gestalten... Du bist mein Gott. Dich bet ich an! Cäsar der Toten! Herrscher der Schlachten! Kühnsten Entschluß und sprachlos Verachten blinkt dein metallenes Augenpaar. Stumm hält die Lippen ein Lächeln umfangen, bleicher noch macht dir Stirne und Wangen dein langgelocktes, schwarzes Haar. Du bist der Geist unzählger Heere! Du bist des Schwertes größte Macht! Du bist der Schreck der Hemisphäre! Du bist der Stolz, der sie entfacht. Du bist in meines Lebens Leere der Wellenschlag metallner Meere! Der Glutenhauch erstorbner Schlacht. Daß unter schwanken Lorbeerzweigen hundert Siege sich knieend dir neigen, prangend im schlummernden Pantheon. Denn von Ägyptens heißglühenden Steppen bis zu der Alpen granitenen Treppen erscholl ein Schrei: Napoleon! In tausend stahlgeschärften Klingen hat einer Welt dein Arm gedroht. Doch kann das Dasein keiner zwingen, und Untergang heißt sein Gebot. Was hilfts, zum höchsten Licht zu dringen? Vergeblich ist des Mannes Ringen, Und besser ist ein ewger Tod. Doch laß in Gram und stetem Verzichten niemals uns leere Gestalten erdichten, denen das Herz anbetend sich weiht! Geist, der du nie deiner Siege dich freutest - Kaiser, der nie dein Tun du bereutest, Ruhm dir in alle Ewigkeit! Geburt Die Sterne sangen dir ein Lied von Stahl, dich feiernd mit geheimnisreichem Gruße: Heut tritt der Riese in das Erdental, der es sich beugen soll, mit ehrnem Fuße. Als lächelnd in der Wiege du geruht, vom Traumgewebe frühsten Tags umsponnen, erglänzte weithin die kristallne Flut im Morgenlichte übermächtger Sonnen. Und die Olivenhaine neigten sich, umflossen von der Zukunft großem Wehen. Und Erd und Himmel grüßten strahlend dich, im Widerschein unsterblicher Trophäen. Toulon Es war die Stunde, da der Kessel Klappern, des Zaumzeugs Klirren und der Pferde Schlappern dem Schritt der müden Posten sich vereint. Da die Gestirne dämmerhaft erbleichen und in des Äthers uferlosen Reichen ein Streifen blassen Rots erscheint. Anschwellend hebt sich eine große Helle hoch über dem Gestuf der blauen Wälle. Und auf die Halden sinkt ein Nebelflor. Vom Meer her flutet eine herbe Brise, durch die Gezelte, durch Verhau und Wiese. Im Morgenduft taucht Fort an Fort. Und langsam schwebt, in lichtgeklärten Räumen, die Sonne in des Äthers blaues Träumen, und streift Gebirge, Hafen und Ponton. Ein Rauschen faßt der Bäume hohe Kronen, die Segel schwanken auf den Gallionen. Im Strahlenkranze ruht Toulon. Bonaparte Der Hang des Zeltes fiel, verwacht und mager trat, kaum bemerkt, der junge Held ins Lager, das er mit seinen grauen Augen maß. Kein Zug verriet die brennenden Gefühle, auf seiner Stirn lag die Marmorkühle der Felsenriffe Corsikas. Und durch die Waffenplätze der Franzosen ging im erwachten Tag das dumpfe Tosen der Heere, die zum Sturme man befahl. Den Siegeslauf, den Fall der Festungswände, das alles liegt in Bonapartes Hände der Kampfergraute General. Er, der gerastet unter den Kanonen, der selbst zum Fall der steilen Bastionen das Ladezeug der Sterbenden erfaßt, der taglang spähte, nach den Felsen lugend, nahm auf die Schultern seiner stolzen Jugend des letzten Angriffs Riesenlast. Und tiergleich sich ins Geklüfte schmiegend, ersah die Feste er, am Berghang liegend, das Felstal engend ein zum Sterbebett. Und wie ein Blitz durchfuhr es seine Seele: Zum Sturm berede deine Generäle! Der Schlüssel ist Fort l'Eguillette! Sturm Schaut auf! Die Kanonen flammen, zerberstend stürzen zusammen Gefels und trotziger Wall. Wie im Donner, den er gerichtet, die Front der Feinde sich lichtet in der Mauer dröhnendem Fall, die fränk'schen Geschütze scheinen ihre Stimmen ganz zu vereinen in einem gigantischen Knall. Um das Fort wölkt der Qualm sich dichter, und schrecklich blitzende Lichter entzucken dem bleiernen Schoß. Schon ist in wenig Sekunden das klare Gefilde entschwunden im Rauch des zerrißnen Plateaus. Und bei der Quadern Erdröhnen ringt sich ein verzweifeltes Stöhnen aus den englischen Reihen los. Zum Sturm, eh die Schwaden entweichen! Der Fuß stößt schwankend auf Leichen. Der Schrei wird vom Donner verschluckt, durch die Tale gestürmt, sich versteckend, durch die braunen Höhen sich deckend, die ein Wetterleuchten umzuckt, den Atem keuchend und ächzend, nach dem Blut des Verteidigers lechzend, der hinter den Schanzen sich duckt. Das Feuer erstickt auf den Kuppen, und plötzlich sind Frankreichs Truppen im Rauch an das Fort gesaust. Der letzte Raum überflogen, wie ein Sturzbach vorwärts gezogen, der von Klippe zu Klippe braust. Die britischen Kugeln durchwettern die Schar, doch die Stürmer erklettern den Wall, das Schwert in der Faust. Und als das Gewölke zergangen, da liegt in jubelndem Prangen, licht wie die kühnste Musik, von der Feste zertrümmertem Tore windschwankend die Trikolore und verkündet den Tapferen Sieg. Und von des Gefelses Stufen schallt tausendstimmiges Rufen: Es lebe die Republik! Sieg Und als der Abend stumm sich senkte, den der verglühte Tag gebar, und das Gebirge, das blutgetränkte, in Bonapartes Händen war, da lösten Tau um Tau die Briten, und ihre Riesenschiffe glitten im frühen Dunkel in das Meer, sie flohen auf den finsteren Pfaden, das Deck von Sterbenden beladen, das Herz vom Groll Flüchtgen schwer Bleich leuchteten die Schiffslaternen hernieder von dem langen Zug, derweil der Wind aus nächtgen Fernen das Tosen der Verzweiflung trug. Rings flammte auf den Schiffen allen, die England in die Hände gefallen, das Feuer wild und grauenvoll. Scharf knatterten die Gallionen, als schon das Dröhnen der Kanonen von l'Eguillette herüberscholl. Die Sieger drangen stürmisch flutend in die zerfallnen Straßen ein. Der letzte Stolz erstarb verblutend im wechselvollen Flammenschein. Die Bajonette und der Degen... in schweren Tropfen fiel der Regen vom schwarzen Himmel auf die Stadt - grell scholl der Schrei der Fraun und Kinder, und aller Grimm der Überwinder trank sich im heißen Blute satt. Die Wasserstrahlen fielen zischend auf der Galeeren Eichenrumpf. Im Dunkel Flut und Asche mischend versank die Stadt im blutgen Sumpf. Der Flammen Wut, der Truppen Drängen, das Krachen der zerbrochnen Stengen verkündete die neuen Herrn. Doch durch das mitternächtge Dunkel mit siegverheißendem Gefunkel drang erstmals Bonapartes Stern. Feste Der Tag brach an, in ihrer Eisenschiene erklirrte Schlag um Schlag die Guillotine, und auf den Marktplatz tropfte dunkles Blut. Zur Massengrube fuhr mir schwerem Knarren die stummen Straßen hin der Leichenkarren, den man mit bleichen Rümpfen überlud. Auf die Verteidiger, die schreckensstarren, ergoß sich schwarz des Todes eisge Flut. Und als der Artillrist, zu Gast geladen, in dem metallnen Klang der Füsilladen beim Festmahl des Konvents zur Tafel saß, und wenn ein Führer der berauschen Rotten auf Frankreichs Sieg aufs Wohlsein der Cocotten im Beifallslärm erhob sein volles Glas, dann schien des Corsen kalter Blick zu spotten des Pöbels, der der Zukunft ganz vergaß. Nach Paris Wie oft, als langsam er gen Norden fuhr, zum Ozean der Weltstadt zu gelangen, sah er die funkelnden Gestirne prangen im nachtdurchwehten, schweigenden Azur. Kein Laut. Der Hufschlag seiner Pferde nur durchbrach die Stille, die ihn tief umfangen. Die Schlösser, die dem Zorn des Volks entgangen, beschatteten die öde, kalte Flur. Die Dörfer schliefen in der Finsternis. Ihm aber wars, als ob ihn ungewiß ein Nachen durch erstorbne Meere trage. Und in der Sterne Blässe, die das Nahn des lichten Tags, entweichend, kundgetan, fühlt er die Morgendämmrung großer Tage. Alpen Vom Höhenkamme pfeift ein scharfer Sturm, und unheilvoll ertönt des Gießbachs Plätschern, es ragt der Berg gleich einem breiten Turm, aufstrebend aus dem Reich von tausend Glätschern. Den Schwindelpfad des Hochgebirgs verwehrt das Eis, das unter schweren Tritten knattert. Da ist der Feldherr selbst auf seinem Pferd! Wie ihm sein Mantel um die Schultern flattert! Im Herzen selbst des Frosterstarrten Alls schaut er herab von schroffster Felsenwarte. Und zu den Namen Karls und Hannibals fügt er den größren Namen: Bonaparte! 1906 Castiglone Die Flucht der braunen Höhen ist gewonnen, und seine Waffen streckt der Feind im Tal. Stumm ziehen die gefangenen Kolonnen durchs Heideland im schrägen Sonnenstrahl. Die Stirn geschwärzt, den Arm in blutger Binde, der Helme Erz vom Bleigeschoß durchbohrt, marschieren westwärts sie im Abendwinde, vom wehnden Staube wechselvoll umflort. Und oben hält der magre Feldherr schweigend und schaut das Nahn der wogenden Armeen. Bis, die ersiegten Fahnen tief verneigend, glückleuchtend seine Männer vor ihm stehn. 1906 Rivoli. (Fragment) Schon flutet eine kühle Brise, da sich das Dunkel näher senkt. Und rings erscheint Gebirg und Wiese mit schwarzem Blute dicht getränkt. Ein bittrer Dunst erfüllt die Lüfte, wo wundes Fleisch nach Wasser lechzt, der Donner schmettert ins Geklüfte, das widerhallend bebt und ächzt. Am Ufer schwimmt der Pulvernebel in schleierhaftem, trübem Flor, und nur der Stahl der scharfen Säbel blinkt aus der Dämmerung hervor. Das wuchende Gestrüpp zersplitternd schließt Batterie an Batterie, und nah und näher dumpf gewitternd rollt es heran auf Rivoli. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schon stampft Kolonne auf Kolonne das Holz des schwankenden Pontons. Und leuchtend flammt in später Sonne der Glorienkranz Napoleons. Acre Sein Geist erhebt, der Krieger Herz entzündend, im Schoß des Heers sich wie ein glühnder Wind, wenn das Geroll der Trommeln, schlachtverkündend, erschütternd durch die Rückenwirbel rinnt. Sein Führerwort stählt unsre feinsten Nerven, das Herzblut pulst mit seines Pferdes Schritt, wenn der gedrängte Heerzug der Reserven zum letzten Sturm in unsre Reihen tritt. Und wann das Feuer eiserner Gewehre die stolze Front mit Blitzen rings umzieht, dann gleicht der Geist der hingerißnen Heere dem Sonnenaar, der aufsteigt im Zenit. Desaix Setz' die Trompete an den Mund und blase! Im Sturmschritt naht die siegende Armee... der letzte Sand vertropft im Stundenglase... Dem Feind der Tod! Zur Stelle ist Desaix. Schon wogen seine kampfbereiten Scharen vom Höhenzug herab im Glanz des Stahls. Die herbe Glut von fünfundzwanzig Jahren loht aus dem Blick des großen Generals. Gleich einem Kriegsgott stürmt er durch die Heiden, Vollstrecker er des eisenen Gebots. Und niederflammend krönt ihn im Verscheiden das heil'ge Glück des jugendlichen Tods. Artillerie Wir sind des Kaisers Artillerie, die Tapfersten und Treusten. Den Blitzstrahl der Kanonen verlieh er unsern eisernen Fäusten. Wann die Feldschlacht über den Äckern grollt, und die Wege bedeckt sind mit Leichen, dann kommen wir auf die Höhen gerollt, und im Sande knirschen die Speichen. Die Dörfer flammen wie Haufen Strohs, Leuchtfackeln der blutigen Feier, und gelbe Blitze reißen sich los aus dem Wogen der qualmenden Schleier. Und es ist, als ob ein jubelnder Ton dem Grimm der Geschütze sich paare: Die Herrin der Welt, die Große Nation! Und des Kaisers, des Kaisers Gloire! Vielleicht etwas früher. …...................................... Am duft'gen Rand des Winterhimmels ruht ein blasses Glühen, zart wie junger Flieder, schon blinkt der Aare silbernes Gefieder im kühlen Schein erglühnder Morgenglut. Ein blasses Glühen, zart wie junger Flieder, schaut lächelnd auf der Heere dunkle Flut, im kühlen Schein erglühnder Morgenglut. Es tönt der Marsch des Heers und Klang der Lieder. Und lächelnd schaut der Heere dunkle Flut der Kaiser von den gelben Höhn hernieder. Es tönt der Marsch des Heers und Klang der Lieder, in ihrem Blick flammt Kampfbegier und Wut. Der Kaiser von den gelben Höhn hernieder sie schauend, führt die Hand an seinen Hut. In ihrem Blick flammt Kampfbegier und Wut. Sieg oder Tod, wir kehren niemals wieder. Eylau Schon sprengen von des Hügels rauher Stirn im Wintersturm des Kaisers Untergebne. Die Rosse schnauben, und die Bügel klirrn, Gestampf und Hufschlag füllt die weite Ebne. Daher gejagt kommt es in langen Reihn, und seiner Tapfren Siegerschar erkennt er: Sie wenden sich nach rechts – sie schwenken ein - wie blitzen Frankreichs Reiterregimenter! Am Hügel hin fliegt sausend im Carriere, lavienengleich das Heer in ehrner Größe. Zehntausend Augen blicken leuchtend her... wie jubeln furchtbar die Trompetenstöße! Gelassen grüßt sie mit dem grauen Hut der Kaiser, der Zertrümmerer den Kronen - und Mann und Roß entschwinden in der Wut des Schneesturms und der russischen Kanonen. 1906 Lobau Der Nachmittag des riesenhaften Ringens, der schon im schweigenden Azur verblich, sah, wie die Hoffnung siegenden Gelingens allmählich aus der Brust des Kaisers wich. Der Donner der Kanonen scholl betäubend, und Frankreichs Kräfte ließen stöhnend nach, Baumstämme schlugen, donauabwärts treibend, dumpfkrachend an die Brücke, das sie brach. Aus Aspern und aus Eßling stiegen qualmend die Feuersäulen auf am Horizont. Und vorwärts jagten, die Karrees zermalmend, die Reiter durch die aufgelöste Front. Zum Ufer floß ein schmales Blutgerinsel, die Sonne zitterte im Wellenbad, als festen Schrittes auf die Lobau-Insel mit ungebeugter Stirn der Kaiser trat. Da sah er die Verwundeten zerschmettert, in tausend Schmerzen ächzend hingestreckt, wie Bäume, vom Orkan hinabgewettert, der Boden war von rotem Naß bedeckt. Im Staube lagen tausend tapfre Männer, die stolzen Reihen, die die Schlacht zerschlug, durch die so oft der kampfgewohnte Renner im jungen Morgenstrahl den Corsen trug. Und als er, längs der Erdenbüsche schreitend, befehlend zu Davoust sprach, scharf und klar - da flutete des Kaisers Pfad geleitend ein seltsam Wogen durch die bleiche Schar. Verstümmelte, die mit de, Sterben rangen, erhuben keuchend sich auf ihren Knien. Die Menge, in des nahen Todes Bangen, warf tausendfach erglänzten Blick auf ihn. Und herrlicher als seine stolzen Fronten ihm jauchzend in der blanken Waffen Klirrn, sahn die Zerstörten, die nicht reden konnten, nach ihrem Herrn mit hellbesonnter Stirn. Als kette sich im Schatten ewger Nächte nur eiserner ihr Herz an sein Geschick: Dein sind wir in des Lebens vollstem Rechte, und Dein ist unser letzter Augenblick! Sommer 1906 Wagram Nun ist das Tosen all in eins geronnen, das an des Äthers Riesenwölbung schlägt, da sich der Strom der Infantriekolonnen in sturmgehäuftem Drang nach Nord bewegt. Im Feld, wo frisch vergrab'ne Leichen modern, zertritt erneute Wut das reife Korn. Und sieben Dörfer, die im Umkreis lodern, verkünden Frankreichs sieggewissen Zorn. Auf seinem Hügel hält, die Heere zwingend, der große Corse, unbewegt und kalt, die Menschenflut mit seinem Geist durchdringend, die er mir ehrnem Willen formt und ballt. Nun donnern die Geschütze von Massena, in ihrem Krachen wälzt zum Himmel sich der Krieger Ruf aus fammender Arena: Cäsar! Die Sterbenden begrüßen dich! 1814 Das schupp'ge Helmband unsrer Bärenmützen hält heute noch das rauhe Kinn gepresst. Wir trugen es von Aboukir nach Lützen - der Sieg war göttlich und der Tod ein Fest. So wahr die Lunten glühn an den Geschützen! Ob auch der Erdenkreis von Leichen strotze, hoch über allem leuchtet unser Ruhm. Die wir zu Pferd und auf der schweren Protze durch Land und Meer gefolgt dem Kaisertum - Wir stehn noch heut in ungebeugtem Trotze. Doch da die Lüfte abendlich sich färben und unheilvoll der Preußen Hornruf gellt, durchfühlen wir das nahende Verderben, vor dem das Riesenreich in Trümmer fällt... Und nur noch eines bleibt: Für Ihn zu sterben! Waterloo Vom nassen Kornfeld weichen Englands Schützen, die alles taten, was ein Mensch gekonnt. Im blauen Qualm verbirgt der Horizont Verstümmelte und blutgetränkte Pfützen. Die erde bebt von feuernden Geschützen. Vom Licht des Regentages bleich besonnt, hält stumm der Cäsar vor der finstren Front die Bajonette und der Bärenmützen. Die Reihn hinab harrt schweigend Mann an Mann. Die keiserlichen Tambours schlagen an: Bald reißt der Strom zu Grunde Damm und Schleusen. Die goldnen Adler streift ein lauer Wind, in dem der dichte Pulverdampf zerrinnt. Vom rechten Flügel tönt das Horn der Preußen. Helena Gefesselt ward der gestürzte Titan an des Weltmeers Schwelle, und dämmernd unrauschte der Ozean ihn Welle an Welle. Und wie der gewaltige Traum einer Nacht in grauenden Weiten, erschien ihm fern die erhabenste Macht entschwundener Zeiten. Wann abends auf dem Geklippe er stand, vom Schaum überflogen, die grauen Augen reglos gewandt auf die brandenden Wogen. Und mit des Wahnsinns nagender Wut glomm wilder und wilder in seinem dunklen Grame die Glut zertrümmerter Bilder In dem blauen, gekräuselten Pulverdampf die silbernen Aare, und der letzte verzweifelte Riesenkampf vom Rhein zur Loire. Und der Feldherrnjugend leuchtender Glanz, Italiens Gefilde, und des gletschertürmenden Alpenlands demantene Schilde. Die Schar der Größten, die ihn umgab, Desaix und Massena! Und die Ebne von Eylau, Grab an Grab, und das Schlachtfeld von Jena! Und der Führer Ruf und der rote Blitz aus tausend Geschützen, die Morgensonne von Austerlitz, und die Lorbeern von Lützen! O Glorie, die flammte, Leiden und Blut dem Krieger versüßend - wann die schmale Hand du geführt an den Hut, die Tapferen grüßend. Wann vom Flußlauf und vom Berggestuf aufbrausend und heiser die Reihen entlang geflutet der Ruf: Es lebe der Kaiser! Die Trompete von Gold und die Schwerter des Heers im Sonnengeblende. Und gepreßt an den Kolben des wucht'gen Gewehrs die schwieligen Hände. Und bezwungen der Lande unendlicher Raum in sieghaften Märschen. Das strahlende Ziel, der unsterbliche Traum, die Welt zu beherrschen! Geh unter, o Sonne! Und birg wie mein Glück im Meer dein Gefunkel. Und laß mein Verzweifeln erstarrend zurück im ewigen Dunkel! Stolz wölbt sich die erhabene Rotunde, die dämmernd die geweihte Halle deckt, und bebend zittert in der weiten Runde das Echo, das der scheue Fußtritt weckt. Wie aus den Nischen tiefgeheimem Grunde sich stumm Standarte an Standarte reckt! Es schatten die zerrißnen, greisen Fahnen den Marmorsarg des schlummernden Titanen. Und unsre Seele fühlt sich lichtentzündet, die sacht ein kühler Hauch zum höchsten weiht. Ein großes Ruhen, stark und neugegründet, erhebt sich aus dem trauervollen Streit. Die Schlachtennamen, die der Stein verkündet, sind allgewaltig über Raum und Zeit. Und unser Herz ergreift der Todesreigen, als schliefen selber wir im ewgen Schweigen.
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Das Leben ist eines der schwierigsten. Geändert von Terrapin (28.03.2018 um 10:31 Uhr) |
22.03.2018, 22:46 | #2 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Persönlich halte ich das Werk für so geschlossen, dass ein aufbrechen nicht den chronologischen Faden tragen könnte, den Text für Text weiter vor sich trägt.
Wer ist denn gezwungen alles im Rutsch zu konsumieren? Bei Erichs Bildsonetten rührt es doch auch keine Mühe sich seines Befindens auszuweisen. Vielleicht hülfe es zur Orientierung, nummerierte ich die jeweiligen Gedichte. Ohne Weiteres freue ich mich über jeden Kommentar dieses Schaffens.
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Das Leben ist eines der schwierigsten. |
23.03.2018, 17:31 | #3 |
Gast
Beiträge: n/a
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Ich nehme mich dem mal an und schreibe dann etwas dazu.
Kann etwas dauern. :-) |
23.03.2018, 17:34 | #4 |
Gast
Beiträge: n/a
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28.04.2018, 14:01 | #5 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Da will ich das mal wieder etwas nach oben schieben.
Leider hat sich noch keiner weiter dazu geäußert. Nun gut, Snufus hat sich ja aus dem Forum verkrümelt, der kann nicht mehr, auch wenn er es besser sollte. Wohl denn...
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Das Leben ist eines der schwierigsten. |
10.08.2019, 00:36 | #6 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Immer schade, das niemand von den vielen, ein Wort, die Verse betreffend, hier ließ.
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19.09.2019, 19:27 | #7 |
TENEBRAE
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Hi Terri!
Wenn ich hier nicht schrieb, dann vielleicht, weil ich nie etwas davon mitbekommen habe, möglicherweise auch, weil ich mir mit offenem Lob und Ruhmesschwelgen für rücksichtslose Diktatoren schwer tue. Napoleon war kein Held, kein in meinem Augen großer Mensch - ein guter Stratege zweifelsohne, getrieben von glühendem Ehrgeiz, der wahrscheinlich in seinem tiefsitzenden Minderwertigkeitskomplex wurzelte, weil er ja recht klein und unscheinbar von Gestalt war. Er musste immer etwas beweisen - sich selbst und aller Welt! Aber aus meiner Sicht war er niemand, der Bewunderung verdient hätte, dem man "Größe" nachsagen könnte - zumindest nicht die Art Größe, die für einen vernunftbegabten und empathischen Menschen zählen sollte! Ich habe jetzt erst mal das Einführungsgedicht gelesen, und mich hat überrascht, wie metrisch unregelmäßig es daherkommt, mit unregelmäßigen Auftaktwechseln, unregelmäßigen Zeilenlängen, Senkungs- und Hebungsprallen. Darf ich daher vermuten, dass diese Napoleon-Lobhudelei eher ein Frühwerk des ja leider viel zu früh verschiedenen Dichters ist? Ansonsten könnte ich mir solche Schnitzer nicht erklären. Ich werde so peu á peu auch den Rest lesen und hoffe, die lyrische Qualität bessert sich noch. Andernfalls ist wohl klar, warum dieser Teil seines Schaffens eher nie publiziert wurde ... Danke, dass du diesen Faden "geliftet" hast (du weißt aber schon, dass solche "Doppelposts" verboten sind?). LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
19.09.2019, 21:25 | #8 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Moin Erich,
Von dieser glühenden Verehrung Kalckreths kann man freilich halten, was man will. Aus heutiger Sicht wirkt es schon etwas ungewohnt. Die Gedichte sind, wie sie da stehen hauptsächlich von 1905-1906 sprich mit 17-18 Jahren geschrieben. Das Thema Napoleon hatte er aber schon Jahre früher als Zyklus zur Idee gefasst und Gedichte dazu geschrieben. Hymnus auf Napoleon ist so ziemlich das einzige Gedicht, das solche Unebenheiten aufweist, und da auch nur jede zweite Strophe. Die modellierte Luther-Strophen hat er alle einwandfrei vierhebig im Jambus gedichtet. Die restlichen Strophen, so nehme ich an, sind erste Aufzeichnungen, Skizzen, und zu einer Überarbeitung kam es nicht mehr. Der Rest die Bank durch metrisch gestaltet. Schön von dir hier zu hören. Gruß Terrapin.
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Das Leben ist eines der schwierigsten. |
19.09.2019, 22:44 | #9 |
TENEBRAE
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Hi Terri!
Habe nun "Geburt" gelesen - richtig, hier ist metrisch alles in Ordnung. Ich nehme an, das Einstiegsgedicht, der "Hymnus", wurde viel früher geschrieben, vielleicht damals schon, als er zum ersten Mal beschloss, diesen Potentaten zu bedichten, daher die Schnitzer. Seltsam aber, dass er diese offenbar nie überarbeitet hat, als er es dann besser konnte. "Geburt" ist wieder ganz ein typischer Kalckreuth - wunderbar gestaffelte Wortgirlanden von sprachlich erlesener Qualität und höchstem lyrischem Anspruch. Auch wenn ich inhaltlich nicht beipflichten kann - wie gesagt, die Napoleone dieser Welt waren immer Getriebene ihrer Defizite verdienen in meinen Augen weder Respekt noch Bewunderung - so genieße ich doch die poetische Brillianz dieser Zeilen! Sehr gern gelesen! LG, eKy "Toulon": Schöne sechszeilige Strophen mit 5 Hebern, nur die Schlusszeile ist verkürzt, was dem Duktus aber gut tut. Den erwähnten Schiffstyp schreibt man übrigens "Galeone". Siehe ---> https://de.wikipedia.org/wiki/Galeone S1Z2 - Das "Schlappern" der Pferde wirkt recht gemeinsprachlich und passt nicht in das ansonsten wohlgesetzte Elaborat. Beschrieben wird der frühe Morgen in einem Heerlager vor der Hafenstadt Toulon. Ein reines Stimmungsbild, in dem Napoleon gar nicht direkt erwähnt wird - was das Werk in meinen Augen lyrisch wertiger macht. Schwärmerei tut der Lyrik nicht gut, wirkt meist nur pathetisch oder naiv, im schlimmsten Falle beides. Und unreflektierte Heldenverehrung ist etwas für Pubertierende - aber halten wir dem guten Wolf zugute, dass er altersmäßig kaum drüber weg war, als er dies schrieb, zudem ein Kind seiner (militaristischen) Zeit war und obendrein das Opfer einer sehr konservativen, komissorientierten Erziehung. Für "echte Männer" seiner Zeit und seiner Kreise, und ein solcher wollte er ja trotz und gerade wegen seiner Behinderung sein, waren Fahnentreue, Patriotismus und Waffendienst geradezu obligatorisch! (Die englischen Prinzen beispielsweise müssen heute noch alle zum Militär - und sei es nur für die Vorbildwirkung!) LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. Geändert von Erich Kykal (22.09.2019 um 09:30 Uhr) |
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