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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 13.02.2013, 20:49   #1
Dana
Slawische Seele
 
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Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 5.637
Standard Zwischengedanken

.
.


Ich stöbere und räume ohne Ziel,
sortiere neu, entstaube, es gibt viel
zu tun, obwohl ich nur vorüberging
und eigentlich mit einem andern Ding
beschäftigt war und gänzlich es vergaß.

Ich bin so stolz auf meine Bibliothek,
die Bücherreihen sind mir wie ein Weg
des eignen Seins, in dem sich wiederspiegelt,
dass alles anders kommt und unbesiegelt
mir Ordnung und das Chaos offenbart.

Ich stand davor und ohne Übergang
las ich in Briefen, alt und überlang.
Am Boden sitzend, hab ich mich erinnert,
wie man im Eifer Sachen nur verschlimmert,
indem man besser um das Beste weiß.

So lang schon ist es her, dass du verletzt
dich fühltest und ich heute erst entsetzt
und wütend auf mich bin, du hattest Recht.
Auf Liebe sich berufen, kann auch schlecht
herüberkommen, kannst du mir verzeihn?

Kannst du mir glauben, dass ich lange schon
unendlich glücklich bin, dass du mein Sohn
noch immer unterschreibst: „Ich hab dich lieb.“
Es ist das Größte, was im Ganzen blieb,
verstehst du auch, warum ich dieses schrieb?
.
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__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 13.02.2013, 22:55   #2
a.c.larin
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Standard

liebe dana,

ich sehe das Lyrich beim lesen sofort da sitzen: in der bibliothek, umgeben von büchern, ein wenig ordnend und sichtend und schon liest es sich irgendwo fest:
die vergangenheit bleibt im geschriebenen wort lebendig.
manchmal versetzt sie auch in verwunderung , erstaunen.
das dürfte hier geschehen sein.

das lyrIch sieht sich selbst und seine handlungsweisen nun aus der durch zeit erworbenen distanz. so manches ereignis erhält dadurch einen ganz anderen blickwinkel....

da geht etwas unter die haut, das zwischen den zeilen spürbar wird!
möge das band der liebe, das manche belastung überdauert hat, noch lange halten.


berührende zeilen von großer innigkeit!
lg, larin
__________________
Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich!
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Alt 13.02.2013, 23:21   #3
Thomas
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Beiträge: 3.375
Standard

Hallo Dana,

inhaltlich wunderschön und die Idee der Form mit der "nachhängenden" fünften Zeile, die das Gedicht in der letzten Strophe reimen schließt, ist sehr interessant und gut - finde ich.

Liebe Grüße
Thomas
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© Ralf Schauerhammer

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller
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Alt 13.02.2013, 23:28   #4
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Dana!

Die ersten drei Strophen gefallen mir sehr gut.

Die beiden letzteren - obwohl durchaus würdig in ihrer Aussage - wirken sprachlich nicht ganz so souverän auf mich und tragen doch ein paar lyrische Schwachstellen, zumindest nach meinem subjektiven Empfinden, zB das angehängt wirkende "du hattest Recht" in S4Z3, das recht allgemeinsprachliche "herüberkommen" in S4Z6 (im Sinne von "wirken") oder die vorletzte Zeile von S5 (da gefällt mir die Art der Formulierung einfach nicht...Geschmackssache).

Dennoch insgesamt sehr gern gelesen!

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (14.02.2013 um 10:17 Uhr)
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Alt 15.02.2013, 20:22   #5
Dana
Slawische Seele
 
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Hi Lipiwig,

Zitat:
Zitat von Lipiwig
Ein schönes Werk! Das "ohne Übergang" gefällt mir sehr gut! Das "berufen" ist mE i.O. - ein Sohn wird das so annehmen können. Als Sohn mit einer hineinlesbaren Geschichte weiß ich, wovon ich tippe!

Der Schluss passt übrigens auch
lieben Dank für den "Sohnbezug", denn du bist ja auch einer.
Das lyr. Ich fühlt sich verstanden.

Liebe Grüße
Dana


Liebe Larin,

genau so war es. Und so wird es wohl immer sein, auch dann, wenn man es nicht im Gedicht formuliert.

Du hast etwas sehr Wichtiges und Wahres gesagt:

Zitat:
Zitat von a.c.larin
das lyrIch sieht sich selbst und seine handlungsweisen nun aus der durch zeit erworbenen distanz. so manches ereignis erhält dadurch einen ganz anderen blickwinkel....

da geht etwas unter die haut, das zwischen den zeilen spürbar wird!
möge das band der liebe, das manche belastung überdauert hat, noch lange halten.
Die durch Zeit und Erfahrung erworbene Distanz ist eine Chance für jeden. Die Zeit vergeht ja nicht nur für das lyr. Ich und Liebe hat die Fähigkeit alles zu überdauern, um Liebe zu sein.

Ich danke dir besonders für deine Schlusszeilen.

Liebe Grüße
Dana

Lieber Thomas,

wenn du das sagst und wie du das sagst, dann kommt es auch so an. Ich danke dir.

Liebe Grüße
Dana

Lieber eKy,

du hast es gern gelesen und wohl kommentiert - das freut mich.
Ich versuche mal das Anliegen des lyr. Ich zu erklären:
Es hat ein Sohn einen Brief geschrieben, ein sehr junger Sohn. Reagiert hat einst eine Mutter, eine sehr junge Mutter. Es ging um Recht und Unrecht in eigenen Sichtweisen und Handlungen. Vielleicht floss darum auch diese "Sprache" ein, weil es in einem Augenblick geschah, der in diese Zeit zurückversetzte - ich weiß es nicht.
Trotzdem werde ich noch überdenken, denn so ganz Unrecht hast du nicht.

Liebe Grüße
Dana

(Übrigens, ich habe wohl gesehen, dass du Thomas in mir gesehen hast.)
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ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 15.02.2013, 21:51   #6
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Zitat:
Zitat von Dana Beitrag anzeigen
(Übrigens, ich habe wohl gesehen, dass du Thomas in mir gesehen hast.)
Das tut mir aufrichtig leid - ab und zu scheint mir derlei zu passieren, weiß auch nicht wie... Rechne es meiner allgemeinen Namensschwäche zu - war nicht bös gemeint! (Das weißt du natürlich, Schelmin!)

LG, eKy
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Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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Alt 29.06.2013, 18:59   #7
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Liebe Dana,

vorweg, wenn ich dein Sohn wäre, würde meine Antwort lauten:

Ja, ich verstehe, warum du dieses schriebst.

Auf jeden Fall hat dieser Sohn allen Grund stolz auf seine Mama zu sein und auch auf sich, wenn ihm solche Zeilen gewidmet werden.

Auch wenn es nur "Zwischengedanken" sind, so zeigen diese doch deutlich, wo diese angesiedelt sind und wem sie gelten.
Was kann es schöneres geben, als so viel Mutterliebe, die sich sogar lyrisch ausdrückt, was ja nun nicht allen Menschen gegeben ist.

Das hast du wunderschön gemacht und dein Gedicht hat mir gut gefallen. .. .


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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Alt 08.05.2014, 11:17   #8
Chavali
ADäquat
 
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Liebe Dana,

beim Stöbern entdeckte ich dieses schöne, ja emotional wertvolle Gedicht von dir.
Ich weiß gar nicht, weshalb ich diesen Text übersehen habe damals, als du ihn eingestellt hast

Da ich auch einen Sohn habe, kann ich diese deine Zeilen sehr gut nachvollziehen.
Ich habe auch alle Briefe und Karten und Zettel aus seiner Kindheit aufbewahrt und ich bin immer sehr berührt,
wenn sie mir mal wieder in die Hände fallen
und denke wie du darüber nach, was ich damals sah und dachte und was ich heute sehe und denke.

Die Zeiten ändern sich und die Zeiten ändern dich und dann ändert sich auch die eigene Sichtweise.

Liebe Grüße,
Chavi
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.
© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*
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Alt 09.05.2014, 19:39   #9
Dana
Slawische Seele
 
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Liebe Chavali,

herzlichen Dank für deine Rückmeldung - je später, desto größer die Überraschung.

Wie wahr du interpretierst und nachfühlst. Es geht ja nicht ausschließlich um "niedliche" oder "längst erledigte" Erinnerungen und Handlungen.
Du hast richtig erkannt, dass "Sichtweisen" eine eigene Dynamik haben.
Sie können nachträglich korrigiert werden, nachträglich Einsicht zeigen und nachträglich um Verzeihung bitten. Das Miteinander wird vertieft.
Nochmals: danke dir.

Liebe Grüße
Dana
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Alt 11.05.2014, 10:56   #10
Narvik
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Beiträge: 431
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Hallo Dana,

zwar bin ich nicht dein Sohn, aber ich verstehe sehr gut, warum du diese Zeilen schriebst.
Es bedarf manchmal eines langen Zeitraumes, damit sich einiges klären kann, was schon weit in der Vergangenheit liegt. Viele Dinge sind aus bestem Wissen und Gewissen und zum Schutz für den eigenen Nachwuchs geschehen. Man wusste es auch nicht besser und tat sie, weil sie eben zu jenem Zeitpunkt richtig und wichtig erschienen.
Erst bei einem Rückblick fällt es im Nachhinein auf, dass einige vielleicht unnötig, ja sogar kontraproduktiv gewesen sind.
Ich bin mir aber sicher, dass ein Kind, in diesem Falle der Sohn, wenn er die richtige Reife erlangt hat, das verstehen wird, denn schließlich ist es ja die Absicht die zählt.
Schön, dass der Sohn in deinem Gedicht das auch erkannt hat.

Herzliche Inselgrüße

Narvik
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Nur der fröhliche Mensch allein ist fähig, Wohlgefallen am Guten zu finden. (Kant)
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