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Liebesträume Liebe und Romantik

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Alt 15.09.2010, 01:57   #1
Galapapa
Galapapa
 
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Standard Herbstgedanken

Ein alter Raureif überzieht mein Leben,
es brodeln schäumend düstere Gedanken.
Sag, Liebste, kannst du jemals mir vergeben,
den bitt‘ren Kelch, aus dem wir beide tranken?

So traurig bunt zieht Herbst in meine Sinne,
und meine Schuld fällt wie ein welkes Blatt.
Wenn ich das ewig alte Lied beginne,
das viel zu viele dunkle Strophen hat.

Im Traum hab ich dein Lächeln oft gesehen,
hab mich so sehr nach deinem Kuss verzehrt.
Die Tränen ließen stets dein Bild vergehen,
und deine Lippen blieben mir verwehrt.

Bald zieht der Winter durch die leeren Tage,
der mit der Kälte um Vergessen wirbt,
bedeckt die Seele mit der bangen Frage,
ob mit dem Warten einst die Liebe stirbt.

Geändert von Galapapa (15.09.2010 um 12:34 Uhr)
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Alt 05.01.2012, 12:13   #2
Stimme der Zeit
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Hallo, Galapapa,

ich war gerade am "Suchen", das mache ich manchmal. Dabei habe ich deine "Herbstgedanken" gefunden. Es wundert mich, dass dieses traurige Liebesgedicht keinen Kommentar hat - ich glaube, das ist sicher nur irgendwie übersehen worden, das kommt vor. Mir gefällt es, daher hole ich das jetzt nach.

Zitat:
Ein alter Raureif überzieht mein Leben,
es brodeln schäumend düstere Gedanken.
Sag, Liebste, kannst du jemals mir vergeben,
den bitt‘ren Kelch, aus dem wir beide tranken?
Der "alte Raureif" (übrigens eine schöne Metapher) sagt mir, dass hier ein LI schon seit längerem von einem LD getrennt ist (das muss nicht unbedingt eine "räumliche" Trennung sein, es können auch die Gefühle sein). Ich schätze Gedichte, bei denen ich auch "zwischen den Zeilen" lesen kann. Hier kommt mir der Gedanke, dass es vielleicht einen "Auslöser", d. h. ein Ereignis gab, wodurch das LI (sicher nicht zum ersten Mal!) düstere Gedanken hegt. Gerade das "brodeln, schäumend" deutet für mich darauf hin, dass hier etwas "hochkommt". Das LI fühlt sich offenbar (noch immer, evtl. auch nach längerer Zeit?) schuldig, denn es folgt die Frage, ob ihm "jemals" vergeben werden kann. Ich denke, es ist eine "alte" Schuld, die aber vom LI offenbar nicht vergessen oder wirklich "bewältigt" werden kann. "Der bittre Kelch, aus dem wir beide tranken" - ich deute das dahingehend, dass das LI sich als den ursprünglich Schuldigen sieht, aber das LD sich (an Streit, Konflikten?) "beteiligte". Interessant, dass das LI aber das LD nicht als schuldig ansieht, das deutet auf (wenn auch "späte") Selbsterkenntnis hin.

Zitat:
So traurig bunt zieht Herbst in meine Sinne,
und meine Schuld fällt wie ein welkes Blatt.
Wenn ich das ewig alte Lied beginne,
das viel zu viele dunkle Strophen hat.
"So traurig bunt" finde ich eine sehr schöne Stelle. Das "bunt" steht für traurige Erinnerungen an Schönes, denke ich. Die "Buntheit" ging verloren, jetzt fällt die Schuld wie ein "welkes" Blatt. Dieses Blatt sehe ich ausgetrocknet und braun vor dem inneren Auge. "Das ewig alte Lied" - das LI begegnet diesen Gedanken nicht zum ersten Mal, sondern gerade durch diese Formulierung entsteht bei mir der Eindruck, dass schon "unzählige Male" mit der "Schuld" gerungen wurde. Die "dunklen Strophen" sagen mir, dass sich das LI wohl nicht nur einmal, sondern (in seiner "Rückschau") "vielfach" schuldig gemacht hat - aus seiner Sicht heraus.

Zitat:
Im Traum hab ich dein Lächeln oft gesehen,
hab mich so sehr nach deinem Kuss verzehrt.
Die Tränen ließen stets dein Bild vergehen,
und deine Lippen blieben mir verwehrt.
Das LI träumt oft vom LD. Ich glaube, es ist der Wunsch: Könnte ich alles doch ungeschehen machen, damit es wieder so schön ist, wie es früher war. Das LD wird immer noch geliebt, uns sehr vermisst. Das LI möchte dem LD wieder "nahe sein", die Metapher des ersehnten "Kusses" und dessen "Verwehrung" gefällt mir sehr gut. Diese Strophe sagt mir auch, dass das LI selbst im Traum von seiner "Schuld" verfolgt wird. Und die Sehnsucht nach dem LD lässt das LI ebenfalls nicht "los". "Tränen" - egal, wie lange es her ist, das LI leidet immer noch sehr darunter.

Zitat:
Bald zieht der Winter durch die leeren Tage,
der mit der Kälte um Vergessen wirbt,
bedeckt die Seele mit der bangen Frage,
ob mit dem Warten einst die Liebe stirbt.
Das LI wartet und hofft irgendwo, tief im Inneren, immer noch. Aber es wird "Winter", die Tag sind leer. Gleichzeitig wird befürchtet, dass die Liebe irgendwann durch die "Kälte", die vorherrscht, endgültig stirbt - ich vermute, das LI fürchtet das "für beide Seiten". Ich lese hier "mit heraus", dass das LI Angst davor hat, auch seine eigene Liebe könnte sterben - das LI möchte diese nicht verlieren. Weil sie doch etwas so Schönes war ...

Zwei kleine Vorschläge möchte ich gerne machen, nur aufgrund der Satzstellung und Interpunktion:

Zitat:
Sag, Liebste, kannst du jemals mir vergeben,
den bitt‘ren Kelch, aus dem wir beide tranken?
Hier ist es ein bisschen inversiv, wie wäre es damit:

Zitat:
Sag, Liebste, kannst du jemals mir vergeben:
Den bitt‘ren Kelch, aus dem wir beide tranken?
Das ist ein älteres Gedicht von mir, ich weiß, dass dir das heute nicht mehr passieren würde. Es ist nur so, dass es eigentlich zwei Inversionen sind, einmal das "jemals mir" und die im Versübergang. So wäre es ein klein wenig "unauffälliger".

Eine Alternative könnte auch sein:

Zitat:
Sag, Liebste, kannst du ihn mir je vergeben:
Den bitt‘ren Kelch, aus dem wir beide tranken?
Es ist nicht 100% optimal, da es Einsilber sind, aber so ist der "Kelchbezug" da, und die Inversion wäre weg. Die Betonung läge auf "ihn" (Kelch) und auf dem "je", das würde meines Erachtens nach gut passen. Nur ein Vorschlag, vielleicht bringt er dich ja auf die "richtige" Idee.

In diesem Vers wäre eine Korrektur ganz einfach, es genügt eine kleine Umstellung:

Zitat:
Im Traum hab ich dein Lächeln oft gesehen,
Möglich wären:

Zitat:
Ich hab dein Lächeln oft im Traum gesehen,

oder auch

Dein Lächeln hab ich oft im Traum gesehen,


Es ist ein schönes, trauriges Liebesgedicht. Ich habe es gerne gelesen und kommentiert.

Liebe Grüße

Stimme
__________________
.

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Alt 08.01.2012, 14:11   #3
Galapapa
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Liebe Stimme,
wieder mal bin ich überwältigt von der Mühe, die Du Dir gemacht hast bei Deinem Kommentar zu meinem Gedicht. Ganz herzlichen Dank dafür, natürlich auch fürs Lob!
Deine Deutung und Interpretaion zu den einzelnen Strophen trifft, wie fast immer, den Nagel auf dem Kopf, wie man so treffend sagt.
Die erste und ganz große Liebe (klingt etwas abgedroschen, doch es fällt mir nichts Treffenderes ein) vermag manche Menschen so tief zu ergreifen und zu formen, dass sie ihr Leben lang nicht mehr wirklich davon loskommen, dass alles Nachfolgende nur noch eine zweitklassige Kopie dieses Glanzpunktes sein kann. So ergeht es hier dem lyrischen Ich, das, ohne die Schuld genau zuordnen zu können, eben dieses "Besondere" verloren hat und nie darüber hinwegkommen wird.
Zwar versinkt es nicht in Depression und Schwermut, doch kommen immer wieder diese Momente des Erinnerns und des Leidens in sein Leben.
Einzig in der zweiten Strophe würde ich von Deiner Interpretation leicht abweichen: Es ist vermutlich nur das eine alte Lied mit seinen vielen dunklen Strophen, das immer wieder anklingt, weniger eine vielfach wiederholte Schuld. Dennoch ist natürlich auch Deine Lesart möglich.
Danke auch für Deine kritischen Hinweise! Es ist in der Tat ein etwas älterer Text und man kann sich noch so dagegen anstemmen mit lyrischer Sprache und dichterischer Freiheit: Inversionen sind und bleiben unschön.
Dein Vorschlag mit dem Doppelpunkt gefällt mir, weil er am wenigsten verändert. Ich werde den Doppelpunkt also übernehmen; danke!
Beim "Lächeln im Traum" allerdings erlaube ich mir, leise Zweifel anzumelden: Ist das wirklich eine Inversion?:
Zitat:
Im Traum hab ich dein Lächeln oft gesehen
Ich finde eher, dass das Wort "oft" mit unterschiedlicher Wirkung hier an verschiedenen Stellen stehen kann:
Oft hab ich im Traum...
Im Traum hab ich oft dein...
Im Traum hab ich dein Lächeln oft gesehen.
In der letzten Version liegt eine besondere Betonung auf "oft" nach meinem Empfinden, eine Inversion sehe ich hier gar nicht.
Aber vorsicht, ich bin ein Schwabe! Ich kann zwar Hochdeutsch, aber prägen wird einen diese Wurzel immer. Da ist es halt manchmal doch das Teller auf dem der Butter liegt.
Nochmals danke, auch fürs Ausgraben!
Mit herzlichen Grüßen an Dich!
Galapapa
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Alt 26.01.2012, 23:08   #4
Dana
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Lieber Galapapa,

wie konnte ich übersehen? Stimme sei Dank.

Es ist nicht die einstige und einzige Liebe, die hier berührt - denn von "so einer" wissen viele zu berichten und zu dichten.
Mich faszinieren hier das gewählte Wort und der gesetzte Vers.
An die Oberfläche tritt keine erdrückende Trauer. Das lyr. Ich gibt Herbstgedanken preis. Für mich bedeutet das, es hat ohne diese Liebe ein Leben gelebt und ist immer noch mittendrin.

Das lyr. Ich lässt "Revue passieren" und der Leser ist von der Achtung und Bewahrung sehr angetan.

Ganz besonders hier:

Zitat:
Zitat von Galapapa
Die Tränen ließen stets dein Bild vergehen,
und deine Lippen blieben mir verwehrt.

Bald zieht der Winter durch die leeren Tage,
der mit der Kälte um Vergessen wirbt,
bedeckt die Seele mit der bangen Frage,
ob mit dem Warten einst die Liebe stirbt.
Eine Liebe, die nicht mehr ist, warum auch immer, muss nicht geleugnet werden. Sie war zu ihrer Zeit und darf erinnernd ge- und bewahrt sein.

Dieses demonstrative Leugnen, oft niedermachen - nur um der neuen Liebe zu zeigen, dass sie jetzt die einzige ist, überzeugt mich nicht. Im Gegenteil, da stellt sich bei mir ein seltsames Gefühl ein.

Ich neige meist zu bildlichen Vergleichen. Niemanden stört es, wenn man von Häusern, Gärten, Autos und was weiß ich was berichtet, die man hatte.

Ich weiß, darum geht es in deinem Gedicht nicht und es hat niemand so kommentiert. Es sind nur Gedanken, die mir im Zusammenhang kommen.

Dein Gedicht ist schön und ehrlich.
Die gewählte Rubrik unterstreicht, dass es nicht um nachträgliche Wehmut geht, sondern um schöne, unvergängliche Erinnerungen.

Irgendwie habe ich das Gefühl, zu wenig gelobt und zu viel eigene Sicht eingebracht zu haben.

Gern gelesen, kommentiert und nachträglich froh über die Entdeckung deines Gedichtes.

Liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 27.01.2012, 13:51   #5
horstgrosse2
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@Galapapa

Zitat. „und meine Schuld fällt wie ein welkes Blatt.“

Wolltest du wirklich diesen Sinn?
Oder: und meine Schuld hängt wie ein welkes Blatt.
Fazit:
Gelungen, Beifall.
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Alt 27.01.2012, 14:49   #6
Galapapa
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Liebe Dana,
es freut mich, dass der Text, der mir selber schon weider aus den Augen verschwunden war, doch noch mehr Beachtung gefunden hat und ich danke Dir für Deine Gedanken dazu und Dein Lob!
Zitat:
Irgendwie habe ich das Gefühl, zu wenig gelobt und zu viel eigene Sicht eingebracht zu haben.
Hast Du sicher nicht! Dein Kommentar zum Gedicht ist sehr treffend und verständnisvoll.
Die Basis für die Ausdrucksweise ist der große zeitliche Abstand zwischen dem Geschehenen und den dargestellten Gedanken. Daher fehlt die "erdrückende Trauer". Was geblieben ist, das sind Erinnerungen und die Gewissheit, dass diese ganz besonderen Gefühle etwas ausgelöst haben, was für immer Bestand haben wird.
Eine Liebe, die so tiefe Spuren in der Seele zieht, wird auch nie verleugnet werden können, wird das lyrische Ich wohl auch nie verleugnen wollen. Ganz ohne Wehmut werden diese Erinnerungen also auch nie sein.
Danke, Dana, für diese treffenden Worte zu einem Text, in dem eine Menge Herzblut steckt!
Mit herzlichen Grüßen an Dich!
Galapapa

Hallo horstrosse2,
auch Dir lieben Dank für Deinen Beifall, den ich zu schätzen weiß!
Zitat:
und meine Schuld fällt wie ein welkes Blatt.
Ja, ich wollte genau das ausdrücken.
Der große zeitliche Abstand, der besonders in der 2. Strophe zum Ausdruck kommt, hat die Gedanken um eigene Schuld bedeutungslos gemacht; sie fällt mit der Zeit ab und es bleiben die Erinnerungen an etwas Schönes, Bedeutungsvolles.
Ob die "Liebste" jemals vergeben kann oder nicht spielt dabei keine Rolle.
Ich geb Dir allerdings insofern Recht, als Dein Vorschlag das Gleiche aussagen würde; ein welkes Blatt ist für die Pflanze auch bedeutungslos geworden.
Hat mich sehr gefreut, mal wieder einen Kommentar unter einem meiner Texte zu lesen!
Herzliche Grüße an Dich!
Galapapa
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Alt 17.02.2012, 08:04   #7
horstgrosse2
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@Galapapa

Moin, manchmal bin ich Krümelkacker, da musst du durch, grins.
Zitat:
„und meine Schuld fällt wie ein welkes Blatt.“

Pass auf, Zitat eine Strophe eher:“ Sag, Liebste, kannst du jemals mir vergeben,
den bitt‘ren Kelch, aus dem wir beide tranken“
Dieses „Bild“ anders übersetzt heißt: „Ihn quälen Fragen, bittere Fragen, richtig??

Wenn du jetzt mit ja Antwortest wäre:“ und meine Schuld fällt wie ein welkes Blatt“, ein Paradoxem.
Also, quälende Fragen trägt man eigentlich lang mit sich herum, ein ganzes Leben? Keine Ahnung.
Deshalb mein erster Vorschlag:“ und meine Schuld hängt wie ein welkes Blatt.“
Jetzt würde ich sagen, dass ist es auch nicht richtig getroffen.

Vielleicht:
Und meine Seele kaut an diesem Blatt
Und meine Seele zagt mit diesem Blatt

Hm, vielleicht bin ich auch im falschen Zug eingestiegen, grins.
Tschüss.
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Alt 17.02.2012, 12:27   #8
Galapapa
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Hallo Horstgrosse2,
s'ist besser, wenn man Krümel kackt,
bevor so ein Problem versackt.
Glaub mir, ich bin froh, dass Du Dich nochmal gemeldet hast. Nur so kann ich diese Geschichte klären:
Also, der "bittre Kelch" bezieht sich nicht auf quälende Fragen, die sich das lyrische Ich stellt, sondern ist eine Metapher für ein für beide Seiten unangenehmes Ereignis. Hier ist es das Ende der Beziehung und die Trennung.
Das lyrische Ich hat einen Anteil an Schuld für sich akzetiert aber eben diese Schuld wird mit den Jahren immer unbedeutender für beide bis sie gar keine Rolle mehr spielt in den Erinnerungen, die beide haben. Genau das wiederum soll das fallende, welke Batt aussagen.
Mit den "quälenden Fragen" sitzt Du also tatsächlich im falschen Zug.
Es geht hier um wehmütige Erinnerungen an eine Zeit der Liebe, wobei die Wehmut immer mehr durch die Gewissheit geprägt wird, dass es kein Zurück mehr gibt.
Wenn Du es jetzt mal aus diesem Blickwinkel betrachtest, dann müsste auch die Metapher des fallenden Blattes für Dich einen Sinn machen.
Es ist schwierig, diese Gedanken nachzuvollziehen, vielleicht auch gar nicht möglich für einen Außenstehenden. Solltest Du diesen Eindruck haben, dann folge ich Deinem Vorschlag und häng das Blatt wieder hoch.
Vielleicht kann man hier allzuleicht aufs falsche Gleis kommen?
Danke, dass Du Dich nochmal gemeldet hast!
Herzliche Grüße an Dich!
Galapapa

Geändert von Galapapa (17.02.2012 um 12:32 Uhr)
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Alt 18.02.2012, 13:02   #9
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lieber galapapa,

die herbstgedanken gelten mehr den inneren befindlichkeiten als der natur, musste ich entdecken beim lesen deines gedichtes.

sehr schön finde ich das beinah versteckte ringen von lebendigkeit mit einem letzten aufbäumen unter einer beinah erstickenden decke von kälte und abgestorbenem. du hast das in den strophen 1 und 2 fein verpackt:

Zitat:
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Ein alter Raureif überzieht mein Leben,
es brodeln schäumend düstere Gedanken.
Sag, Liebste, kannst du jemals mir vergeben,
den bitt‘ren Kelch, aus dem wir beide tranken?

So traurig bunt zieht Herbst in meine Sinne,
und meine Schuld fällt wie ein welkes Blatt.
Wenn ich das ewig alte Lied beginne,
das viel zu viele dunkle Strophen hat.
da brodelt unter kaltem raureif noch schäumend lebendiges gedankengut, wie ich es lese. auch verbitterung, reue sind lebendige gefühle. ein sich-auflehnen gegen konsequenzen bedauerter handlungen. so ganz will lyrIch noch nicht aufgeben - auch, wenn anscheinend ein ausweg noch nicht in sicht ist.

auch "traurig-bunt" ist dieser lebendige (scheinbare) widerspruch: melancholie, traurigkeit - sehr "aktive" gefühle sind das. und das kommt hier schön zum ausdruck. die schuld - ihr will noch nicht raum gegeben werden. das finde ich ganz besonders schön und eindringlich formuliert hier!


Zitat:
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Im Traum hab ich dein Lächeln oft gesehen,
hab mich so sehr nach deinem Kuss verzehrt.
Die Tränen ließen stets dein Bild vergehen,
und deine Lippen blieben mir verwehrt.
hier wird lyrIch doch übermannt vom schmerz des vermissens. da "fehlt" etwas, schmerzlich. die strophe ist für meinen geschmack hart an der grenze, aber ins ganze eingebettet gelesen muss sie schon so sein, wie sie ist. sie gibt dem gedicht die schwere als begründung für diesen prozess, sie begründet die schwere des ganzen. sonst wärs ja nur eins dieser "ich mag es, traurig zu sein und mich im schmerz der melancholie des vermissens zu wälzen-Texte"...

Zitat:
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Bald zieht der Winter durch die leeren Tage,
der mit der Kälte um Vergessen wirbt,
bedeckt die Seele mit der bangen Frage,
ob mit dem Warten einst die Liebe stirbt.
hier lese ich lyrIch sehr hin- und hergerissen. ein gefühl, das echter und fieser kaum sein kann. einerseits ist da der wunsch, endlich abschließen zu können, zu vergessen - einfach, damit es "aufhört", weh zu tun. andererseits hieße das, loszulassen - und genau das geht nicht. wird vermutlich nie möglich sein.

der titel der "herbstgedanken" impliziert diesen (leisen und nie versiegenden) glauben an eine mögliche wiederkehr.

ein schönes, leis-trauriges gedicht, dessen gewicht sich erst zwischen den zeilen und worten in seinem wahren ausmaß erschließt. das finde ich sehr sehr schön und sehr berührend.


gerne gelesen, nachgespürt und mitgegangen!


lieber gruß,

fee
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"Gedichte sind Geschenke an die Aufmerksamen" Paul Celan
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Alt 18.02.2012, 13:34   #10
Galapapa
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Liebe fee,
hab lieben Dank für Deinen ausführlichen Kommentar und Dein schönes Lob!
Es geht im Text im Kern um die erste, große Liebe, die auf der Lebensstrecke verloren gegangen ist. Dieses Erlebnis hat in der Seele des lyrischen Ich tiefe, unauslöschliche Spuren hinterlassen, so dass die Erinnerung nach den vielen Jahren immer noch weh tut.
Um das auszudrücken, bedurfte es der dritten Strophe und ihres Inhalts, der Dir grenzwertig erschien. Mag sein, doch genau das hat das lyrische Ich erlebt (und noch wer).
Eine zweite Botschaft im Text sollte sein, dass die Zeit so Manches relativiert und dann irgendwann die Schuld keine Rolle mehr spielt. Zwischen den Zeilen erkennt das lyrische Ich, dass man sich hätte nicht an Schuld oder nicht schuld klammern sollen, sondern an das, was da verloren ging. Nun ist es zu spät.
Dass man sich in der Verzweiflung dann doch immer noch an fiktive Hoffnungen klammert, hast Du sehr gut erkannt, wie auch Dein Kommentar ins Schwarze trifft.
Danke nochmal und liebe Grüße an Dich!
Galapapa
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