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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 25.11.2015, 12:00   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Standard Schmerzverzerrt

Wie war ein Schmerz, der ohne Federlesens
den Gipfel deiner Lebenszeit bekrönte
und alles Wesentliche so verhöhnte,
ein Teil geworden deines welken Wesens,

dass nichts und niemand noch dein Sein erreichte,
wo tausend Tränen in den Türen standen
und doch den Weg nicht in die Wüste fanden,
wo blank der Schädel deiner Hoffnung bleichte.

Wer kennt dich noch, du herzverarmtes Pochen,
das fiebrig matt nach alten Tagen tastet?
Wer riss das Fleisch von deinen Seelenknochen,

die irgendwie noch das Erlebte stützen,
auf dem die Zeit wie ein Gebirge lastet?
Wem kann dein Funktionieren wohl noch nützen?
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (14.07.2016 um 18:24 Uhr)
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Alt 25.11.2015, 20:45   #2
juli
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Beiträge: n/a
Standard Hallo eKy :)

Hallo eKy,
Das ist ein leidenschaftliches Gedicht. Die Worte klagen an und fragen.
Du könntest den Schmerz als körperlichen Schmerz meinen, aber auch als seelischen und Beides zusammen. Als Leser kann ich mich hineinfühlen, und wenn ich keine Worte finde für meinen Schmerz, ist das hier ein Gedicht, das aus Schweigen Empfinden macht und befreien kann.

Du verwendest starke Bilder, die den Schmerz sehr gut charakterisieren.

Sehr gerne gelesen auch wenn es so traurig ist

LIebe Grüße sy
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Alt 25.11.2015, 21:33   #3
Erich Kykal
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HI, Sy!

Das Gedicht war nicht geplant - es begann irgendwie und wurde einfach, was es werden wollte ...

Vielen Dank für deine Gedanken!

LG, eKy
__________________
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Alt 26.11.2015, 11:48   #4
wolo von thurland
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Hallo Erich Kykal

Wie sehr mag ich doch Sätze, die sich über zwei Strophen hinwegziehen!

(Meine Meinung zu Zeilen wie der mit dem Schädel der Hoffnung und jener mit dem von den Seelenknochen gerissenen Fleisch möchtest du bestimmt nicht lesen.)

Angetan von dem langen Schachtelsatz grüsst
wolo
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Alt 26.11.2015, 15:55   #5
Erich Kykal
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Hi, wolo!

"bleichender Schädel der Hoffnung" und "von den Seelenknochen gerissenes Fleisch" ---

Interessant - genau diese Bilder fand ich besonders "griffig", um das Gefühlte bezüglich einer Selbstaufgabe zu transportieren und zu vermitteln. Aber da hat sicher jeder seinen eigenen Geschmack.

Allerdings: Wenn du glaubst, dass ich etwas nicht hören möchte - warum informierst du mich dann extra darüber?
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Alt 26.11.2015, 19:14   #6
Dana
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Lieber eKy,

ich denke diese Lebensart geschieht öfter als wir denken können.
Ich erfühle darin eine "Verbitterung", die man als Schmerz beobachtet.
Der Bobachter erkennt und bleibt hilflos.

Du hast jenen Schmerz in einem Sonett verdichtet, das zutiefst berührt.
Die Sätze sind sprachlich genial erfasst. Das können nur sehr wenige. Ein einziger Satz, der sich in jedem Vers mitteilt und in der Aussage durch Kommata nicht beirren lässt.
(Ich habe mich einst von jemand belehren lassen, nicht jeden Vers durch einen Punkt zu vollenden. Das Übergreifende, Fließende sei Lyrik pur.)

Deine Gedichte sind lyrische Ergüsse, die Denken, Nachdenken und sprachliche Genialität erfüllen.

Liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 26.11.2015, 19:47   #7
Erich Kykal
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Hi, Dana!

Vielen lieben Dank für so ein erfüllendes Lob! Da geht es mir gleich so:

Du weißt ja, wo ich es her hab - Rilke ist mein großes, nie zu erreichendes Vorbild! Seine Sprache fließt wie magische Seide durch den lauschenden Geist!

LG, eKy
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Alt 27.11.2015, 02:34   #8
Lailany
Kiwifrüchtchen
 
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Zitat:
Zitat von Erich Kykal Beitrag anzeigen
Seine Sprache fließt wie magische Seide durch den lauschenden Geist!
So auch deine, Eky, so auch deine...

Die tiefe Traurigkeit, der Schmerz in deinen Zeilen sind erdrückend und gleichermaßen beglückend.

Überirdisch schön:
wo tausend Tränen in den Türen standen und doch den Weg nicht in die Wüste fanden...
Bei solchen Wortgemälden hätte Rilke anerkennend lächelnd genickt, da bin ich mir sicher.

Die Anführungszeichen bei "Funktionieren" stören mich. Sie sind mir in diesem seelentiefen Werk zu "verkopft". Wenn du tatsächlich der Meinung bist, das Wort herausheben zu müssen, dann wäre kursiv die bessere Wahl.
Nichts wär aber genauso gut. Jedes deiner Worte trägt seine an- und zugemessene Bedeutung in itself.
Danke für das wahrlich exquisite Leseerlebnis.

HG von Lai
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"Manchmal ist es so demütigend, ein Mensch sein zu müssen..." Erich Kykal

Geändert von Lailany (27.11.2015 um 02:58 Uhr)
Lailany ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.11.2015, 14:28   #9
Erich Kykal
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Hi, Lai!

Das Werk ist deshalb so "ergreifend", weil es aus der eigenen Erfahrung schöpft: Wenn mich ein depressiver Schub überkommt, sieht es in etwa so in mir aus ...

In solchen Zuständen "funktioniert" man nur noch - und so schlimm das ist, gerade dieses Funktionieren lässt einen weitermachen - und überleben, bis wieder bessere Tage kommen.
Deshalb - um diese spezielle Bedeutung und Betonung von "Funktionieren" hervorzuheben, habe ich es in Anführungsstriche gestellt.

Vielen Dank für das tolle Lob - da kommt man sich selbst gleich viel bedeutender vor!

LG, eKy
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