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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 31.10.2015, 15:54   #1
Chavali
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Standard Nebelland

Wie ein weißes Leichentuch
liegt der Nebel überm Land,
und ein aufgeschlagnes Buch
liegt in meiner kühlen Hand.

Doch mein Blick verirrt sich fern
zu den Bergen hinterm Feld,
wo ein blasser Morgenstern
manchen Tag herniederfällt.

Wo ist all die Zeit geblieben,
die verloren war im Zorn?
Könnte ich noch einmal lieben,
wäre ich wie neugeborn.

Doch der Nebel vor dem Fenster
hindert meine klare Sicht.
Wallgewänder wie Gespenster
wehen durch das Tageslicht.

Bücherseiten rascheln leise -
ausgelesen ist das Buch.
Und noch immer liegt der Nebel
wie ein weißes Leichentuch.

__________________
.
© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*

Geändert von Chavali (03.11.2015 um 11:34 Uhr)
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Alt 31.10.2015, 17:35   #2
ginTon
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Hi chavilein...


Hast du das Gedicht geschrieben, als du aus dem Fenster geschaut hast?
Ist ja z.Zt. draußen schon wegen trübe. Schöne Herbstszenerie, wenn es
auch unter nachdenkliches steht.

Zitat:
Wie ein weißes Leichentuch
liegt der Nebel überm Land,
und ein aufgeschlagnes Buch
liegt in meiner kühlen Hand.

Doch mein Blick geht allzu fern
zu den Bergen hinterm Feld,
wo ein blasser Morgenstern
manchen Tag hernieder fällt.

Wo ist all die Zeit geblieben,
die verloren ist im Zorn,
könnte ich noch einmal lieben,
wäre ich wohl neugeborn.

Doch der Nebel vor dem Fenster
hindert meine klare Sicht.
Wallgewänder wie Gespenster
decken ab das Tageslicht.

Bücherseiten rascheln leise,
ausgelesen ist das Buch.
Und noch immer liegt der Nebel
wie ein weißes Leichentuch.
gefällt mir insgesamt sehr gut das Werk. Sehr melancholisch über Vergänglichkeit
und Tod. Das Buch könnte man mitunter auch als Metapher
für Leben interpretieren und die letzten Seiten nunmehr, wohl eher ein gewisses
Alter erreicht zu haben...

mir gefällts ...liebe Grüße gin
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Was aus Liebe getan wird, geschieht immer jenseits von Gut und Böse (Nietzsche)

Alles, was einmal war, ist immer noch, nur in einer anderen Form. (Hopi)


nichts bleibt, nichts ist abgeschlossen und nichts ist perfekt... (Wabi-Sabi)
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Alt 01.11.2015, 10:13   #3
Chavali
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Hi ginnie,

Zitat:
Hast du das Gedicht geschrieben, als du aus dem Fenster geschaut hast?
Ja, irgendwie schon, aber dann sind mir Worte eingefallen, die den Text mehr zur nachdenklichen Seite
hat ausschlagen lassen
Zitat:
gefällt mir insgesamt sehr gut das Werk. Sehr melancholisch über Vergänglichkeit
und Tod. Das Buch könnte man mitunter auch als Metapher
für Leben interpretieren
Ja, könnte man, wobei die eine oder andere Interpretation auch möglich ist

Danke dir!

Lieben Gruß
chavi

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Alt 01.11.2015, 12:24   #4
Erich Kykal
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Hi, Chavi!

Ein guter Wurf, dieser Text! Alle Zeilen gereimt - schon das vermag mich zu entzücken!

Meine Tipps:


Wie ein weißes Leichentuch
liegt der Nebel überm Land,
und ein aufgeschlagnes Buch
liegt in meiner kühlen Hand.

Doch mein Blick verirrt sich fern
zu den Bergen hinterm Feld,
wo ein blasser Morgenstern
manchen Tag herniederfällt. Wenn du "neugeborn" zusammen schreibst, dann dies erst recht!

Wo ist all die Zeit geblieben,
die verloren war im Zorn? Frage braucht Fragezeichen.
Könnte ich noch einmal lieben,
wäre ich wie neugeborn.

Doch der Nebel vor dem Fenster
hindert meine klare Sicht.
Wallgewänder wie Gespenster
irritiern das Tageslicht. Vermeide Inversion.

Bücherseiten rascheln leise - Besser Bindestrich hier.
ausgelesen ist das Buch.
Und noch immer liegt der Nebel
wie ein weißes Leichentuch.


Besonders gelungen: Die Conclusio schließt den Kreis zum Beginn durch Rückkehr zum Bild des Leichentuches. Gekonnte Verstärkung des Gesamteindrucks der Beklemmung.

Sehr gern gelesen!

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (02.11.2015 um 21:19 Uhr)
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Alt 02.11.2015, 21:11   #5
Chavali
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Servus, Erich,

bevor ich mal wieder alle deine Tipps in die Tat umsetze, möchte ich Zeile 4 von S 4 lassen, auch wenn
es eine Inversion ist
Ich weiß nicht, irritiern passt zwar, auch vom Sinn her, aber das Wort gefällt mir an der Stelle nicht.

Habe jetzt gegrübelt, ob ich ein anderes passendes Wort finde, aber leider nein...
Ich werde noch weiter nachdenken
Zitat:
Ein guter Wurf, dieser Text!
Danke, dein Lob freut mich
Zitat:
Besonders gelungen: Die Conclusio schließt den Kreis zum Beginn durch
Rückkehr zum Bild des Leichentuches. Gekonnte Verstärkung des Gesamteindrucks der Beklemmung.
Super, dass du das erwähnst. Ich mag sowas auch, es intensiviert die Aussage in jedem Falle.


Danke und lieben Gruß,
Chavi
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Alt 02.11.2015, 21:26   #6
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Andere Möglichkeiten für die Inversionszeile:

"untergraben Tageslicht."

"streuen trübes Tageslicht."

"überziehen Tageslicht."

"dämpfen jedes Tageslicht."

"wabern um das Tageslicht."

"fallen in das Tageslicht."

"wehen durch das Tageslicht."

"dunkeln alles Tageslicht."

"trüben selbst das Tageslicht."

usw... - manches kann man auch untereinander austauschen.

Wo liegt das Problem?

LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (02.11.2015 um 21:28 Uhr)
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Alt 03.11.2015, 08:26   #7
juli
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Liebe Chavali,

Du hattest mehrere Gedichte gleichzeitig gepostet, und dieses gefällt mir am Besten. Das Nachdenkliche und die Naturbilder finde ich ich gut. Es hat etwas melancholisches und paßt gut zum Nebel. Manchmal ist einem die innere Sicht verhangen, und man blickt zurück. Vielleicht ist man auch gerade in einer Lebensphase in denen Übergänge überwiegen. Man ist nicht mehr ganz so jung, und über die Hälfte der Lebenswegstrecke sind schon gegangen worden... aber das sind meine Gedanken.

eKy hat ja viele Vorschläge gemacht. Ich favorisiere diesen:

Doch der Nebel vor dem Fenster
hindert meine klare Sicht.
Wallgewänder wie Gespenster
wehen durch das Tageslicht. <<<< das nimmt das Bild der Wallgewänder auf und führt es weiter...auch der Nebel wird hervorgehoben. :-)

Sehr gerne gelesen, es ist nur ein Vorschlag, das Gedicht paßt sehr gut in die Jahreszeit, und das Nachdenkliche vom Inhalt her gefällt mir prima. ( ich komme nicht von diesen 3 Blumen runter )

Liebe Grüße sy
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Alt 03.11.2015, 11:33   #8
Chavali
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Zitat:
Andere Möglichkeiten für die Inversionszeile:

"untergraben Tageslicht."
"streuen trübes Tageslicht."
"überziehen Tageslicht."
"dämpfen jedes Tageslicht."
"wabern um das Tageslicht."
"fallen in das Tageslicht."
"wehen durch das Tageslicht."
"dunkeln alles Tageslicht."
"trüben selbst das Tageslicht."

usw... - manches kann man auch untereinander austauschen.

Wo liegt das Problem?
Meine Güte, Erich

wie cool!
Was ist man manchmal selbst verblödet und sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht

*danke*



Liebe sy,

ja, du hast recht, wehen durch (...) passt sehr gut!

Danke für deine Rückmeldung, freut mich, dass dir der Text gefallen hat.
Du hast auch eine schöne Interpretation angegeben



Grüße aus Nebelland,
Chavali


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Geändert von Chavali (03.11.2015 um 12:46 Uhr) Grund: Tippfehler
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Alt 23.01.2016, 13:21   #9
Agneta
Gast
 
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das ist schön und rund, liebe Chavali. Es erinnert mich an den chinesischen Spruch: "Vergossenes Wasser lässt sich nicht wieder einsammeln."
Gerne gelesen mit lG vn Agneta
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Alt 24.01.2016, 20:32   #10
badico
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Ort: linkester Niederrhein
Beiträge: 231
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Liebes Kätzchen,
ich bin froh, dass Agneta dieses schöne Stückchen noch einmal ausgegraben hat, so dass ich es auch lesen konnte.
Mir bleibt nicht viel zu sagen, die Komplimente hast du von meinen "Vorschreibern" bekommen

Danke für´s teilen und gerne gelesen

Babsi
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Si peliannen i vâd na dail lîn. Si boe ú-dhannathach
(Dein Weg liegt dir bereits zu Füßen, zögere nicht ihn zu gehen)
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