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Ein neuer Morgen Fröhliches und Hoffnungen

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Alt 14.12.2011, 11:24   #1
wolo von thurland
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Frühstücksbrot

Hoch im Braun am Blauen gleisst
auf sattem, grauem Hintergrund
Turm in stummer Mächtigkeit.
Die Hügel ducken sich im Rund.

Morgendunkel, schattenblau.
Die Wiesen halten noch ein Grün,
tragen Zuversicht zur Schau,
weil gestern doch noch Sonne schien.

Siehe da! Bald schwindet Grau!
Durchs Tal hinab fliesst Morgenrot.
Wolkenloch strahlt himmelblau.
Herunter schwebt ein Frühstücksbrot!

Geändert von wolo von thurland (15.12.2011 um 07:32 Uhr)
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Alt 15.12.2011, 06:39   #2
Stimme der Zeit
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Guten Morgen, wolo,

nach dem ersten Lesen war ich zunächst am Rätselraten, was "Braun, Blau, Turm, Grau, Hügel, Grün, Morgenrot, Wolkenloch" und - ein "Frühstücksbrot" miteinander zu "tun haben".

Allmählich erweisen sich deine Gedichte für mich als eine "Bildungsveranstaltung" - das meine ich im absolut positiven Sinn! Ich begab mich auf die Suche, mit den Stichworten "Blau Braun Turm" und wurde fündig.

Natürlich kann ich mir nicht sicher sein, es ist gut möglich, dass ich mich irre, aber das, was ich fand, passt ausgezeichnet.

Das Braun steht für ein Kloster, und das Blau für dessen Glockenturm. Turm Dürnstein in der Wachau, in Österreich. Vor einem Vierteljahrhundert wurde dort restauriert und der Turm präsentierte sich danach in Hellblau und Weiß. Das sorgte anfangs für "Irritationen" in der Bevölkerung, bis man sich daran "gewöhnte". Das Braun des Klosters soll das "Irdische Streben" symbolisieren und das Blau des Turms das "Himmlische", den Triumph Jesu über den Tod. Sehr sinnig: Die "Mächtigkeit" des Turms (steht für die religiöse Macht, denke ich) und die "Hügel ducken sich im Rund".

Der "satte, graue Hintergrund" steht, so denke ich, für das "Grau" des sogenannten "Alltags", bzw. für die "Realität". Und da sieht es ja zur Zeit auch "trübe" aus. "Morgendunkel, schattenblau" - der "Morgen" ist dunkel, und das "Blau" erzeugt "Schatten". Kann man "doppelt" interpretieren. Dass die "Wiesen noch Grün halten", verstehe ich im Sinne von "die Hoffnung/die religiöse Macht ist noch nicht verloren", auch etwas "doppelsinnig".

Allerdings scheint es eine trügerische Zuversicht zu sein, denn sie gründet sich wohl nicht auf die Wirklichkeit, sondern bezieht sich allein darauf, dass "gestern doch noch Sonne schien". Die "vergangene Macht" der Kirche? Auch im doppelten Sinn zu verstehen, es kann auch Bezug nehmen auf die "Zeiten, in denen alles noch besser war".

Die letzte Strophe spricht dafür, denn der erste Vers ist genau so formuliert: "Siehe da!" und "Bald schwindet Grau!" - das klingt biblisch-pathetisch. Dann "geht die Sonne auf" - das "Morgenrot". Eine Metapher für die "geistig-erhabene" Liebe, die die Kirche so gerne zur Schau stellt, vermute ich. "Wolkenloch strahlt himmelblau". Irgendwie habe ich jetzt das Bild im Kopf, wie der Kirchturm den "Himmel anpiekst" und so eine "Lücke im Grau der Wolken" erzeugt - sehet! Da ist Hoffnung!

Und dann, der "Clou". Die Conclusio: "Herunter schwebt ein Frühstücksbrot!" Perfekt. Armenspeisung, und alles ist wieder gut. Die Welt ist gerettet, was sind wir (Kirche) gut!
Ohne uns müsst ihr verhungern! Wobei darunter sowohl die "reale" Armenspeisung als auch die "geistige" Speisung verstanden werden kann ...

Wenn ich recht habe, ist das erstklassige Satire.

Was den Rhythmus betrifft, ich komme klar. Alle Strophen beginnen trochäisch, aber ich finde gut in den Jambus hinein. Beim ersten Lesen irritierte mich der weitere Wechsel des Versmaßes in den jeweilig dritten Versen von Strophe 2 und 3 anfangs ein wenig, aber dass passt sehr gut zum "Inhalt". Nachdem ich dann den Rhythmus "gefunden" hatte, ging es beim zweiten Lesen problemlos. Es ist ja nicht so, als ob ich ein stringentes Versmaß nur deshalb bevorzuge, weil es stringent ist; sondern es kommt eben darauf an, ob ein variables Betonungsmuster "hakt" oder nicht. Hier konnte ich mich gut "einlesen", dann ging es ohne Stocken. Also: Gut gemacht, kein Problem.

In Strophe 1, Vers 2 hast du einen kleinen Fehler und ein Komma vergessen:

Zitat:
auf sattem grauen Hintergrund
auf sattem, grauem Hintergrund - ich denke, es ist eine Aufzählung, der Hintergrund ist "satt und grau", wenn du das "und" weglässt, muss ein Komma hin und "grauem" - Dativ.

Gefällt mir sehr gut (natürlich, ich und Kirche ... ), aber es ist auch wirklich ausgezeichnet "gemacht", die Metaphern und der Inhalt sind sehr gelungen.

Gerne gelesen und kommentiert.

Liebe Grüße

Stimme
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Alt 15.12.2011, 07:31   #3
wolo von thurland
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard

guten morgen, stimme der zeit
danke fürs lesen und interpretieren.
bitte, nimm es mir nicht übel, wenn ich zum inhalt nicht weiter stellung nehme.
bezüglich versmass: der wechsel trochäisch-jambisch sollte eigentlich auch in der ersten strophe sein. beim "verbessern" habe ich schlicht übersehen, dass ich beim "turm" einen fehler machte. ich lasse mal das "ein" weg, ist aber auch nicht wirklich die lösung.
danke für den hinweis betr. grammatik und komma. das kann ich gleich ändern.
lg wolo

Geändert von wolo von thurland (15.12.2011 um 07:33 Uhr)
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