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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 21.07.2016, 09:43   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Registriert seit: 18.02.2009
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Standard Sterbliche Bedeutung

Die einen sagen, dass ein Weiter wäre
in jenen Schatten, die uns alle kühlen,
die andern, dass - was wir auch denken, fühlen -
nur totes Fleisch ein fremdes Leben nähre.

Und es gibt jene, die das Ungefähre,
darin sie fast wie nebensächlich wühlen,
als Wasser ihrer nimmermüden Mühlen
verherrlichen, als ob das alles kläre.

Egal ob Seele vor der letzten Häutung,
ob nackter Geist, der mit dem Leibe stirbt,
wir alle bangen nur auf dieser Seite

des letzten Atemzuges, eh verdirbt,
was wir uns - ewig wie im Widerstreite
mit der Vernunft - erfüllen mit Bedeutung.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (21.07.2016 um 19:35 Uhr)
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Alt 27.07.2016, 10:35   #2
Thomas
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Beiträge: 3.375
Standard

Lieber Erich,

ich bin nun einige Zeit um dein Sonett herumgeschlichen, welches einerseits eine wichtige Frage - die nach der Sinngebung des Lebens - anspricht, mich aber andererseits etwas unbefriedigt lässt.

Formal ist natürlich (wie bei einem Sonett von dir nicht anders zu erwarten) alles bestens. Aber der Inhalt der letzten Terzine, welche die Frage darauf beschränkt, was "wir uns mit Bedeutung erfüllen", greift mir zu kurz, indem es das einzelne Individuum zu stark betont. Es mag zwar eine beruhigende Vorstellung sein, reicht meiner Meinung jedoch nicht aus. Wir können uns nicht hinreichend aus uns alleine heraus erklären, und deswegen ist unsere Bedeutung auch von anderen Menschen und unserem Verhältnis zu ihnen abhängig. Wie schlimm das Fehlen dieser "Dimension" mitunter sein kann, erleben wir z.B. durch die Amokläufe und ähnliche asoziale Taten.

Ich vermeide es möglichst, zu Gedichten inhaltliche Aussagen zu machen, da es im Forum meiner Meinung nach vor allem um die Form und Qualität der Gedichte gehen soll. Aber hier tue ich es ausnahmsweise, da ich sehr gerne nach der Einleitung der beiden hervorragenden Quartette den Hinweis auf eine positive Lösung finden würde.

Liebe Grüße
Thomas
__________________
© Ralf Schauerhammer

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller
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Alt 27.07.2016, 12:51   #3
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi Thomas!

Das Gedicht (vor allem die Terzette) sagen aus, dass wir niemals erkennen werden, was oder ob wirklich etwas kommt nach dem Tode. Was hätte ich sonst postulieren sollen, ohne religiös zu werden?

Diese Aussage ist weder positiv noch negativ, hier wird nur konstatiert, dass alles, was wir und davor "mit Bedeutung füllen", also alles, was wir "glauben", weil wir eben nicht "wissen" können, nur vor dem Tod wichtig ist.

Inwiefern wird hier "das einzelne Individuum zu stark betont"? Glaubensgemeinschaften haben nur als Gemeinschaftskitt und Seelentröster einen Sinn sowie um abgrenzen und ausgrenzen zu können. Alle paar Tausend Jahre sind andere Welterklärungsmodelle am Drücker, und die Namen der Gottheiten wechseln mit ihnen ...
Ich finde, das Individuum kann in dieser Frage gar nicht genug betont werden! Wenn jeder für sich sich ohne sozialen oder gar judikativen Druck Gedanken darüber machen könnte und wollte, "was die Welt im Innersten zusammenhält", wenn Kulturen ohne die Mitgliedbedingung des Glaubens dauerhaft funktionieren würden (wir leben hier in Europa - zur Zeit NOCH - auf so einer Insel der Seligen!), dann gäbe es ein wesentliches treibendes Element für Konflikte weniger auf der Welt!

LG, eKy
__________________
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Geändert von Erich Kykal (14.06.2019 um 23:04 Uhr)
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Alt 27.07.2016, 22:14   #4
Total Blackout
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Beiträge: 40
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Hallo Erich,

ich habe das Sonett mehrfach laut gelesen. Die zweite Strophe kann mich vom Sprachfluss (also Metrum und Syntax) überzeugen. Sie lässt sich gut lesen und die Reime wirken dementsprechend auch gut.
Bei den anderen Strophen wird dies und damit auch der Gang der Gedanken stark durch die Parenthesen und den Zeilensprung von Strophe drei zu vier geschwächt. Demzufolge wirken die Reime auch nicht mehr, vor allem in der letzten Strophe.
Ich denke, dass gerade bei Sonetten nicht zu viel mit Einschüben und Schachtelsätzen gearbeitet werden sollte, wenn man ein Klinggedicht schreiben möchte. Am Ende gehen die Reime verloren oder sie wirken gezwungen oder willkürlich, was alles abträglich für ein Sonett ist. Aber sicherlich gehen die Einschübe und damit die Syntax hier mit dem Inhalt einher. Zumindest gelang es mir nicht, ohne Stocken den Text laut zu lesen und das ist bei einem Sonett in meinen Augen eher ein Minuspunkt.

LG
TBO
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Hier steht kein kluger Satz!
www.renékanzler.de
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Alt 27.07.2016, 22:35   #5
Erich Kykal
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Hi TB!

Deine Argumente sind nicht von der Hand zu weisen, allerdings habe ich beim flüssigen Lesen des Textes keine Probleme - vielleicht Übungssache, oder weil mir als Autor der Text natürlich näher steht.
Aber grundsätzlich gebe ich dir recht: Gute Lyrik ist immer eine Gratwanderung zwischen angenehm komplexer Satzführung, um einen Inhalt transparent und nachvollziehbar zu transportieren, und melodisch-harmonischem Sprachklang, um ein Gefühl dafür zu wecken.
Nicht immer gelingt es, diese Parameter gleich gut und angemessen auszutarieren.

Vielen Dank für deine Gedanken.

LG, eKy
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